Tageslicht als anerkannte Qualität im Bau
Schweizer Tageslicht-Symposium
Im Juni 2019 ist die neue Tageslichtnorm in Kraft getreten. Aus diesem Anlass haben Fachleute aus Planung und Forschung auf dem Campus der Hochschule Luzern beim ersten Tageslicht-Symposium das Thema, dessen Wahrnehmung noch in der Kinderschuhen steckt, aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert.
Es ist einfach da. Meistens geliebt, manchmal als störend empfunden, aber noch seltener genauer beachtet. Die Rede ist vom Tageslicht. Wirtschaftlich lässt es sich nur indirekt nutzen, sodass die Signale aus der Industrie, Grundlage jeder Lobby, bisher verhalten waren. Mit der Konstitution der Tageslichtakademie hat sich die Wahrnehmung verändert. Und bei der Suche nach alternativen Umgangsformen mit Energie hat das Tageslicht, gerade weil es scheinbar endlos, gratis und CO2- neutral zur Verfügung steht, eine wichtige Position eingenommen.
Zum ersten Mal fand jetzt ein Symposium zu dem Thema statt. An der Hochschule Luzern fächerten Referierende aus Architektur und Innenarchitektur, aus der Gebäudetechnik und sogar der chronobiologischen Forschung das enorme Themenspektrum auf, das vom Tageslicht beeinflusst wird. Alle Formen und Inhalte in der Architektur verändern sich mit Licht und Schatten.
Entsprechend kommen die Forderungen nach einem geregelten Umgang mit Tageslicht aus verschiedenen Blickwinkeln. Einsehbarkeit, Aussicht, Orientierung, Intimität sowie die Steuerung des Energiehaushalts sind nur einige der Themen, die es zu berücksichtigen gilt.
Seine hohe gesundheitliche Bedeutung ist unbestritten. Als wichtigster Taktgeber im Alltag wirkt es bei allen lebender Organismen und auf allen Ebenen der Organisation – von den Genen bis zum Verhalten. Anerkannt ist es in der Krankenpflege, insbesondere bei der Behandlung von Winterdepressionen und in der Alzheimerforschung. Mit etwas mehr Weitblick wird klar, dass bereits das Licht in dem Raum, in dem jeder Mensch den Tag beginnt, ausschlaggebend für eine ganze Reihe von Faktoren ist, die nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Produktivität im Einklang mit der Umgebung prägen.
Weitere Artikel zum Thema Licht finden sich in unserem digitalen Dossier.
In der Planung hat das bisher nur in der Arbeitsplatzgestaltung zu einer rechtlichen Verankerung geführt. Seit fast einem Jahrzehnt ist eine Kommission damit beschäftigt, eine Tageslichtnorm zu formulieren, die in der EU und der Schweiz gültig ist (vgl. Kasten).
Bei aller Sympathie für das Tageslicht in Gebäuden sind auch die Zielkonflikte zu benennen. Durch den Klimawandel erhält es eine negative Konnotation: Denn das Eindringen von Wärme in die gebaute Umgebung muss zunehmend kontrolliert und gebremst werden. Fragen des flexiblen Sonnenschutzes werden zu Fragen des sommerlichen Wärmeschutzes und nehmen zukünftig als getrennte Positionen eine wichtige Rolle bei der Bauplanung ein. Wie Björn Schrader, Leiter der Themenplattform Tageslicht, anmerkte, kann weniger denn je gelten, dass eine Architektur je lichtdurchlässiger, desto besser sei.
Interessenkonflikte birgt auch die Forderung nach grossen Abständen zwischen Gebäuden, um einen effektiven Lichteinfall bis in die unteren Geschosse zu ermöglichen. Dem steht ein unverhältnismässiger Landverbrauch gegenüber, den es einzuschränken gilt.
Viel Entwicklungspotenzial liegt in einer ausgefeilten Gebäudetechnik: Die immer autonomere Kunstlichtsteuerung entlässt den Einzelnen aus der Verantwortung und steht daher nicht immer für einen sparsamen und sorgfältigen Umgang mit Energie.
In allen Bereichen laufen Forschung und Entwicklung auf Hochtouren, sodass am nächsten Tageslichtsymposium, das für den 18. Juni 2020 angekündigt ist, spannende Berichte zu erwarten sind.
Förderung der Tageslichtzufuhr in Wohngebäuden
In Bundesbern erhält das Thema Tageslicht ebenfalls Aufschwung. So hat Nationalrätin Regula Rytz, Präsidentin der Grünen, vergangenen Dezember das Postulat «Förderung von Tageslichtzufuhr in Wohngebäuden» eingereicht. Darin fordert sie den Bundesrat auf, einen Bericht betreffend der Tageslichtzufuhr in Schweizer Wohngebäuden zu verfassen.
Einerseits sollen die positiven Aspekte auf den Menschen wie Gesundheit, Stimmung und Leistungsfähigkeit untersucht werden. Andererseits soll auch aufgezeigt werden, wie Tageslicht mithelfen kann, energetische Einsparungen zu erzielen.
Die Antwort des Bundesrats auf den Vorstoss fiel verhalten aus: Er beruft sich darauf, dass die geltenden Bauordnungen in den meisten Kantonen als Regelungen bereits das Verhältnis Fensterfläche zu Bodenfläche kennen und der Bund keine Rechtsetzungskompetenz für Tageslicht in Wohngebäuden habe.
Als Nächstes wird das Postulat im Plenum des Nationalrats behandelt. Stimmt mehr als die Hälfte dem Antrag zu, wird ein entsprechender Bericht verfasst und somit das Tageslicht aus seinem Schattendasein befreit. (Text: Florian Landolt)
Weitere Infos finden Sie hier.
SN EN 17037: Eine neue Norm hilft die Tageslichtversorgung in Gebäuden zu verbessern
Sowohl auf europäischer als auch auf Schweizer Ebene ist die neue SN EN 17037 Tageslicht in Gebäuden ein Novum. Bisher gab es keine Norm für die Nutzung des Tageslichts zurBeleuchtung von Innenräumen und zur Beschränkung von Blendung.
Die neu erschienene SN EN 17037 Tageslicht in Gebäuden beschreibt den aktuellen Stand der Technik und richtet sich an Architekten und Gebäudeplaner. Sie unterstützt diePlanung der Tageslichtbeleuchtung von Innenräumen, um den Energieverbrauch der elektrischen Beleuchtung zu senken. (Text: Suzanne Coleman)
Die SN EN 17037:2019 ist auf dem Online-Shop der SNV erhältlich: (https://shop.snv.ch/).