Damit der Feind zum Freund wird
Aus konventionellen Abläufen bei der Tragwerks- und Gebäudetechnikplanung resultieren oft nachträgliche Anpassungen am Tragwerk, weil die Planungsprozesse zeitlich nicht zusammenpassen. Eine smarte, interdisziplinäre Planung mit frühzeitigem Einbezug der Auftraggeberin erspart spätere Ärgernisse auf der Baustelle.
«Die Gebäudetechnikplanung kommt immer zu spät», sagt der Tragwerksplaner. «Der Beton ist unseren Rohren und Kanälen im Weg», entgegnet die Planerin der technischen Gebäudeausrüstung. Solche oder ähnliche Sätze sind in jedem Projekt von Tragwerks- und Gebäudetechnikplanenden zu hören. Die Gründe für diese meist mit emotionalem Engagement vorgebrachten Voten sind oft in zeitlich nicht abgestimmten Planungsabläufen zu suchen. Aber dieses klassische Dilemma der Bauplanung muss nicht sein. Sechs Grundsätze der integralen Zusammenarbeit können dazu beitragen, die Planungsdisziplinen besser zusammenzubringen, sodass aus vermeintlichen Feinden Freunde werden.
1. Respekt, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis
Der Respekt und das gegenseitige Vertrauen in eine akkurate Planung haben in den letzten Jahren gelitten. Vertrauen beruht auf Erfahrung. Technisches Grundverständnis und Interesse am anderen Gewerk, aktives Einbringen und Nachfragen zu interdisziplinären Fragestellungen helfen dabei, gemeinsam flexiblere und nachhaltige Konzepte zu erarbeiten. Im Erkennen der Herausforderungen des Gegenübers entsteht auch der notwendige Respekt vor der Arbeit und dem Engagement der anderen.
2. Entscheidungskompetenz des Bestellers
Generell ist eine hohe Entscheidungskompetenz der Auftraggeberin erforderlich, um bereits in einer frühen Planungsphase Entscheidungen treffen zu können, die für die weitere Projektierung relevant sind. Um dies zu unterstützen, ist eine frühzeitige und kontinuierliche Einbindung der Auftraggeberin in den Planungsprozess erforderlich – zum Beispiel mit einer Integrated Project Delivery (IPD). Bei IPD handelt es sich um eine Projektabwicklungsmethode, bei der die Beteiligten eng zusammenarbeiten. Durch gemeinsame Bündelung von Wissen, Erfahrung und Ressourcen werden effiziente Lösungen entwickelt.
3. Wichtigkeit der konzeptionellen Planung über alle Fachbereiche
Häufig erstellen Architekten Vorstudien und teilweise sogar das Vorprojekt ohne die Beteiligung von Fachplanenden. Gerade in diesen frühen Phasen ist es wichtig, gut aufeinander abgestimmte Konzepte zu erarbeiten, die den ganzheitlichen Entwurf des Gebäudes stärken. Wird das interdisziplinäre Denken in den konzeptionellen Phasen vernachlässigt, holt einen dieses Planungsdefizit in den nachfolgenden Phasen ein und führt zu nicht optimierten Lösungen.
4. Konsequente Trennung der Systeme
Eine strikte Trennung des primären Tragsystems vom tertiären System der Gebäudetechnik verringert einerseits mögliche Konfliktpunkte und erhöht andererseits die Flexibilität für spätere Umnutzungen. Auch wenn einige Probleme wie Schallschutz oder Brandschutz durch das Einlegen von Leitungen in Betonbauteilen scheinbar gelöst sind, führt die grossflächige Verlegung ganzer Leitungssysteme unweigerlich zu Problemen bei der Bemessung der Konstruktion sowie bei einer späteren Umnutzung des Gebäudes und bringt den Tragwerksplaner oft an den Rand der Verzweiflung. Die Systemtrennung ist daher auch ein wesentlicher Punkt, der von Nachhaltigkeitslabels gefordert wird. Gerade im Wohnungsbau führt die hohe Leitungsdichte aber zu Problemen. Besonderes Augenmerk ist auf die Elektroplanung zu legen, bei der die Leitungsführung auch in einer BIM-basierten Planung meist erst auf der Baustelle im Detail abgestimmt wird.
5. Regelaussparungen, Bohr- und Tabuzonen definieren
Auch bei einer strikten Systemtrennung kreuzen sich die Haupterschliessungen der technischen Gewerke mit den tragenden Elementen. Hierfür können beispielsweise durch die zeitige Konkretisierung von Tragwerkssystemen im Modell Regelaussparungen entwickelt werden. Einerseits wird damit für die Tragwerksplanung in einer frühen Phase die nötige Sicherheit gewährleistet und andererseits der Gebäudetechnikplanung genügend Flexibilität für die Ausgestaltung der Verteilsysteme gelassen. Wo Aussparungen noch nicht im Detail definiert werden können, werden Bohrzonen vorgesehen, in denen nachträgliche Durchbrüche und Bohrungen möglich sind. Im Gegenzug werden strikte Tabuzonen in den für den vertikalen Lastabtrag oder die horizontale Aussteifung des Gebäudes wichtigen Bauteilen definiert. Die Festlegung dieser Zonen benötigt einen vertieften Dialog zwischen den verschiedenen Gewerken und das bewusste Einplanen von möglichen, zukünftigen Nutzungsszenarien. Die BIM-Methode kann hier helfen, ersetzt jedoch nie den Dialog zur Findung eines Gesamtsystems.
6. Aufeinander abgestimmte Planungsprozesse
Kann die Verzahnung der beiden Gewerke durch konsequentes Befolgen der oben stehenden Grundsätze gelöst werden, ist das Problem systemisch behoben und die weiteren Planungsprozesse weisen keine Abhängigkeiten mehr auf. Beinahe jedes neue Gebäude wird jedoch als Prototyp entwickelt. Deshalb kann auch bei akkurater Planung keine vollständige Trennung der Gewerke stattfinden.
Gut organisierte Bauingenieurinnen koordinieren ihre Planungsprozesse so, dass sie perfekt auf den Bauablauf der Ausführenden abgestimmt sind und die notwendigen Planunterlagen mit entsprechender Vorlaufzeit bei den Unternehmern vorliegen. Bei der Gebäudetechnik sind die Abläufe und Abhängigkeiten und die dadurch bedingten Planungsprozesse wesentlich komplexer. Moderne Methoden wie Lean Management helfen, durch den zusätzlichen Einbezug der Bauherrschaft die gegenseitigen Abhängigkeiten zu verstehen und die Planungs- und Entscheidungsprozesse aufeinander abzustimmen.
Fazit
Ein Aufeinanderzugehen und gemeinsames Anpacken der Fragestellungen in einer frühen Planungsphase mit dem Fokus, die gegenseitigen Schnittstellen zu minimieren, können helfen, Gebäude konfliktfreier und nachhaltiger zu realisieren.
Sandro Brunella, dipl. Bauing. ETH und Leiter Hochbau Nordwestschweiz bei Gruner Basel, und Andreas Schmid, dipl. Ing. HLK FH und Leiter Gebäudetechnik bei Gruner Basel, sind Teilnehmer des Executive MBA der Hochschule Luzern – Wirtschaft und haben diesen Beitrag im Rahmen dieses Studiengangs verfasst.