Von Edi­son bis Ma­ni­la

Die Ausstellung «Lightopia» im Vitra Design Museum hat den Anspruch, das Thema Lichtdesign erstmals umfassend zu präsentieren – und wird ihm auch gerecht. Sie überzeugt durch eine gute Mischung, ist nicht zu technisch und nicht zu allgemein: Sie zeigt den Umgang mit Licht von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis hin zu aktuellen Forschungsprojekten und Beispielen aus Kunst, Design und Architektur.

Publikationsdatum
14-11-2013
Revision
30-10-2015

Etwa 300 Objekte werden in Weil am Rhein präsentiert, darunter etliche Stücke aus der Sammlung des Vitra Design Museum, die noch nie gezeigt wurden. Die Idee zur Ausstellung und zum Katalog «Lightopia» geht denn auch auf die Sammlungstätigkeit des Museums zurück. In den vergangenen zehn Jahren baute sich Vitra mit dem Lichtdesign neben Möbeln einen zweiten Sammlungsschwerpunkt auf. Er umfasst mittlerweile über 1000 Leuchten.

In der Ausstellung zu sehen sind neben Klassikern, etwa von, Verner Panton oder Gerrit Rietveld, auch spezielle Objekte wie das «Lotus Model»: eine handballgrosse, filigrane Konstruktion aus silberfarbigen Rhomben, die einer Lotusblume nachempfunden ist. Sensoren reagieren auf menschliche Bewegung und Wärme und ziehen geschmeidig die dünnen Folien zusammen – die Blüte öffnet sich und bringt die Glühlampe in ihrem Innern zum Vorschein. Das Objekt ist ein Modell des 4 × 2 m grossen interaktiven «Lotus Dome» des niederländischen Künstlers Daan Roosegaarde. 

«Lampshade Robot» von James Auger und Jimmy Loizeau von der Londoner Designergruppe «Material Beliefs» ist auf den ersten Blick eine herkömmliche Dekoleuchte, entpuppt sich auf den zweiten jedoch als leuchtende Fliegenfalle: Mit ihrem Licht lockt die Leuchte Insekten an. Generiert wird das Licht quasi durch einen Verdauungsprozess: Die Fliegen kommen im Innern mit einer mikrobiellen Brennstoffzelle in Berührung, vergehen und liefern dadurch Energie, damit die Leuchte weiterhin brennen und Ungeziefer anlocken kann.

Not macht erfinderisch

In einem der Ausstellungsräume veranschaulicht eine überdimensionale Weltkarte, wie unterschiedlich der Lichtkonsum heutzutage in den verschiedenen Teilen der Erde ausfällt. Rund 1.6 Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zum öffent­lichen Stromnetz und sind meist auf alterna­tive Leuchten angewiesen, die mit fossilen Brennstoffen funktionieren. Viele Projekte haben sich in den letzten Jahren mit diesem Thema befasst und nach einer Lösung gesucht.

Eines davon ist «Liter of Light» von ­Illac Angelo Diaz: Die Sonne bringt einfache, mit Wasser gefüllte PET-Flaschen in den ­Dächern der fensterlosen Wellblechhütten in den Slums von Manila zum Leuchten. Die Lichtleistung entspricht etwa einer 55-W-Glühbirne. Wo Licht selbstverständlich verfügbar ist, kommt es zu Überkonsum und grossem Energieverbrauch. Mit neueren Technologien wie LED oder OLED versucht man dem entgegenzuwirken.

Die Natur nutzen

Obwohl sich Technologien wie OLED noch nicht etabliert haben, stellt sich die Lichtindustrie bereits die Frage: Was kommt nach LED und OLED  Einige Ansätze werden in der Ausstellung angedacht, etwa Möglichkeiten, in der Natur vorkommende Prozesse für die Lichtgewinnung zu nutzen. Das sogenannte Energy harvesting gewinnt zunehmend an Bedeutung. Aus leichten Schwingungen und Vibrationen, Temperaturschwankungen und Luftbewegungen soll Energie gewonnen werden.

In Strassenbaukonzepten beispielsweise prüfen Fachleute die Möglichkeit, Piezoelemente unter Gehwegen und Strassen zu verbauen, um die von Fussgängern und Autos erzeugte Vibration zur Stromerzeugung zu nutzen. 2010 wurden in Israel erstmals an einer Zugstrecke Piezogeneratoren unter den Schienen angebracht, um aus den Verformungen durch vorbeifahrende Züge entstehende Energie rückzuführen.1 

Die Stadt aufwerten

Das Projekt «Broken Light» befasst sich mit dem öffentlichen Raum: Die Installation des Lichtdesigners Rudolf Teunissen zeigt, wie ein Stadteil mit Licht aufgewertet werden kann. Eine Strassenbeleuchtung in Atjehstraat im niederländischen Rotterdam wurde mit extra dafür entwickelten Leuchteinheiten ausgestattet, die das Licht mit Hilfe von Reflektoren auf die Fassaden streuen – die Fenster werden ausgespart, die Architektur hervorgehoben. Das vertikal gestreute Licht belegt Strassen und Gehsteige mit einem Muster aus Licht und Schatten, das an den Schattenwurf eines Baumes erinnert. 

Nach dem Besuch der Ausstellung empfiehlt sich zur weiteren Vertiefung der dreibändige Ausstellungskatalog.

Anmerkung

  1. Jolanthe Kugler: «Licht für das 21. Jahrhundert» in: Lightopia, Weil am Rhein 2013, S. 50–51

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