Was kann eine freie Schule für Architektur?
Am Abschlusssymposium des ersten Semesters diskutierten Studenten der «Free School of Architecture» Los Angeles mit dem Architekten und Gründer Peter Zellner über Chancen und verpasste Möglichkeiten.
Gegründet wurde die weltweit erste Schule ohne Studiengebühren von dem amerikanischen Architekten Peter Zellner 2016 in Los Angeles. Seit Juni haben die ersten 36 internationalen Studenten ihr sechswöchiges Semester absolviert. Was eine freie Schule für Architektur sein kann und was der Direktor mit seinem 17-köpfigen Board aus dem Gebiet der Lehre, Aktivismus, Journalismus, Kunst und Architektur vorhat, war Teil des Abschlusssymposiums. Im Vordergrund standen dabei teils heftige Diskussionen der Studenten, die bereits alle mindestens eine Bachelorausbildung in Architektur haben. Streitpunkt war, was eine Freie Schule für Architektur sein könne und was bei der traditionellen Architekturausbildung vermisst werde.
Von einem Piratenschiff, das man für eine gewisse Zeit besteige, oder einem Künstlerstipendiaten-Aufenthalt war die Rede, aber wenig davon, was denn nun eigentlich das neue Curriculum für das nächste Jahr ist. Dabei hatte Peter Zellner im Vorfeld deutlich seinen Frust gegenüber der herkömmlichen Lehre formuliert und deswegen die Schule überhaupt gegründet. Seiner Ansicht nach wird viel zu wenig experimentiert und diskutiert; bei den Entwurfsklassen liege das Schwergewicht auf dem Endprodukt und der Schlusskritik, und hier herrsche das klassische Meister-Schüler-Verhältnis vor. Zudem werde rein marktorientiert ausgebildet, dies auch mithilfe der handelsüblichen Softwareprogramme, was wiederum die Kreativität einschränke.
Zellners Kritik an der Ausbildung ist nicht weit hergeholt: In den USA sind die Architekturschulen so teuer, dass die Studenten nach ihrer Ausbildung meist in die Bauindustrie abwandern – die hohen Schulden an Studiengebühren erlauben es ihnen nicht, ein eigenes Büro zu eröffnen.
Das Ziel der Schule, auch die Randthemen der Architektur auszuloten, erinnert an die 1968er-Generation, die seinerzeit versuchte, durch Seminarstrukturen aus der verschulten Universitätsausbildung auszubrechen. Im Semester haben denn auch zehn Lehrer auf fünf Gebieten (Geschichte und Theorie der Architektur, Praxis, Philosophie und Allgemeine Studien) die Diskussionsplattformen geliefert – von den Studierenden wurde bewusst kein Endprodukt erwartet. Entsprechend überfordert wirkten sie bei der Abschlussdiskussion, als sie nach ihren Werten in der Architektur und der Einmischung in aktuelle Probleme gefragt wurden.
Eine Analyse, was denn genau die Studienrichtung und die positiven Ziele der «neuen» Ausbildung seien, steht also noch aus. Das Hauptanliegen aber, die Studenten zum Denken anzuregen und dies dann in der praktischen Arbeit zu überprüfen und zu praktizieren, scheint gelungen zu sein: etwa beim Ausloten einen Grundstücks mit einem Immobilienmakler, bei der Erteilung einer Baugenehmigung und Dingen, mit denen man als Architekt immer wieder konfrontiert wird. Zellner will damit die Lücke zwischen Theorie und Praxis schliessen und mit interdisziplinärem Wissen anreichern und so ein Post-Studio- und Post-Digital-Umfeld schaffen.
Es geht aber auch darum, die Lehre zu verändern und den Studenten mehr Mitspracherecht zu geben. Dieses 1968er-Modell oder auch «Learning-centered teaching» (LTC) wurde in den USA vor allem an Kunstschulen wie am Cal-Arts in Los Angeles praktiziert. Das Experimentieren und Hinterfragen des Systems führt letztlich auch zu Überlegungen, wie man die Akkreditierung zum Architekten mit neuen Studienmodellen verändern und beeinflussen kann. Dass dies auch eine stetige Reorganisation der freien Schule für Architektur bedeutet, ist dem Gründer klar, und er vertraut auf seine diskussionsbasierten Netzwerke, die die Schule auch zu einer Non-Profit-Organisation 2018 führen sollen.
Mehr Info: www.freeschoolofarchitecture.org