Wenn Architektinnen Möbel bauen
Editorial TEC21 30/2023
Architektur, Innenarchitektur, Produktdesign, Kunsthandwerk, Bildende Kunst – die Grenzen der gestalterischen Disziplinen können durchlässig sein, die besten Ergebnisse erzielt man oft, wenn man über den eigenen Tellerrand schaut. Eine Gestalterin, die diese Form des Entwerfens nicht nur praktizierte, sondern als eigentliches Ziel ihres Tuns propagierte, ist die ausgebildete Innenarchitektin Eleonore Peduzzi Riva. 1936 in Basel geboren, zog sie Ende der 1950er-Jahre nach Mailand – mitten hinein in eine lebendige Designszene, in der die Tätigkeitsbereiche verschwammen: Man (und in gewissem Mass auch frau) war nicht entweder Architektin oder Designer oder Künstlerin, sondern, je nach Aufgabe, alles zusammen. Entstanden sind dabei Ikonen wie der berühmte «Tatzelwurm» von de Sede, den Eleonore Peduzzi Riva zusammen mit drei Kollegen designte. Kollektiv statt Kopf, Projektarbeit statt Hierarchien: Dieses Vorgehen erscheint erstaunlich zeitgemäss. So verwundert es nicht, dass Eleonore Peduzzi Riva dieses Jahr mit dem Grand Prix Design ausgezeichnet wurde.
Dass die Zusammenarbeit über die Disziplingrenzen hinweg äusserst fruchtbar sein kann, zeigen aktuell auch die vielen Möbelentwürfe von Architekturschaffenden. Die Vermutung: Inmitten administrativer und regulatorischer Zwänge beim klassischen Bau scheint die Auseinandersetzung mit dem greifbaren Objekt nicht nur eine lustvolle Abwechslung im Architektinnenalltag zu sein, sondern mehr noch: eine Rückbesinnung auf die sinnlichen Grundlagen des Bauens an sich.