Wer fördert die Siedlungsqualität?
VLP-Seminar «Innere Entwicklung als Chance: Siedlungsqualität in der Ortsplanung»
Die Siedlungsqualität wird durch viele Faktoren beeinflusst, die sich teilweise gegenseitig widersprechen. Einen messbaren Zustand zu bestimmen, gelingt kaum. Die Ortsplanung wäre aber dazu da, die wichtigen Steuerungsprozesse ins Bewusstsein der Kommunalbehörden zu rücken.
Wie sieht ein Siedlungsraum mit hoher Qualität aus? Sind ruhige und offene Begegnungszonen gemeint? Gehört ein Dorfkern ebenfalls dazu, wenn er vor allem dem Autoverkehr dient? Wären eher dicht bebaute, gemischt genutzte Quartiere bevorzugt? Oder können auch periphere Einfamilienhausquartiere qualitativ hochwertig sein?
Im Vollzug der Raumplanung ist Verdichtung das Zauberwort. Die Innenentwicklung ist daher als Chance zur Qualitätsverbesserung zu nutzen. Eine kurze Umfrage unter den Teilnehmern am Seminar «Siedlungsqualität in der Ortsplanung» der Vereinigung für Landesplanung (VLP) ergab allerdings divergierende Urteile, wie hohe Siedlungsqualität auszusehen hat. Vier Aspekte haben die anwesenden Gemeinde-, Orts- und Städteplaner jedoch wiederholt positiv hervorgehoben: Räume mit hoher Aufenthaltsqualität, gestaltete Freiräume, wenig Lärm oder andere Immissionen sowie durchlässige Nutzungsbereiche.
VLP-Referentin Heidi Haag ergänzte die Liste mit Qualitätskriterien wie Baukultur, Begegnungsorte oder attraktive Fuss- und Veloverbindungen. Tatsächlich ist ein abschliessender Bewertungskatalog nur schwierig zu erstellen. Die wesentlichen Planungsgrundsätze, wie sich Siedlungen nachhaltig nach innen entwickeln können, sind allerdings im Raumplanungsgesetz formuliert.
Prozesse wichtiger als Qualitätsurteil
«Siedlungsqualität ist ein abstrakter Begriff», wurde am VLP-Seminar mehrfach betont. Auch die Forschung weiss sich derzeit nur mit dem Sammelbegriff «Raumgeborgenheit» zu behelfen, um räumliche Qualitäten wie Vielfalt, Vertrautheit und Identität zu umschreiben. Allerdings haben mehrere kantonale Planungsämter anschauliche Leitfäden verfasst, in denen nicht die Qualität an sich, sondern die Steuerungsprozesse thematisiert werden. Auch für VLP-Direktor Lukas Bühlmann ist die Erkenntnis zentral, dass vor allem die richtigen Prozesse in der Ortsplanung in Gang zu setzen sind.
Zwar wird vielerorts darunter ein mehr oder weniger periodisches Nachführen des Zonenplans und dazugehöriger Reglemente verstanden. Qualität in der Siedlungsentwicklung sei jedoch das Resultat von strategischer Planung und aktiver Gestaltung; ein passives Verwalten hingegen verpasst diese Chancen. «Die Raumplanung bietet heute schon ein breites Spektrum an Instrumenten und Massnahmen», so Bühlmann.
Unter anderem kann die öffentliche Hand ein kommunales Leitbild respektive eine Richtplanung initiieren. Ideenwettbewerbe und Testplanungen stellen die Umsetzung der übergeordneten Ziele auf Massstabsgrössen wie «Areal» oder «Bauparzelle» sicher. Gemeinden und Städte zeigen aber auch, wie eigene Grundstücke oder ein Landabtausch helfen, sich räumlich in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Erträge aus dem Mehrwertausgleich lassen sich ebenfalls gezielt für Qualitätsmassnahmen einsetzen.
Und wo die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, können Sachleistungen oder finanzielle Beteiligungen an öffentlicher Infrastruktur über die Sondernutzungsplanung eingefordert werden. Diesbezüglich zeigt die Stadt Zürich in den Verhandlungen mit privaten Investoren bisweilen besonderes Geschick. Nach Ansicht von Lukas Bühlmann müssen die Behörden aber generell lernen, die hochkomplexe Planungsaufgabe «Innenentwicklung» zwischen Raumanspruch, Eigentumsgarantie und demokratischer Legitimation anzupacken.
Konzepte mit Bildern
Obwohl konkrete Bilder kontrovers und missverständlich wahrgenommen werden, sind sie aus der Diskussion über qualitätsvolle Siedlungsentwicklung nicht mehr wegzudenken. So hat die Stadt Aarau ein anschaulich illustriertes Raumkonzept präsentiert, um sich mit Eigentümern und der Bevölkerung auszutauschen. Martin Eggenberger, Referent am VLP-Seminar und Raumplaner im Planteam S, weist auf den Vorteil der Bildsprache hin: Erst damit zeige sich konkret, dass Qualität und Dichte im Siedlungsraum gleichermassen erhöht werden kann. Dazu brauche es aber eine Differenzierung der bestehenden Raum- und Quartierstrukturen: erhaltenswerte Zentren, Quartiere mit Verdichtungspotenzial sowie Transformationsareale.
Vor allem die Weiterentwicklung im Bestand setze eine genaue Analyse vor Ort voraus. Denn Strassenlinien, Freiräume und Grünflächen, die das heutige Siedlungsraster bilden, sind auch als Rückgrat für die Verdichtung zu nutzen. Allerdings waren sich die Fachleute am VLP-Seminar nicht einig, ob eine dichtere Besiedlung ohne Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur funktioniert. Zudem wurde mehrfach beklagt, Behörden kleinerer Gemeinden seien wenig motiviert, die Siedlungsentwicklung in die eigenen Hände zu nehmen oder dafür ein Konzept zu erstellen. Zu hoffen ist daher, dass die Qualitätsdiskussion am VLP-Seminar die anwesenden Ortsplaner angeregt hat, diese wertvolle Anstösse an die Behörde weiterzugeben.
Mehr zum Thema: Siedlungen hochwertig verdichten; Raum & Umwelt, September 3/2015, Vereinigung für Landesplanung VLP-ASPAN