Schönheit folgt Sorgfalt
Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Das verändert den Nutzungsmix: Städte und Gemeinden müssen künftig mehr altersgerechten Wohnraum schaffen. Ein Wettbewerbsergebnis in der Stadt Rheinfelden zeigt, wie sich betreuter Alterswohnraum, kluge Innenverdichtung und Weiterbauen im Bestand verbinden lassen.
Gemächlich plätschert der Rhein 14 km vor Basel an der Rheinfelder Altstadt vorbei. Dicht aneinandergereihte Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert bilden die pittoreske Silhouette der Stadt. Ein grünes Inseli und die «Alte Rheinbrücke» komplettieren die Idylle. Aber im aargauischen Rheinfelden, dem regionalen Zentrum des Fricktals mit über 13 700 Einwohnenden, ist nicht nur das Wasser in Bewegung. Just ausserhalb der Altstadt werden einige Transformationsareale bald das Gesicht der Stadt prägen.
Stadtentwicklung in Rheinfelden
In einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung Ende März 2024 hat die Bevölkerung den ersten wichtigen Geschäften zur «Neuen Mitte» zugestimmt. Es ist geplant, den südlich der Altstadt gelegenen Bahnhof als regionalen Knotenpunkt des öffentlichen Verkehrs zu etablieren. Parallel dazu wird das gesamte Bahnhofsareal in einen attraktiven Ankunftsort mit Vorrang für den Langsamverkehr umgewandelt, zudem entstehen 220 neue Wohnungen.
Der Perimeter des Wettbewerbs «Alterswohnen Kloos» liegt ganz in der Nähe dieses Entwicklungsareals. Das dreieckige Grundstück mit einer Kapelle und zwei weiteren kleinen Gebäuden wirkt zwischen der stark befahrenen Kantonsstrasse und der umliegenden fünfgeschossigen Bebauung wie aus der Zeit gefallen.
Analog zur gesamtschweizerischen Entwicklung wird auch die Bevölkerung in Rheinfelden immer älter. Bis 2040 wird sich die Anzahl der Personen ab 65 Jahren im Vergleich zu 2015 auf 6400 verdoppeln. Das bedeutet, dass sich das Angebot an «Alterswohnungen mit Betreuung» von heute 42 auf mindestens 84 erhöhen muss. Für ein neues Alterszentrum besteht also eine hohe Notwendigkeit; gleichzeitig ist es der Stadt wichtig, am Auftakt zur Rheinfelder Altstadt einen Ort von hoher städtebaulicher Qualität zu schaffen, der einen angemessenen Umgang mit dem Bestand findet und einen attraktiven öffentlichen Raum für die Bevölkerung bietet.
Rückzugsort versus öffentlicher Park
Im Rahmen eines anonymen einstufigen Verfahrens wurden acht Teams gebeten, Projekte für die Sanierung, Aufstockung und Erweiterung der Liegenschaft Kloos vorzuschlagen und dabei 25 Alterswohnungen zu schaffen. Die eingegebenen Beiträge lassen sich im Wesentlichen in zwei Kategorien unterteilen. Die einen bilden einen intimen Innenhof aus Bestands- und Neubauten, der das Ensemble zwar von Lärm und Abgasen der südlichen Kantonsstrasse abschirmt, aber räumlich auch von der verkehrsberuhigten Begegnungszone auf der anderen Seite trennt. Die zweite Gruppe schirmt den Hof mit der Bebauung ebenfalls gegenüber der Kantonsstrasse ab, öffnet ihn jedoch in Richtung Begegnungszone.
Inspiration aus der Geschichte
Das Siegerprojekt «Jean-Michel» des jungen Büros Solanellas Van Noten Meister Architekten (svnm) gehört zur zweiten Gruppe. Im Jurybericht heisst es dazu: «Die Verfassenden erarbeiten ihren Vorschlag über eine überraschende volumetrische Analyse des Bestands und insbesondere dessen baugeschichtlicher Bedeutung für den Ort. Aus dieser Betrachtung heraus entwickeln sie die Kultur des Weiterbauens und Ineinandergreifens überzeugend weiter und führen sie zu einem grossen, aber subtil in die Umgebung integrierten Baukörper.»
Das Team baute die historische Entwicklung der sich ausdehnenden Volumen mittels Tonmodellen nach und leitete daraus eine Strategie für den Neubau in Holz ab, mit dem sie die Gebäudekette schlüssig erweiterten. Die ein- bis zweigeschossigen Kubaturen der parallel zur Strasse liegenden Kapelle, des Zwischen- und Kernbaus bleiben dabei erhalten; ihr ursprünglicher Charakter wird innen und aussen gestärkt, während sich der fünfgeschossige Neubau ums Eck angliedert und einen Kontrapunkt zu den gegenüberliegenden Wohnbauten setzt.
Gemeinsam rahmen sie den Wohnhof mit Park halbseitig ein. Dieser bietet Erholungsräume für Bewohnende und einladende öffentliche Bereiche für die Flanierenden der Begegnungszone. Visuell werden die drei äusserst unterschiedlichen Gebäude durch Material und Farbe der Fassaden zusammengehalten. Der Neubau übernimmt strassenseitig den weinroten, rauen Putz der Altbauten; die hofseitige Fassade besteht aus Holz. Bestand und Neubau sind über einen Laubengang im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss miteinander verbunden. An der Kreuzung von Habich-Dietschy-Strasse und Begegnungszone winkelt sich ein Teil des Gebäudes noch einmal ab und passt sich der Strassenflucht an. So wird der Sichtbezug zur Rheinfelder Altstadt hergestellt.
Abschliessend heisst es im Jurybericht: «Im Verlaufe des Prozesses zeigte sich, dass sensibles Weiterbauen wie auch ein sorgfältig austarierter Freiraum wesentlich zur Auswahl beitragen.» Es scheint, als wurden hier die passenden, ortsspezifischen Prinzipien verfolgt, die ein spannendes Ergebnis hervorbrachten. Ebenfalls relevant für die Qualität des Verfahrens war, dass das Grundstück der Stadt Rheinfelden gehört und diese hier eigene Massstäbe setzen konnte. Ein schönes Stadtbild ist eben kein Zufall, sondern die Folge sorgfältiger Entwicklungsarbeit – auf architektonischer und städtebaulicher Ebene.
Alterswohnen Kloos, Rheinfelden
Projektwettbewerb für Generalplaner im selektiven Verfahren
Rangierte Projekte
1. Rang «Jean-Michel»
Solanellas Van Noten Meister Architekten, Zürich; BÖE Studio, Zürich; Stettler Architektur und Baumenagement, Zürich; KSL Ingenieure, Baden-Dättwil; 3-Plan Haustechnik, Winterthur; Rombo, Zürich; Timbatec Holzbauingenieure Schweiz, Zürich; Raumanzug, Zürich; ProteQ, Schaffhausen
2. Rang «Dancing Queen»
Aita Flury Architekten, Zürich; Johannes von Pechmann Stadtlandschaft, Zürich; Bernstein Batir, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich; Waldhauser und Hermann, Münchenstein; Schmutz + Partner, Basel; stadt raum verkehr, Zürich; Steigmeier Akustik und Bauphysik, Baden; Quantum Brandschutz, Basel
3. Rang «Das alles kommt mit»
kollektive architekt, Basel; Norma Tollmann Architektin, Basel; EDER Landschaftsarchitektur, Zürich; Applied Accoustics, Gelterkinden; HTP Gutzwiler, Niederdorf; we consulting, Basel; holzprojekt AG, Basel
4. Rang «Konglomerat»
Vécsey Schmidt Architektinnen, Basel; August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen; Anderegg & Partner, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich; BAKUS Bauphysik & Akustik, Basel; Waldhauser und Hermann, Münchenstein; Schmutz + Partner, Basel
Fachjury
Lorenz I. Zumstein, dipl. Architekt HTL/SIA, MAS ETH Raumplanung, Stadtbaumeister, Rheinfelden; Marco Zünd, dipl. Architekt HTL/ BSA, Buol & Zünd Architekten, Basel; Barbara Burren, dipl. Architektin ETH SIA BSA, Mitglied Beirat Stadtgestaltung Rheinfelden, GFA Gruppe für Architektur GmbH, Zürich; Maria Conen, dipl. Architektin MAS gta ETH, BSA, Conen Sigl Architekt:innen GmbH ETH BSA SIA, Zürich; Marie-Noëlle Adolph, Dipl. Ing. Landschaftsarchitektur FH SIA BSLA, manoa Landschaftsarchitekten GmbH; Ivo Moeschlin, dipl. Architekt ETH SIA, arc Consulting (Moderation und Ersatz)
Sachjury
Franco Mazzi, Stadtammann Rheinfelden, Ressort Finanzen; Claudia Rohrer, Stadträtin Rheinfelden, Ressort Planung und Bau; Beat Bannwart, Leiter Liegenschaften Stadtverwaltung Rheinfelden; Françoise Vannotti, dipl. Architektin ETH, Leiterin Immobilien, Tertianum Management AG; Armin Hauser, Projektleiter Immobilien, Tertianum Management AG (Ersatz für Francoise Vanotti)
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