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Stützmauern untersuchen

Destruktive Untersuchungen zeigen auf, was ein Augenschein nicht verrät: eine häufig auftretende Korrosion der Hauptbewehrung, die auf den porösen Beton und zu wenig Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen ist.

Publikationsdatum
29-09-2016
Revision
29-09-2016

Es ist äusserst schwierig, den Zustand von Winkelstützmauern zu beurteilen. Eine visuelle Inspektion dieser Stützmauern aus Stahlbeton mit Fundamentfuss gibt – im Sinn der Astra-Richtlinie 12002 «Überwachung und Unterhalt der Kunstbauten der Nationalstrassen»  – nicht genügend Auskunft über den tatsächlichen Zustand des Bauwerks. Aus diesem Grund unternahm das Astra zwischen 2007 und 2012 detaillierte Untersuchungen an rund 50 Stützmauern der Nationalstrassen A5, A9 und A16 anhand von destruktiven Untersuchungen. Diese Untersuchungen bestätigten die Gefahr eines plötzlichen Versagens von Winkelstützmauern infolge von Querschnittsverlusten durch Korrosion an der tragenden Bewehrung.

Die Querschnittsverluste traten inbesondere im Bereich der Arbeitsfugen zwischen Wand und Fundament auf, obwohl an der Wand auch hangseitig keinerlei Anzeichen von Korrosion – etwa Rostspuren oder Betonabplatzungen – festzustellen waren. Erst das Freilegen der Bewehrung durch Spitzen oder Höchstdruckwasserabtrag brachte die Querschnittverluste zutage. Die Laboruntersuchungen zeigten zudem, dass die Korrosion auch ohne Chloride ­auftreten kann. Infolgedessen besteht bei allen Winkelstützmauern mit schlechtem Überdeckungsbeton am Fuss die Gefahr einer punktuellen Korrosion der tragenden Bewehrung auf Höhe der Arbeitsfugen zwischen Wand und Fundament, was die Tragsicherheit erheblich beeinträchtigen kann.

Kleine Deformationen, sofortiges Versagen

Alle bei den destruktiven Untersuchungen entdeckten Schäden befanden sich in Bereichen, in denen der Überdeckungsbeton Kiesnester oder stark erhöhte Porosität aufwies, teilweise in Kombination mit einer ungenügenden Stärke bei der Arbeitsfuge zwischen Wand und Fundament. Diese Stelle ist bei Winkelstützmauern kritisch, weil hier Schwierigkeiten bei der Ausführung – wie die Entmischung des Betons, ungenügende Vibration oder das Austreten von Zementmilch aus der Schalung –, erhöhte statische Anforderungen auf­ein­andertreffen und gerade hier das Bauwerk am stärksten beansprucht wird. Zudem verhindern die vertikalen Dilatationsfugen und das statisch bestimmte System, dass bei mangelnder Tragfähigkeit die Kräfte umgelagert werden und dadurch grössere Verschiebungen auftreten, die das abnormale Verhalten der Stützmauer von aussen erkennen lassen. Nach heutigem Erkenntnisstand verhalten sich Mauern mit Rippen analog zu Mauern ohne Rippen. 

Im Allgemeinen ist die Karbonatisierungstiefe in diesem kritischen Bereich gering, und es wurden weder im Beton noch im Boden korrosionsfördernde Substanzen gefunden. Die Korrosion ist also ausschliesslich auf den porösen Beton und allenfalls auf eine zu geringe Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen, wodurch der Alkalischutz für die Bewehrung nicht gewährleistet wird und es zu einer elektrochemischen Korrosion durch Makroelementbildung kommt. Auch am Fundament wurden bei einigen Werken Schäden als Folge unzureichender Überdeckung festgestellt.

Neun zwischen 2007 und 2012 ausgeführte Sondierkampagnen an der A5, A9, A16 und H10-NE wurden statistisch ausgewertet. An 259 Feldern von 56 Stützmauern konnten insgesamt 1281 Bewehrungseisen überprüft werden. Dabei waren 24 % der untersuchten Bewehrungseisen von Korrosion mit ­Querschnittsverlusten betroffen. Während der durchschnittliche Querschnittsverlust der gesamten überprüften Bewehrungen bei 9 % lag, betrug er bei den korrodierten Bewehrungen 37 %.

Da die maximale horizontale Verschiebung im Wandkopf bis zum Bruchzustand gering ist (in der Grös­senordnung 0.1 bis 0.2 % der Wandhöhe), gäbe eine periodische geometrische Überprüfung der Kopfverschiebung vermutlich keine zuverlässigen Hinweise auf den kritischen Zustand der Stützmauer. Selbst wenn gar keine Verschiebung festgestellt wird, kann eine Winkelstützmauer so grosse Querschnittverluste aufweisen, dass aussergewöhnliche Einwirkungen (z. B. erhöhter Wasserdruck infolge Drainageausfall) zu einem sofortigen Versagen des Bauwerks führen.

Destruktive Untersuchungen erforderlich

Anstelle der erwähnten punktuellen und destruktiven Untersuchungsmethoden sollte in weiteren Studien eine zerstörungsfreie oder zerstörungsarme Alternative entwickelt werden, die auch schnell, standardisiert und kostengünstig durchführbar wäre. Eine umfassende Analyse der auf dem Markt verfügbaren Unter­suchungsmethoden im Massstab 1 : 1 ergab allerdings, dass zerstörungsärmere Methoden für die Beurteilung des Bauwerkszustands nicht aussagekräftig genug sind.

Punktuelle Potenzialmessungen kombiniert mit gal­vanostatischen Pulsmessungen stellen die zurzeit ­vielversprechendsten Methoden für die Ortung von Korrosionsschäden und die Bestimmung der Querschnittsverluste der Bewehrung dar. Doch auch dar diese vermochten bei den drei Stützmauern der A9, an denen sie 2013 getestet wurden, keine zuverlässigen Ergebnisse zu liefern. Deshalb muss der Bauwerkszustand  momentan noch weiterhin mit punktuellen und destruktiven Untersuchungsmethoden ermittelt werden, die den geltenden Richtlinien entsprechen.

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