Wär­mes­chutz im Som­mer: Fens­ter im Fo­kus

Der Klimawandel stellt eine Zusatzaufgabe an Gebäudeplaner: Wie gelingt es, mit kühlem Kopf und geringem Energiekonsum über den Sommer zu kommen? Die Antworten aus Praxis und Forschung lauten ähnlich: Die Architektur ist ein entscheidender Faktor.

Date de publication
04-10-2019

Wieder einmal ist der ideale Nutzer gesucht. Einer, der weiss, wie ein Gebäude funktioniert. Und einer, der sich jederzeit so verhält, dass der Betrieb nach Plan funktioniert. Und so, dass das bereitgestellte Haus und die mitgelieferte Technik die Erwartungen an die Performance bei Energieeffizienz und Komfort erfüllen.

Bislang standen kalte Wintertage und das Bedenken im Fokus, ein unbedacht agierender Nutzer lasse die Fenster offen stehen und vergeude wertvolle Heizwärme. Nun weitet sich die Fürsorge auf die Behaglichkeit im Sommer und den Schutz vor Überhitzung aus. Was hat der ideale Nutzer nun dafür zu leisten? Wann darf er ein Fenster öffnen? Wie ist der Sonnenschutz einzustellen? Oder wie genau geht die Nachtauskühlung?

«Wer fühlt sich für das System zuständig?»

Das Zürcher Architekturbüro BGP startete kurz nach der Sommerhitze von 2018 eine spontane Umfrage bei Betreibern öffentlicher Alters- und Pflegezentren. Man wollte wissen, wie gut sich der Betriebsdienst im sommerlichen Wärmeschutz auskennt und ob das archi­tektonisch Geplante auch im Alltag funktioniert. Drei von vier Antworten waren positiv. Man halte gewisse Schutzregeln ein: Fenster nur über Nacht oder früh­morgens öffnen, tagsüber Storen runter. Das reiche an heissen Tagen; das Innenklima bleibe angenehm.

Eine Rückmeldung liess jedoch aufhorchen: Das Alterszentrum Dielsdorf, das 2017 erweitert worden war, war im Sommer danach teilweise überhitzt. In mehreren Zimmern stieg die Temperatur über 31 °C. Die nachträgliche Analyse ergab weitere Fragezeichen; selbst Räume an der Schattenseite waren ungewöhnlich warm. Erst auf Umwegen erkannte man, warum: Der Betriebsdienst hatte die Lüftungsanlage aufgrund von Zugluft manipuliert und einen Bypass an der Wärme­rück­gewinnung vorbei ausgeschaltet. Der Effekt dieser Intervention war: Die Frischluft durchströmte den Wärmetauscher auch im Sommer und heizte sich kurz vor dem Eintritt in die Zimmer auf 24 °C auf.

Die Fehlleitung ist behoben; nun strömt die Luft wieder korrekt durch das Haus. Doch das Fallbeispiel lehrt, dass der ideale Alltagsbetrieb im Gebäude von vielen Details abhängig ist. «Fehler entstehen oft dort, wo sich niemand für das ganze System zuständig fühlt», sagt BGP-Partner Sebastian El Khouli. Das wird aber schon in der Planungs- und Realisierungsphase bestimmt. «Alle Fachbereiche müssen sich darum bemühen, die Schnittstellen untereinander zu verknüpfen», so der Architekt. Das gelingt nicht überall: Immer häufiger werden Gebäudetechnikplaner für die nachträgliche Klimaoptimierung bei Neubauten aufgeboten.

Der heisse Sommer 2018 hat auch das Gesundheitsdepartement der Stadt Zürich auf Komfortmängel aufmerksam gemacht. In den 27 Alters- und Pflege­zentren übertraf der Raumkomfort die Behaglichkeits­toleranz teilweise stark. Im Nachgang musste sogar der Stadtrat erklären, wie das Wohlergehen der Zentrumsbewohnerinnen und -bewohner sicherzustellen ist.

Die Exekutive nahm zuerst den Betriebsdienst in die Pflicht, die Gebäude durch nächtliches Lüften und das Schlies­sen von Jalousien kühl zu halten. Zudem wies sie die Verwaltung an, einen Sofortplan mit weiteren technischen und betrieblichen Massnahmen aufzustellen.Ein Einbau von Klimaanlagen soll zumindest in gemeinschaftlich genutzten Räumen gestattet sein.

Die Pflegebranche ist hellhörig geworden, weil Senioren unter der Überhitzung besonders stark leiden – ob in den eigenen vier Wänden oder in einer öffentlichen Einrichtung. Um vor allem aber die Alterszentren gegen eine Überhitzung zu schützen, sind aktive Kühlvarianten fast schon ein Muss.

Bei Neubauten, die Erdwärme oder Grundwasser zum Heizen nutzen, lässt sich diese Zu­satz­anforderung am einfachsten mit einem Geocooling-­System erfüllen. Dies geschieht zum Beispiel in der «Trotte», dem neuesten Alterszentrum der Stadt Zürich (Enzmann Fischer Architekten). Letzten Juni, wenige Wochen vor den heis­sen Tagen, ging es in Betrieb.

Als die Immobilien­verwaltung den Sommer 2019 im 90-Zimmer-Komplex ­rekapitulierte, stiess sie auf ein knapp befriedigendes Messresultat. Die Raumtemperatur im Speisesaal stieg zwar nie über 27 °C, die Behaglichkeitsschwelle für ­Neubauten liegt jedoch ein halbes Grad tiefer; sie darf höchstens 100 Stunden pro Jahr übertroffen werden. Der Hitze­schutzplan wird im Alterszentrum Trotte noch optimalere Betriebseinstellungen finden müssen.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 40/2019 «Sommerhitze: Was brauchts am Bau?

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