Ein Vier­tel­jah­rhun­dert Altes neu ge­dacht

Auf bereits 25 Jahre Aktivität kann die SIA-Fachgruppe für die Erhaltung von Bauwerken (FEB) zurückblicken – kein Grund, sich auf Erreichtem auszuruhen. So verlieh sie auch 2019 ihren FEB-Preis und dazu noch eine Spezialauszeichnung für das Institut Konstruktives Entwerfen der ZHAW.

Date de publication
10-01-2020

Architektur war 2019 beim FEB-Preis eindeutig in der Mehrheit: Von 35 eingereichten Arbeiten aus Bachelor- und Masterstudiengängen stammten 32 von angehenden Architekten und nur zwei von Bauingenieuren. Eine Arbeit wurde im Bereich der Gebäudetechnik eingereicht.

Und unter den Architekturbeiträgen dominierte eine ungewöhnliche Aufgabe: Ready­­made – Bauen mit Fundstücken, die Aufstockung des Kopfbaus der Halle 118 im Winterthurer Sulzerareal. Eine denkmalgeschützte Halle wird mit gebrauchten Bauelementen aus diversen Rückbauobjekten aufgestockt. Das Projekt wird derzeit schon umgesetzt, gleichzeitig aber vom Institut Konstruktives Entwerfen der ZHAW als aktuelle Studienaufgabe den Lernenden unterbreitet.

Diese Leistung des Instituts, Entwerfen und Konstruktion sowie Praxis und aktuelle Forschung zu verzahnen, war der FEB-Jury eine Spezialauszeichnung wert, über die sich das Team der Lehrenden um Marc Loeliger und Andreas Sonder­egger freuen können. Von den acht eingereichten Beiträgen zu Readymade schafften es dazu noch zwei, gekürt zu werden.

Readymade – Bauen mit Fundstücken

Martin Deuber (ZHAW, Auszeichnung) entwarf einen neuen Treppenturm mit auskragender, pilzförmiger Dachstruktur aus Ortbeton, der die bestehende Halle durchdringt. Die neu geschaffenen Stockwerke – vorwiegend aus wiederverwendeten Materialien – hängen an diesem, was eine klare Trennung von bestehendem und neu gebautem Tragkonzept mit sich bringt.

Anders ging Silvan Kamber (ZHAW, Anerkennung) an dieselbe Aufgabe heran. Die neuen Stockwerke tragen über Stahlstützen ihre Lasten bis auf die Ebene des Hallendachs ab. Dort werden die Kräfte auf eine jochförmige Konstruktion mit V–Stützen abgeleitet, die die bestehende Halle am Rand durchstanzt

Sitterbrücke in Appenzell

Lukas Berner (HSR, Anerkennung) schlägt für die Instandsetzung der Sitterbrücke in Appenzell keine gebrauchten Teile vor. Im Gegenteil – zur Gewichtsreduzierung entfernt er sogar für den Verkehr unnötige seitliche Kragplatten und verstärkt den Brückenquerschnitt mit einer neuen Aufbetonschicht.

Campuserweiterung, Bergières

Einem ganzen Komplex von Schulgebäuden sah sich Matthieu Hoffmeyer gegenüber (EPFL, Auszeichnung). Die Bauten auf dem Campus von Bergières wurden Anfang der 1970er-Jahre im System CROCS errichtet – eine standardisierte Kon­struktion mit modularem Raster, einem Tragwerk aus Stahl ohne ­tragende Wände und mit Metall-­Glas-Fassaden. Um den Erhalt der Gebäude zu sichern, untersuchte Matthieu Hoffmeyer en­ergetische Instandsetzungsmass­nahmen bis ins Detail – sowohl bei komplettem Erhalt der Fassaden als auch mit verschiedenen Eingriff­tiefen. Auch eine Verdichtung des Campus mit neuen, auf den Bestand abgestimmten Bauten war Teil der ausserordentlich reifen Arbeit.

Tabakscheunen in Vesin

Früher zum Tabaktrocknen benutzt, existieren zwei Vesiner Scheunen aus den 1960er-Jahren noch als Relikt vergangener Zeiten. Maud Collomb (ZHAW, Auszeichnung) führt sie behutsam einer künftigen Verwendung entgegen. Eine Scheune wird so instand gesetzt, dass sie nur als Kaltraum zur Verfügung seht. Die andere wird mit einem frei eingestellten Einbau versehen, um eine warme Nutzung zu ermöglichen. Auch die Platzgestaltung um die Gebäude mitsamt neuem Fussweg fliesst in die umsichtige Arbeit ein.

Stall in Fürstenau

Ein Stall beim Schloss Schauenstein braucht eine neue Nutzung. Aufgrund der Kleinräumigkeit – Fürstenau bezeichet sich als kleinste Stadt der Welt – gilt es, ein einfühlsames Vorgehen mit der Bausub­stanz an den Tag zu legen. Larissa Giuanna Cavegn (HTW Chur, Auszeichnung) modifiziert den Stall zu einem kleinen Weingut, wählt dabei eine feinfühlige Materialisierung und beschreitet kunstvoll den Grat zwischen Bewahrung des Bestands und nötigen neuen Anforderungen. Im Erdgeschoss werden die Fässer gelagert und der Wein veredelt, das obere Stockwerk, das über einen neuen Anbau zugänglich ist, dient der Verkostung. Viva!

 

 

25 Jahre FEB

 
Autor: Urs Rinklef, Präsident FEB


Seit ihrer Gründung 1994 versteht sich die Fachgruppe für die Erhaltung von Bauwerken (FEB) des SIA als interdisziplinäre Plattform für alle an der Bauwerkserhaltung Beteiligten, v. a. Architekten, Bau- und Fachingenieure. Unter Erhaltung versteht man Massnahmen wie In­standsetzung, Anpassung an neue Anforderungen, Umnutzung, Teil­ersatz oder Ergänzung. Zudem soll vermehrt bereits bei Neubauten die zukünftige Erhaltung eingeplant werden.


Die Tätigkeiten der FEB bezwecken die Förderung und Etablierung der Bauwerks­erhaltung als wichtigen und anspruchsvollen Bestandteil des Bauens. Durch attraktive Angebote wie etwa Tagungen und Exkursionen will die FEB zur Sicherstellung der Aus- und Weiterbildung sowie zu einem praxisbezogenen Erfahrungsaustausch beitragen. Bauliche Projekte selbst und Beratungen werden dabei von der Fachgruppe nicht angeboten. Dies verbleibt Aufgabe der einzelnen Mitglieder – 150 Einzel- und 50 Kollektiv­mitglieder zählt die FEB derzeit. Neue Mitglieder sind jederzeit willkommen.

 

15 Jahre FEB-Preis


Seit 2005 vergibt die FEB jährlich eine Auszeichnung für Diplomarbeiten von schweizerischen Hoch- und Fachhochschulen, die den Umgang mit ­beste­­hen­den Bauten und deren Erhaltung vorbildlich behandeln. Die Studienabgängerinnen und -abgänger sollen stärker für diese in der Praxis wichtige Thematik sensibilisiert werden. Ein Jurybericht erläutert und bewertet die ausgezeichneten Beiträge.

 

Zum Jurybericht

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