Ener­gie spa­ren oder sel­ber er­zeu­gen?

Wie packt man es an, den Betrieb von Häusern klimafreundlich zu organisieren? Die Jury des Schweizer Energiepreises lässt zwei gegensätzliche Varianten zu: Der Watt d'Or 2021 geht ex-aequo an ein höchst effizientes respektive äusserst produktives Gebäudekonzept.

Date de publication
07-01-2021

Im nationalen Energiekalender dauern die Festtage etwas länger. Noch vor Ablauf der ersten Januarwoche werden jeweils kleine Glaskugeln verliehen, auf die sich kreative Unternehmer, Ingenieure oder Architekten freuen. Seit 2006 kürt das Bundesamt für Energie zum Jahresauftakt die Gewinner des Watt d'Or, des renommiertesten Energiepreises der Schweiz.

Die aktuelle Verleihung dürfte noch mehr Freude auslösen. Den Watt d'Or 2021 in der Kategorie «Gebäude und Raum» teilen sich ex-aequo zwei Preisträger. Die ausgezeichneten Baukonsortien sind «Stiftung Umwelt Arena Schweiz / René Schmid Architekten» für einen Neubau und an «Mettiss / Kegel Klimasysteme» für eine Sanierung im Bestand. Das erstgenannte Projektteam erstellte eine kompakte Wohnsiedlung in Männedorf ZH, die auch für die Gewinnung von Wind- und Solarstrom ausgerüstet ist. Das zweite Team baute dagegen ein Bürogebäude in St. Gallen so um, dass der Heizwärmebedarf von 100 kWh/m2 auf unter 10 kWh/ m2 sank. Sowohl die Neubauten am Zürichsee als auch der Umbau in der Klosterstadt sind seit letztem Jahr in Betrieb.

Baumasse als thermischer Speicher

Bemerkenswert am Gewinnerprojekt in der Ostschweiz ist: Der Zweckbau ist fast sechzig Jahre alt, aber hat sich äusserlich wenig verändert. Fassade und Hülle sind nur punktuell energetisch verbessert worden, mit dreifach verglasten Fenstern und einer Innendämmung der darunter liegenden Brüstungen. Im Gegenzug wurde die Rohbaustruktur inwendig so weit entschlackt, dass die massive Oberfläche mehr Energie aufnehmen und als passiver Speicher den internen Wärmehaushalt mitregulieren kann. Eine aktive Rolle für Energiezufuhr und -verteilung spielt derweil das vor Ort entwickelte Klimasystem, das eine Niedertemperaturheizung mit kontinuierlichem Luftwechsel verbindet, ohne auf Bodenheizung, Radiator oder Lüftungskanäle angewiesen zu sein.

Deren Funktionen übernehmen Luftkonvektoren, die sich in einem Hohlkasten an den Fensterbrüstungen befinden. Sie organisieren den Eintrag von warmer oder kühlender Luft und bedienen sich ökologischer Energiequellen, wie der internen Abwärme aus dem Serverraum oder bei Bedarf dem städtischen Fernwärmenetz. Vor dem Umbau wurde das sechsgeschossige Bürohaus mit Öl beheizt.

Eine weitere gebäudetechnische Eigenentwicklung ist der Verbundlüfter, ein in das Türblatt eingebauter Ventilator, der Innenluft gemäss den Hygieneanforderungen nicht wahrnehmbar von Raum zu Raum strömen lässt. Da die Universität St. Gallen das Gebäude für den Unterricht nutzt, sind die stark belegten Räume auch im Frühling oder Herbst mehrheitlich zu kühlen. Die Kältezufuhr erfolgt über ein Freecoolingsystem mit ebenso überdurchschnittlicher Energieeffizienz.

Idee und Ausführung verantwortet Ingenieur Beat Kegel, Inhaber der Zürcher Firma Kegel Klimasysteme; die erstmalige Umsetzung ermöglichte die Eigentümerin der umgebauten Immobilie, die Mettiss AG in St. Gallen. Die «Watt d'Or»-Jury lobt die Low-Tech-Variante dafür, dass sie eine «sehr rasche und kostengünstige Gebäudesanierung» ermögliche und sogar der Passivhaus-Standard «spielend» erreicht werde. Umso mehr hoffen die Auslober, das prämierte System mache Schule bei der Erneuerung weiterer Bürogebäude sowie im Wohnungsbau oder bei Neubauten.

Hoher technischer Aufwand

Auf Breitenwirkung ist auch das zweite Siegerprojekt ausgelegt, das aus zwei Mehrfamilienhäusern mit CO2-neutraler Energieversorgung besteht. Trotz hohem technischem Aufwand, etwa zur lokalen Stromerzeugung, strebt Investor Walter Schmid, Präsident der Stiftung Umwelt Arena Schweiz, damit ein marktfähiges Modell im Mietwohnungsbau an. Im Vergleich zu konventionellen Angeboten können die Mieterinnen und Mieter von Männedorf ihre Energie in Form von Wärme, Kälte oder Strom kostenlos beziehen. Die Mietpreise liegen allerdings in einem teureren Segment.

Die Substanz der Häuser enthält mehrere energetische Innovationen: Auf dem Dach ist eine Windturbine und eine Photovoltaikanlage angebracht. Die Fassade vereint ein Puzzle aus Solarmodulen in unterschiedlichen Farben, sodass fast die Hälfte der Zeit nur selbst produzierter Strom konsumiert wird. Um die übrige Zeit zu überbrücken, braucht es jedoch weitere, im Keller installierte Maschinen, die der Energieerzeugung, -umwandlung und -speicherung dienen, darunter ein Gasanschluss, ein Blockheizkraftwerk, eine Wärmepumpe, ein Batterieturm sowie ein Eisspeicher. Eine automatische Steuerung stellt sicher, dass die Standardversorgung mit Solarstrom und Wärmepumpe jederzeit Priorität erhält.

Preisträger Schmid stellte vor fünf Jahren das erste energieautarke Mehrfamilienhaus der Schweiz (vgl. TEC21 7-8/2017) vor. Das nun ebenfalls von René Schmid Architekten realisierte Folgeprojekt in Männedorf funktioniert ähnlich; verzichtet aber auf die Wasserstoffproduktion vor Ort. Stattdessen wird der klimaschonende Energie-Puffer ausgelagert: Im Grossraum Zürich wird eben eine Wasserstoff-Grossanlage gebaut, die überschüssigen Solarstrom in flüchtigen H2-Brennstoff umwandeln wird.

Ab 2022 können Energie produzierende Hausbesitzer einen Vertrag mit dem Anlagebetreiber abschliessen und danach Wasserstoff aus dem bestehenden Gasnetz beziehen. Für die «Watt-d'Or»-Häuser in Männedorf ist dies ein zwingender Teil der klimaneutralen Energieversorgung. Folgerichtig hebt die nationale Energiejury unter Vorsitz der ehemaligen Aargauer Nationalrätin Pascale Bruderer hervor, dass eine vollständig erneuerbare und CO2-freie Energieversorgung nur funktioniert, «wenn sie auch einen aktiven Beitrag zur Reduktion der Winterstromlücke leistet».

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