«Licht­pla­nung be­deu­tet nicht, nach­trä­glich ein paar Leuch­ten auf­zuhän­gen»

Die Schweizer Licht Gesellschaft SLG wird 100: Während in der Gründungszeit noch Pionierarbeit geleistet wurde, sieht sich die Gesellschaft heute eher mit der steigenden Komplexität und dem hohen Tempo des technischen Fortschritts konfrontiert. Geschäftsführer Philippe Kleiber sprach mit uns über aktuelle Herausforderungen.

Date de publication
30-06-2022


espazium.ch: Die Schweizer Licht Gesellschaft SLG feiert dieses Jahr ihren 100. Geburtstag. Zur Zeit der Gründung war der Leuchtmittelmarkt noch recht überschaubar, die SLG leistete Pionierarbeit. Heute ist das anders. Braucht es die SLG noch?

Philippe Kleiber: Mehr als zuvor. Beleuchtung wird immer komplexer. Die neuen Technologien bringen auch mehr Möglichkeiten. Es ist daher wichtig, dass es eine unabhängige Stelle gibt, die über diese neuen Technologien informieren und eine Vermittlerrolle zwischen Herstellern, Planerinnen und Nutzern einnehmen kann.

Das heisst, die SLG sieht ihre Rolle als Brückenbauerin zwischen Theorie und Praxis, zwischen Technik und Planung. Sind Sie auch in regulatorische Fragen involviert, etwa bei der Erstellung von Normen?

Ja, wir haben mehrere Fachgruppen, die sich mit den Normen beschäftigen und auch Richtlinien zur Anwendung der Normen verfassen. Es ist wichtig, dass sich dafür jemand verantwortlich fühlt. Zudem sind wir als Mitglied in internationalen Fach- und Normengremien der CIE und bei der European Lighting Experts Association ELEA aktiv.


Mit welchen Themen beschäftigt sich die SLG aktuell?

Ein wichtiges Thema für uns ist die Lichtverschmutzung sowie die anstehende Ausphasung eines grossen Teils von Leuchtmitteln. Hierzu gibt es noch viel Informationsbedarf (vgl. Abb. in der Bildergalerie).


Was ist damit gemeint?

Im Lauf des kommenden Jahres darf eine Vielzahl an Leuchtmitteln nicht mehr verkauft werden. Das beginnt am 25. Februar 2023 mit den Kompaktleuchtstofflampen und den ringförmigen Leuchtstofflampen, betrifft dann ab 25. August die linearen Leuchtstofflampen T5 und T8 sowie ab dem 1. September die Hochvolt- und Niedervolt-Halogenlampen. Grund dafür ist bei den Leuchtstofflampen die Übernahme der EU- Richtlinie 2011/65 zur «Beschränkung gefährlicher Elektro- und Elektronikgeräte». Konkret geht es um den Quecksilberanteil dieser Leuchtmittel.
Der Plan ist sehr sportlich, wenn man bedenkt, wie viele Leuchtstofflampen noch in Betrieb sind. Die Schwierigkeit liegt darin, eine passende Anschlusslösung zu finden, die nicht nur elektrotechnisch, sondern wegen der unterschiedlichen Abstrahlcharakteristik auch lichttechnisch funktioniert. Eine Leuchtstoffröhre einfach durch eine LED-Röhre zu ersetzen, wird daher in vielen Fällen nicht funktionieren. Die Branche hat allmählich realisiert, dass das Ende der Leuchtstofflampen kommt, aber dem Endverbraucher dürfte das nicht bewusst sein.


Ist Tageslichtplanung für die SLG auch ein Thema, oder fokussieren Sie bewusst auf die Planung mit Kunstlicht?

Es ist ein Thema für uns und ich würde das gerne verstärkt bearbeiten. Hier sind wir vor allem in der Westschweiz sehr involviert. Es braucht es eine Harmonisierung zwischen den verschiedenen Interessensgruppen. Der Einsatz von Tageslicht lohnt sich allein schon deshalb, weil dafür keine zusätzliche Energie gebraucht wird. Wichtig ist, dass das Tageslicht bereits beim Entwurf, also sehr früh im Planungsprozess, einbezogen wird. Wobei das auch der Kunstlichtplanung zu wünschen wäre – Lichtplanung bedeutet nicht, nachträglich ein paar Leuchten in einen Raum zu hängen.


Für Architektinnen und Architekten werden Entwurf und Planung durch ständig wachsende Ansprüche und den damit früheren Einbezug von Fachplanern immer komplexer. Wie versuchen Sie die Position der Lichtplanerinnen und Lichtplaner in diesem Umfeld zu stärken?

Wir haben gerade eine Arbeitsgruppe gebildet, die dazu das Gespräch mit dem SIA suchen soll. Ich bin selbst Elektroingenieur. Oft haben wir im Büro auch die Lichtplanung bearbeitet – das entspricht natürlich qualitativ nie dem Niveau, das eine Architektin, ein Architekt wünscht. Wir arbeiten aktuell an einem Leistungsbeschrieb, der die Leistungen von unabhängigen Lichtplanern aufzeigen soll. Damit können diese sowohl gegenüber Architektinnen als auch Bauherrschaften transparent und anschaulich vermittelt werden.


Ein Thema, dass in der letzten Zeit beim Bau immer wichtiger geworden ist, ist die Kreislaufwirtschaft. Ist das für die Beleuchtungsbranche ein Thema, z.B. indem man Komponenten wiederverwendet?

Ja, da ist definitiv ein Thema. Hier gibt es auch seitens der Hersteller verschiedene Vorstösse. Auch in Bezug auf die Konstruktion der Leuchten und der Leuchtmittel: Dass sie reversibel gebaut werden, wiederverwendet und besser entsorgt werden können.


Ein weiteres wichtiges Planungsthema ist BIM. Auch für die Lichtplanung?

Die Lichtplanung ist prädestiniert für BIM, vor allem wenn man im BIM-Modell auch die Betriebsphasen und den Wartungsplan integriert.

Arbeiten Sie auch mit Lichtgesellschaften aus dem Ausland zusammen?

Wir haben regen Kontakt mit Lichtgesellschaften aus dem benachbarten Ausland. Im deutschsprachigen Raum organisieren wir gemeinsame Anlässe. Hier gibt es auch gemeinsame Ausbildungsstandards. Die Themen, mit denen sich Lichtplanerinnen und Lichtplaner ennet der Grenzen beschäftigen, entsprechen jenen in der Schweiz.

Gibt es innerhalb der Schweiz unterschiedliche Themensetzungen?

Ich habe den Eindruck, die Sensibilität für Beleuchtungsthemen ist in der Romandie eher grösser als in der Deutschschweiz. Mein Ziel ist es, die Westschweiz noch stärker einzubinden, auch mit gemeinsamen Anlässen, z.B. zur Strassenbeleuchtung. Hier gibt es Unterschiede in der Herangehensweise, auch bei den eingesetzten Produkten. Wir planen auch, die Anlässe öfters in Bern anzusiedeln, damit es für die Westschweizer einfacher wird, teilzunehmen – so wie bei unserem Geburtstagsfest Ende Juni im Bierhübeli.

 

Die 1922 gegründete Schweizer Licht Gesellschaft SLG ist ein unabhängiger Branchenverband für alle, die sich in ihrem professionellen Umfeld mit Licht und Beleuchtung auseinandersetzen. Sie bietet mit dem SLG College Weiterbildungen sowie eine Ausbildung zum Lichtplaner/zur Lichtplanerin mit eidgenössischem Fachausweis an.

 

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums ist die Publikation «Guide Lumière» erschienen, die die Geschichte der Lichtplanung in der Schweiz resümiert sowie aktuelle Projekte vorstellt – von Basel bis Caslano TI und von Gossau SG bis Lausanne.

 

Publikation sowie weitere Informationen unter: slg.ch