Aldo Rossi. Design 1960–1997
Aldo Rossi gilt als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Architektur des 20. Jahrhunderts. Als Architekt und Designer, aber auch als Theoretiker und Kritiker hat er ein komplexes Werk geschaffen. Die Ausstellung «Aldo Rossi Design 1960–1997» im Museo del Novecento in Mailand zeigt zum ersten Mal das gesamte Designschaffen des Mailänder Architekten und stellt es in Bezug zu Themen wie Raum, Monument und Architektur.
Es wäre wenig sinnvoll, Rossis Werk als Designer von seinem Werk als Architekt zu trennen. Das offenbart schon ein flüchtiger Blick auf Rossis meisterhafte Skizzen und Zeichnungen. Sie zeigen Espressokannen mit Kuppeln, Kleiderschränke, die wie Strandhäuschen aussehen, Giebel und Türme, die als Objekte fungieren. Hier wird Architektur zu Design und umgekehrt. Domitilla Dardi schreibt dazu in ihrem Essay im Werkverzeichnis: «Die Osmose zwischen Architektur und Design, zwischen Gebäude und Objekt ist unmittelbar mit der Thematik der Massstäblichkeit verbunden.»
Die mehr als 350 Exponate, die ein fast zwanzigjähriges Schaffen abbilden, werden entlang eines Rundgangs in neun Räumen präsentiert. Jeder dieser Räume ist eine thematische Wunderkammer: Möbel, Gebrauchsgegenstände, Prototypen, Modelle, Bilder und Skizzen eröffnen Einblicke in Rossis Poetik, die weit über die Dualität von Form und Funktion hinausgeht. Seine Überlegungen und Entwürfe bewegen sich mit überraschender formaler und methodischer Kontinuität von der Stadt zur Architektur, vom Monument zum Objekt.
Rossis berühmte Espressokanne, der die Ausstellung einen wunderschönen Raum widmet, ist nur ein Beispiel dafür. Das Thema des Massstabs – im Sinne des Verhältnisses zwischen einer abgebildeten Grösse und der zugehörigen Grösse in der Wirklichkeit – ist in Rossis Werken allgegenwärtig, seit er in den 1970er-Jahren Stadtansichten zeichnete, «in denen Kaffeekannen, Denkmäler und Häuserblöcke Seite an Seite stehen oder Türme wie modulare Objekte zerlegt werden», erklärt die Kuratorin Chiara Spangaro.
Rossis permanente Erforschung des Übergangs vom Grossen zum Kleinen präge zahlreiche seiner bekannten Werke, die zu Ikonen des 20. Jahrhunderts geworden seien, etwa das Teatrino scientifico und der Schrank Cabina dell’Elba (Bruno Longoni Atelier d’Arredamento), so Spangaro weiter. Sie finde sich in Werken, die mit der Beziehung zwischen Architektur und Design spielten, beispielsweise im Regal Cartesio (Unifor), ebenso wie in Werken, die diese Beziehung auf die Spitze trieben, etwa im Kaffeeservice Tea & Coffee Piazza (Alessi) und dem für die Triennale 1986 entworfenen Teatro Domestico.
Unmittelbar nach seinem Architekturstudium, das er 1959 am Mailänder Polytechnikum abschloss, begann Rossi damit, Möbel zu entwerfen. In den ersten Jahren arbeitete er mit Leonardo Ferrari zusammen. Ab 1979 beschäftigte er sich mit der industriellen Produktion und der Handwerkskunst und arbeitete mit renommierten italienischen und internationalen Unternehmen wie Alessi, Artemide, DesignTex, Bruno Longoni Atelier d'Arredamento, Molteni&C UniFor, Richard-Ginori und Rosenthal zusammen. Er erkundete unterschiedlichste Materialien – Holz, Keramik, Metall, Marmor, Stein, Textilien und Kunststoffe – und definierte präzise Details und reduzierte Formen (z. B. einen würfelförmigen Kochtopf und eine kugelförmige Teekanne), die auf klassizistische Stilvorstellungen verweisen.
Wie Figuren eines imaginären Theaterstücks bevölkern Rossis Einrichtungsgegenstände den häuslichen Wohnraum: Stühle – darunter unübertroffene Werke wie das Modell Milano –, Teeservice, Töpfe, Pfannen, Schränke, Regale und Schreibtische. Beispielhaft zeigt dies die Serie «Tischarchitektur», für die Alessandro Mendini, Alessis damaliger künstlerischer Leiter, Aldo Rossi und neun weitere Architekten, die bisher nicht im Design-Bereich tätig waren (von Michael Graves über Richard Meier und Charles Jenks bis Robert Venturi), mit der Gestaltung des Service Tea and Coffee Piazza beauftragte. Diese «häusliche Landschaft» der 1980er-Jahre – die New Domestic Landscape, wie das MoMa 1972 seine Ausstellung zu italienischem Design betitelte – ist Rossis persönlicher roter Faden, eine kohärente und konstante Verbindung zum Klassizismus.
Eine weitere Verständnisebene eröffnet sich über Rossis viele wunderbare Skizzen und Zeichnungen. Ein kräftiger und entschlossener schwarzer Strich, begleitet von warmen, intensiven Farben wie Ocker, Rot und Grün. Neben Rossis Gemälden sind auch seine Skizzen und Zeichnungen oft eigenständige Werke.
Erwähnenswert ist auch die von MA Architects (Rossis Partnerbüro in New York) konzipierte Szenografie der Ausstellung. Sie bildet einige von Rossis herausragenden Architekturmodellen nach: Das Beinhaus des Friedhofs von Modena wird hier – ironischerweise – zur Vitrine für Kochtöpfe, Zeichnungen und Objekte, und im Raum für das Teatro del Mondo, das schwimmende Theater, das Rossi für die Biennale in Venedig entworfen hat, steht das faszinierende, geheimnisvolle, metaphysische Holzmodell des Theaters, eines der emblematischsten Projekte des 20. Jahrhunderts.
Anlässlich der Ausstellung wurde ein Werkverzeichnis zu Rossis Designschaffen veröffentlicht: die erste umfassende Studie über seine Möbel- und Objektproduktion. Das Verzeichnis entstand unter Mitarbeit von Domitilla Dardi und dank wertvoller wissenschaftlicher Beiträge von Francesca Appiani vom Museo Alessi und von Francesca Molteni und Peter Hefti vom Museo Molteni sowie dank der Beteiligung verschiedener öffentlicher und privater Sammlungen.
Die Ausstellung «ALDO ROSSI. DESIGN 1960–1997» im Museo del Novecento in Mailand läuft noch bis 6. November 2022.
Weitere Informationen: www.museodelnovecento.org/it/mostra/aldo-rossi