Be­reit für die gros­sen Ma­te­rial­men­gen

Beim Bau von Infrastrukturanlagen fallen Millionen Tonnen Aushub- und Ausbruchmaterial an. Im Kanton Uri wird das Gestein aus dem Gotthard-­Strassentunnel und dem Sisikoner Tunnel verwendet, um das Reussdelta aufzuwerten. Werden in den nächsten Jahren beim ­Abbau und bei der ­Schüttung in den See einige Regeln beachtet, ergibt sich eine Win-win-Situation.

Date de publication
24-11-2023

Die Schüttungen im Urnersee aus den Jahren 2001 bis 2008 kann man getrost als ökologische Erfolgsgeschichte bezeichnen. Damals entstanden zwei Inselgruppen und neue Flachwasserzonen (vgl. «Biologische Vielfalt über und unter Wasser»). Der Kanton Uri plant nun, weitere Flachwasserzonen zu schütten, um so die biologische Vielfalt im Gebiet zu erhöhen und schlussendlich den Referenzzustand von 1913 wiederherzustellen. Die Kanalisierung der Reuss und der Kiesabbau zu Beginn des letzten Jahrhunderts führten seinerzeit dazu, dass bestehende Flachwasserzonen im Reussdelta verschwanden. Für die geplanten Flächen werden in den nächsten Jahren ca. 4.9 Mio. t Gestein aus dem Gotthard (Strassentunnel) und dem Axen (Sisikoner Tunnel) an den See gebracht.

Eine Seeschüttung statt einer Deponieablagerung in Betracht zu ziehen, funktioniert jedoch nicht. Die Bundesvorschriften sind streng: Nach Artikel 39 des Gewässerschutzgesetzes ist es grundsätzlich untersagt, feste Stoffe in Seen einzubringen, auch wenn diese das Wasser nicht verunreinigen. Seen sollen nicht als Deponieraum missbraucht werden können. Die Bestimmungen des Bundes sind klar auf die Schutzinteressen ausgerichtet. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Geht eine Verbesserung des ökologischen Zustands mit der Schüttung einher, können die kantonalen Behörden diese unter gewissen Auflagen erlauben – wie im Urner Reussdelta.

Ökologische Verträglichkeit des Gesteins

Doch welche Voraussetzungen muss das Material erfüllen, um für den Aufbau einer Flachwasserzone zugelassen zu werden? Gewisse Gesteine enthalten natürlicherweise lösliche Stoffe, die somit im Ausbruchmaterial vorkommen und die chemische Zusammensetzung des Wassers verändern können. Daneben geht es auch um Korngrössen oder die Stabilität des vorgesehenen Materials. Die Verantwortlichen kennen die Geologie am Gotthard und am Axen, sprich die Beschaffenheit des Schüttmaterials, bereits aus früheren Projekten.

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Zu weiteren Verschmutzungen des Gesteins könnte es durch die jeweilige Vortriebsart in den Tunnels kommen. Damit nur unverschmutztes und unbedenkliches Material in den See gelangt, prüfen dies die Verantwortlichen auf Basis eines Kontrollplans bereits auf den Baustellen. Zudem werden neben der Unter­suchung des Ausbruchmaterials an Land auch nach der Schüttung Seewasserproben gezogen und analysiert, um negative Einflüsse auf das Wasser zu vermeiden.

Im Fall dieser zweiten Schüttung kommen beide in der Schweiz gängigen Vortriebsarten zum Zug: Die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels wird mit der Tun­nel­vortriebsmaschine aufgefahren (vgl. TEC21 9/2022 «Der Längste mal zwei»). Von den anfallenden 7.6 Mio. t Gestein können 3.5 Mio. t Gneis und Granit für die Seeschüttung verwendet werden (vgl. «Überdeckung Airolo»). Der 4.44 km lange Sisikoner Tunnel auf der neuen Axen­strasse wird im Sprengvortrieb ausgebrochen (vgl. TEC21 36/2021 «Uferloses Unterfangen»). Rund 1.4 Mio. t Gestein werden von dort an den See geliefert, darunter etwa 80 000 bis 90 000 t Betlis-Kalk mit einem erhöhten Arsengehalt. Abklärungen zeigten, dass die Gefährdung des Urner­sees jedoch durch die geringe Löslichkeit, die langsame Mobilisierung und die Verdünnung im Seewasser limitiert ist.

-> Überdeckung Airolo

Zudem steht beim Tunnelausbruch am Axen der wenig standfeste Palfris-Mergel an, der sich nach dem Ausbruch bei Luft- und Wasserkontakt aufweicht. Dank einem Langzeitversuch ist bekannt, dass der Palfris-­Mergel aus frisch ausgebrochenem Tunnelmaterial noch nicht stark verwittert sein wird und der Aufweich- beziehungsweise Zersetzungsprozess im Wasser deutlich langsamer abläuft als an der Luft. Man kann bis zur Verwitterung mit geologischen Zeiträumen rechnen, das heisst mit über 1000 Jahren.

Neben der Qualität des Materials entscheidet die Methode der Schüttung über die ökologische Verträg­lichkeit. Um eine langfristige Ausschwemmung der Feinanteile zu verhindern, die zu Instabilität oder Trü­bung führen könnten, wurden für die Anlegung der Flachwasserzonen besondere Massnahmen angeordnet.

Aufbau der Flachwasserzonen

Zwischen 2024 und 2029 entstehen in 1 bis 3 m Tiefe die zwei neuen Flachwasserzonen «Allmeini» (1.5 ha) und «Schanz» (5.6 ha). Letztere ist aufgrund ihrer ­Grösse zwar komplexer, dennoch ähnelt sich der Aufbau der beiden Schüttungen. Um die angestrebte Topografie zu erreichen, werden in beiden Fällen zunächst umfangreiche Dammkonstruktionen erstellt. Die einzelnen Schüttphasen dürfen aus geotechnischen Gründen nicht allzu mächtig sein. Man spricht von einer Schütthöhe zwischen 5 und 10 m. Ebenfalls gemein ist den Flachwasserzonen eine sogenannte Schüttmulde. Hierin sollen der Palfris-­Mergel und der Betlis-Kalk aus dem Axen gelagert werden. Dieses Material wird anschliessend mit einer 5 m hohen flächigen Schüttung abgedeckt und ist somit vor Erosion und Ausschwemmung geschützt. Die folgende ca. 50 cm hohe Deckschicht bildet den Seegrund der neuen Flachwasserzone. Die Planenden wünschen sich hier feines und standortgerechtes Material, um Fauna und Flora zu fördern. Sollte das anfallende Ausbruchmaterial die Anforderungen nicht erfüllen, was gemäss dem Detailprojekt vor allem bezüglich des Grösstkorns wahrscheinlich ist, wird zusätzliches Material verbaut.

Die ausführliche Version des Artikels ist erschienen in TEC21 38/2023


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