Bi­ke­rin­nen und Bi­ker ero­bern den Wald

Die zunehmende Freizeitnutzung im Wald führt vermehrt zu Konflikten. Im Fokus stehen zunehmend auch die Bikenden. Mit einem Ausbau der Mountainbike-Infrastruktur soll nun der Nachfrage Rechnung getragen werden. Doch viele Fragen sind noch zu klären, wie ein Anlass von WaldSchweiz in Zürich kürzlich zeigte.     

Date de publication
14-05-2024

Den Wald in der Freizeit aufzusuchen, ist beliebt. Das zeigt die vom Bundesamt für Umwelt zusammen mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft periodisch durchgeführte repräsentative Bevölkerungsumfrage rund um den Wald. Bezüglich der Waldbesuche lassen die Ergebnisse der dritten Erhebung jedoch aufhorchen: Während 2010 erst 26 % angaben, sich manchmal im Wald gestört zu fühlen, waren es 2020 bereits 46 %. Die vier häufigsten genannten Gründe dafür waren Abfall und Littering, Zerstörung und Vandalismus, Feste sowie Mountain Bikes und E-Bikes.

Bikerinnen und Biker im Wald zählen für Viele somit nicht zu den Beliebten. Und immer mehr nutzen das Mountainbike. Laut der repräsentativen Umfrage «Sport Schweiz 2020» sind es 8 % der Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Das führte in den letzten Jahren zu der Einsicht, dass gemeinsam nach Lösungen zu suchen sei, um die Konflikte zu reduzieren. Auch WaldSchweiz hat sich in den vergangenen Monaten mit dem Thema intensiv beschäftigt. Der Verband der Waldbesitzenden hat dazu nicht nur eine Position und ein Merkblatt erarbeitet, sondern dem Thema kürzlich auch eine Veranstaltung in Zürich gewidmet.

Klarere Regeln für das Biken im Wald

In seiner Begrüssung betonte der Präsident des Kantonalverbands WaldZürich, Res Sudler, dass die Erholungsnutzung der Wälder in den letzten Jahren stark zugenommen habe. Die Inwertsetzung solcher Leistungen sei gerade für Waldeigentümer, die über keine Steuergelder verfügten, wichtig. Der Wald sei zwar öffentlich begehbar, aber nicht befahrbar. 

Damit erinnerte Sudler an den berühmten Artikel 699 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs, der besagt, dass das Betreten vom Wald und Weide jedermann gestattet sei, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörden einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden. Für das Biken im Wald seien klarere Regeln nötig, forderte Sudler. Und nur mit Diskussionen könnten Lösungen gefunden werden. Damit war die Debatte lanciert.

Dave Spielmann von der nationalen Fachstelle Mountainbike bei SchweizMobil erwähnte das 2023 in Kraft getretene Veloweg-Gesetz, in dem Mountainbiken explizit erwähnt ist. Im Unterschied zu den Velowegen des Alltags zählen die Mountainbike-Routen jedoch zum sogenannten Freizeitnetz. Bis 2027 planen die Kantone ihre Velonetze; die Umsetzung erfolgt anschliessend bis 2042. Im Auftrag des ASTRA übernimmt SchweizMobil dabei die Rolle der nationalen Koordination, Information, Beratung und Routenentwicklung. 

Erhebungen zeigen, dass der überwiegende Teil mit dem Mountainbike auf normalen, bereits bestehenden Wegen unterwegs ist. Nur etwa 10 % befahren Abfahrtspisten, die ein besonderes Erlebnis und Action bieten. «Biken ist eine weggebundene Aktivität», betonte Spielmann. Um das Mountainbiken nachhaltig lenken zu können, brauche es eine bedürfnisgerechte offizielle Mountainbike-Infrastruktur. Und auf den gemeinsam benutzten Wegen sei vor allem Fairness und Toleranz gefragt. 

Die Interessen der Mountainbikenden in Zürich vertritt der Verein ZüriTrails. Dieser zählt rund 1500 Mitglieder und ist damit der grösste in der Schweiz. Mit ihrem Mointainbike-Konzept von 2017 spielte die Stadt Zürich eine Pionierrolle. Laut der Co-Präsidentin des Vereins, Luise Rohland, ist das städtische Angebot an Bikewegen ein grosser Erfolg. Fast 150'000 Abfahrten pro Jahr würden gezählt. Als Erfolg wertet sie auch das im Zürcher Kantonsrat überwiesene Postulat, das einen Ausbau der Montainbike-Infrastruktur im Kanton Zürich fordert. Damit werde der Kanton in die Pflicht genommen.

Ein Mountainbike-Konzept für den Kanton Zürich

Diesen Ball nahm Res Guggisberg von der Abteilung Wald des Amts für Landschaft und Natur des Kantons Zürich auf. Seit er als Kreisforstmeister wirke, beschäftige ihn das Velofahren im Wald. Schon länger bestehe eine direktionsübergreifende Austauschgruppe mit Personen aus vier kantonalen Ämtern. 

Eine Bestands- und Bedarfsanalyse Mountainbike des Sportamts und des Amts für Mobilität des Kantons vor zwei Jahren zeigte, dass die «Hotspots» der Fahrten mit dem Mountainbike über den ganzen Kanton verteilt seien, es jedoch nur sechs offizielle Trails sowie zwei Mountainbike-Routen von Schweiz Mobil gebe. «Die bestehende Infrastruktur entspricht nicht der Nachfrage», sagte Guggisberg. Noch dieses Jahr soll nun die Erarbeitung eines Mountainbike-Konzepts im Kanton starten. 

Das Waldgesetz des Kantons Zürich hält fest, dass Reiten und Radfahren im Wald nur auf Strassen und Wegen erlaubt ist. Die Gemeinden können Ausnahmen bewilligen. Als das Gesetz vor 20 Jahren erlassen wurde, ging man davon aus, das sei geregelt. Nun stellt sich jedoch die Frage, was denn ein Mountainbike-tauglicher Weg ist. Ein Urteil des Bezirksgerichts Affoltern ZH sorgte im Herbat 2022 für Aufsehen: Zwei Biker akzeptierten die Bussen nicht, die ihnen von den Behörden auferlegt wurden, weil sie am Ueltiberg auf unbefestigten Wegen fuhren. Das Bezirksgericht legte die Befahrbarkeit von Wegen mit Mountainbikes grosszügiger aus als die Behörden und hob die Bussen auf. Auch könne nicht gebüsst werden, wenn an einem nicht zu befahrenden Weg keine Verbotstafeln angebracht sind, befand das Bezirksgericht. Es gibt somit einiges zu klären.

Auf eine rasche Klärung hofft Beat Kunz, der Leiter von Stadtgrün Winterthur. Die zweitgrösste Stadt des Kantons ist daran, Angebote für Bikerinnen und Biker realisieren. Zentral ist laut Kunz die Zusammenarbeit von Kanton und Gemeinde. Ein Vorteil sei, dass dank der Interessengemeinschaft Biketrails in Winterthur Ansprechpersonen vorhanden sind. Aus Sicht der Stadt als Waldeigentümerin sei es problematisch, wenn beispielsweise Trails irgendwo entstehen und auch breiter werden. «Koexistenz und Lenkung sind wichtig», sagte Kunz. Gleichzeitig gelte es, Exzesse einzudämmen. In Winterthur gehören über 70 % des Walds der Stadt oder dem Kanton. In Winterthur versucht man die Angebote für Bikende möglichst in den öffentlichen Wäldern zu konzentrieren. Die privaten Waldbesitzenden müssten schon genug Lasten tragen, so Kunz.  

Unter Leitung von Julian Muhmenthaler vom Bildungszentrum Wald in Lyss wurden in der Diskussion weitere Aspekte vertieft. So etwa die Frage, wie Waldbesitzende entschädigt werden. Nach den Vorstellungen von WaldSchweiz sollen Mehraufwände und Mindererträge abgegolten werden, ebenso das zur Verfügung stellen von Waldboden. Bei offiziellen Biketrails finde man in der Regel Lösungen, sagte Res Guggisberg. Denn die Kosten für deren Planung und Unterhalt betragen ein Vielfaches der Entschädigung an die Waldeigentümerin, sofern diese eingefordert werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ab wann von einer eigentlichen Kommerzialisierung der Erholungs- und Freizeitnutzung im Wald gesprochen werden kann, und was eine solche für das Ökosystem Wald bedeutet.   

Der Umgang mit illegalen Biketrails 

Schwieriger ist der Umgang mit illegalen Biketrails. Einig war man sich, dass ein attraktives Angebot matchentscheidend ist. So könne eine Lenkung gelingen und das Problem des kreuz-und-quer-Fahrens entschärft werden. Kontrollen werden aber nötig sein, und Verbote müssen auch durchgesetzt werden. Ein Votant aus dem Publikum zog eine Parallele zu Skitouren und Schneeschuhlaufen. Dort hätten Information und Sensibilisierung eine Verbesserung gebracht. Aber auch Wildruhezonen, die nicht betreten werden dürfen, gehören dazu. 

Einige der bestehenden Pisten im Wald würden wohl Bestand haben, sagte Res Guggisberg. Aber nicht alles, was gegenwärtig befahren werde, könne legalisiert werden. Hier stellen sich auch waldrechtliche Fragen: Ab wann ist eine Bikepiste als Rodung – also als Zweckentfremdung von Waldboden – zu klassifizieren?

Das Anlegen von Bikepisten wird also nicht überall möglich sein. Das wäre auch zu teuer. Wo Wege gemeinsam benutzt werden, da muss Koexistenz gelingen. Und da stellt sich die Frage, wer den allgemeinen Wegunterhalt, der über die forstwirtschaftlichen Ansprüche hinausgeht, finanziert. Auch da müssen Lösungen gefunden werden.

➔ Hier finden Sie die Impulsreferate vom NetzwerkWald-Anlass.

Klare Regeln und Entschädigungen für das Biken im Wald

 

Der Verband WaldSchweiz anerkennt das Bedürfnis der Erholungssuchenden, sich mit dem Mountainbike im Wald zu bewegen. Dies müsse jedoch geordnet und koordiniert erfolgen, um den Einfluss auf Wald, Fauna und Waldbewirtschaftung möglichst gering zu halten. In einem Positionspapier und Merkblatt fordert der Verband, dass Waldeigentümerinnen und -eigentümer für ihre erbrachten Leistungen entschädigt werden. 

 

Das beinhalte das Zurverfügungstellen des Waldbodens für Montainbike-Infrastrukturen wie auch die Abgeltung von Mehraufwänden und Mindererträgen bei der Waldbewirtschaftung. Über die Höhe der Beiträge gibt es bisher keine Richtwerte. WaldSchweiz erachtet einen jährlichen Betrag zwischen einem und zwei Franken pro Laufmeter jedoch als gerechtfertigt. 

 

Weitere Informationen: 
waldschweiz.ch/bikenimwald