«Ein Dach, das kei­nen Lärm macht»

Die Lehrerschaft der aussergewöhnlichen, zweistöckigen Simba-Vision-­Schule bei Arusha, in der Massai-Kinder in regulären und in Montessori-­Klassen unterrichtet werden, hat erste ­Erfahrungen mit dem neuen Gebäude gesammelt. Wir sprachen mit ihnen und den beteiligten Architekten Gunter Klix und Wolfgang Rossbauer.

Date de publication
26-07-2024

Sie sind Lehrer und Lehrerinnen und unterrichten schon seit einiger Zeit im neuen Simba-Vision-Gebäude. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Klassenzimmern und all den anderen neuen Räumen gemacht? 

Judika Gidion: Wir sind mittlerweile seit zwei Jahren hier. Positiv ist, dass die Klassenzimmer genügend Platz bieten und auch eine gute Belüftung möglich ist. Ausserdem sieht das Gebäude innen und aussen wirklich schön aus.

Jeremia Ogada: Die grossen Räume lassen viele Aktivitäten zu. Es ist ganz anders als in den traditionellen Klassenzimmern, wie zum Beispiel denjenigen gerade gegenüber der Simba Vision. Dort fehlt es an Platz. Die neuen Räume sind so eingerichtet, dass die Lehrer all ihre Aktivitäten durchführen können. So ist es möglich, zum Beispiel in den Eckzimmern die Materialien auszulegen, damit die Kinder sie bearbeiten. Hier können sie diskutieren, ohne zu stören, während andere ihre Aufgaben an den Tischen im Hauptraum erledigen. Manchmal gibt es zwar auch in traditionellen Schulen grosse Räume, aber hier haben wir zusätzlich diese kleineren Kammern, in denen die Lehrperson das Unterrichtsmaterial unterbringen kann oder in die die Kinder sich zurückziehen können, um die Materialien zu ertasten und mit ihnen zu arbeiten oder um zu lesen und sich eine Geschichte auszudenken. Der Unterricht ist ganz anders als an anderen Schulen.

Sind sie alle ausgebildete Montessori-Lehrer?

Lucas Masangwa: Es gibt zwei, die in Montessori-Pädagogik ausgebildet sind, sodass sie wissen, wie man die Materialien benutzt. Sie haben den anderen Lehrern verschiedene Techniken beigebracht. Wir haben jeden Mittwoch ein «MEWAKA»-­Meeting, bei dem sich die Lehrer treffen, um die Herausforderungen und die Komplexität des Lehr- und Lernprozesses zu besprechen. Wir nutzen diese Gelegenheit, um Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben und an die Kinder weiterzugeben. MEWAKA ist eine Suaheli-­Kurzform von «Mafunzo Endelevu Kwa Walimu Kazini», was so viel bedeutet wie «Progressive Teachers Training in Service». Ausserdem haben wir alle Montessori-Seminare besucht, damit wir dasselbe Ziel haben.

Gunter Klix: Eine bemerkenswerte Fähigkeit der Lehrer ist, dass sie es verstehen, die Möglichkeiten optimal zu nutzen. Ich habe zum Beispiel gesehen, wie Judy am Nachmittag draussen unter dem grossen Baum im Schatten unterrichtet hat. Sie können die Aussenbereiche auch als Besprechungsräume nutzen oder das Treppenhaus, um mit Wasser zu spielen und um für eine Ausstellung Kunstwerke aufzuhängen. Das Besondere daran, wie die Lehrer den Raum nutzen, ist, dass sie erfinderisch sein können. 

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Die Räume sind hoch und haben eine besondere Anordnung, damit die Luft zirkulieren kann. Das ist anders als in kleineren Klassenzimmern in den traditionellen Bauten neben der Simba Vision. Wie empfinden Sie das Klima in den Räumen? 

Martin Musa: Die Temperatur ist gut wegen der Baumaterialien. Die Räume sind so angeordnet, dass es nicht so heiss wird, und an einem sonnigen Tag fällt der Unterricht leichter. Das Klima ist dank der grossen Durchgänge und Fenster, die eine freie Luftzirkulation ermöglichen, wirklich angenehm. 

Masangwa: Aber auch in der Regenzeit lassen sich die Räume gut nutzen: Wenn der Regen kommt, macht das Dach keinen Lärm, denn die Deckenplatten sind aus Holz und es entsteht eine doppelte Schicht. So wird der Unterricht nicht gestört, weil man das Prasseln auf dem Dach nicht hört. Das unterstützt das Lernen effektiv.

Elinuru Mbise: Ich denke, auch in grossen Städten könnten solche Gebäude nützlich sein, um die Belüftung zu verbessern und die Umgebung erfrischender zu gestalten.  

Sie sprechen von den heissen Temperaturen. Aber in den Bergen von Arusha kann es während der Regenzeit oder morgens manchmal auch kühl sein. 

Wolfgang Rossbauer: Wir haben die Lehrer gebeten, aufzuzeichnen, wie sie die Temperatur in den Räumen zu verschiedenen Tageszeiten empfinden. Lucas, das ist unser gemeinsames Projekt zur Temperaturmessung. Wir haben euch einen Grundriss gegeben und die Lehrer mussten mit den Schülerinnen und Schülern Zahlen von 1 bis 10 ankreuzen, je nachdem, ob ihnen kalt oder warm war. Was habt ihr da festgestellt?

Masangwa: Die Lehrer haben die Temperatur gemessen und dann die Kinder nach ihrem Empfinden gefragt. Die Aufzeichnungen zeigen, dass die Temperatur in den frühen Morgenstunden, wenn es regnet, tief ist. Wenn aber die Sonne aufgeht, sitzen die Kinder gerne in den Nischen, weil es da schnell warm wird. In den Klassenzimmern ist die Temperatur konstanter.

Viele Materialien stammen aus der Umgebung. Sie haben mir gesagt, dass das Gebäude mit der Umgebung verschmilzt, je älter es wird. 

Klix: Wir hatten uns gebrannte Ziegel ange­sehen, wie sie bei den Häusern im nahegelegenen King’Ori zum Einsatz kommen, oder Lehmziegel wie in Olkungwado. Beide Ortschaften weisen aber ganz andere Bodenzusammensetzungen auf. Schliesslich haben wir entschieden, die lokale graue Vulkanerde mit Zusatz von Zement zu verwenden. Die meisten konventionellen Gebäude auf dem Schulgelände sind ebenfalls so gebaut, wir konnten aber den Zement­anteil mit unseren Ingenieuren wesentlich verringern. Unser Ziel war es, dass sich die Steine sowohl in die Umgebung als auch in den Kontext der anderen Gebäude einfügen.

Gidion: Ja, das ist wirklich gut und schön. Bei den traditionellen Schulhäusern wird der weisse Anstrich schnell schmutzig. Der Lehmputz passt zur Umgebung, denn die meisten Massai-Häuser bestehen aus Lehm.

Cornelia Wallner, die Leiterin des Vereins Africa Amini Alama erzählte mir, dass sie sich erinnert, wie einige kleine Kinder am Eröffnungstag Angst hatten, die Treppe hinaufzugehen. Sie sind noch nie so hoch hinaufgestiegen, weil sie an einstöckige Häuser gewöhnt sind. Es war eine schöne Erfahrung für Cornelia, zu sehen, dass andere Kinder jenen geholfen haben, die Angst hatten. 

Masangwa: Ja, sie waren so glücklich, auch nachher, als die Erwachsenen sie dabei unterstützten, die Möbel nach oben zu bringen. Es schien ein wunderbarer Tag für ihr Leben zu sein. Das Gebäude ist so schön, sehr unterstützend für diese ländliche Massai-Gesellschaft, weil wir jetzt genug Platz und Klassenzimmer haben. Es können sich jetzt viel mehr Massai-Kinder in der Schule einschreiben, früher konnten viele gar nicht kommen. Wir, die Lehrer und Lehrerinnen von der Simba Vision School, danken Annika, Comfort, Doreen, Lucas, Ingrid, Wolfgang und Gunter für das grosse Engagement.

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