Städ­te­bau­liche Vers­chie­bung

Roche-Arealentwicklung Basel

Die Geschichte des Roche-Areals begann mit einer kleinen Fabrik am Basler Rheinufer. Heute, mehr als 125 Jahre später, hat das Pharmaunternehmen einen Campus geschaffen, der sich in der Mitte vertikal verdichtet und in naher Zukunft entlang des Rheins aufgelockert werden soll – eine Übersicht der Entwicklungen.

Date de publication
22-08-2024

Als Ende des 19. Jahrhunderts die erste chemische Fabrik von Hoffmann, Traub & CO, heute Hoffmann-La Roche, am rechten Rheinufer gebaut wurde, befand sich das Firmengelände ausserhalb der Stadt, in einer vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Ebene. Fast 130 Jahre später umfasst das Roche-Areal knapp 120 000 m2 und ist Teil des Stadtraums.

Umgeben von Reiheneinfamilienhäusern und Wohnzeilen des Wettsteinquartiers ist es bestens erschlossen: zum einen durch die nur wenige hundert Meter entfernte Autobahn, zum anderen durch den daran angrenzenden Badischen Bahnhof sowie die Grenzacherstrasse, die das Firmengelände in zwei Areale teilt.

Das Südareal, das heute vorwiegend Bauten für die Administration aufnimmt, orientiert sich in Richtung Rhein. Auf dem Nordareal, das sich zwischen Grenzacherstrasse und Wettsteinallee aufspannt, befinden sich vor allem Labore und Produktionsgebäude.
 

Stadt in der Stadt

Die Standortvorteile – die kurzen Wege, die gute Infrastruktur, aber auch die Nähe zur Stadt – bewogen Roche dazu, das Areal in den letzten Jahrzehnten umfassend weiterzuentwickeln, auszubauen und vertikal zu verdichten, um nicht auf den zweiten grossen Campus in Kaiseraugst ausweichen zu müssen. Zudem konnten mit dem Um- und Ausbau des Basler Campus die über die Stadt- und Nachbarkantone verteilten Arbeitsplätze an einem Standort zusammengeführt werden.

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Die wesentlichen gestalterischen Grundsätze für die Roche-Architektur verfestigten sich mit dem ersten, von Otto Rudolf Salvisberg (1882–1940) in den 1930er-Jahren auf dem Nordareal realisierten Laborgebäude; die horizontal gegliederten, weissen Brüstungsbänder der Fassaden nehmen Elemente der Klassischen Moderne auf1. Für die Architektur von Roche entwickelte Salvisberg damit eine Corporate Identity, die weltweit angewendet wurde und bis heute das Erscheinungsbild der Gebäude prägt. Der 1939 ebenfalls von Salvisberg entworfene Masterplan legte das Städtebaukonzept für das Nordareal fest. In der rasterförmigen Parzellenstruktur von ca. 60 m × 30 m reihen sich freistehende, maximal 40 m hohe Einzelbauten – vor allem Labor- und Produktionsgebäude – senkrecht zur Strasse aneinander. Nach Salvisbergs Tod übernahm sein Nachfolger Roland Rohn (1905–1971) den Grundgedanken des Masterplans und realisierte zwischen 1940 und 1970 den Grossteil der Gebäude für Roche.


Verdichtung im Norden

Die erste vertikale Verdichtung fand in den 1970er- Jahren auf dem Südareal statt: mit dem von Roland Rohn erbauten 18-stöckigen Scheibenhochhaus (Bau 52, vgl. Axonometrie in der Galerie). Die Glas-Vorhangfassade orientiert sich an amerikanischen Vorbildern2 und setzt sich von der Architektursprache der «Weissen Fabrik» ab. Als Landmark bestimmte es über Jahrzehnte die Basler Skyline. Das änderte sich im Jahr 2015 mit dem von Herzog & de Meuron erbauten Bau 1, der das angrenzende Hochhaus von Rohn um ein Dreifaches überragt. Für kurze Zeit war Bau 1 das höchste Haus der Schweiz. 2022 realisierten Herzog & de Meuron mit wh-p Ingenieuren direkt gegenüber einen konzeptionell gleichen Bruder, Bau 2, der noch weitere 27 m in die Höhe ragt und um 90° gedreht ist. An dieser Stelle befand sich ursprünglich ein rund 40 m hoher Laborbau von Rohn mit dem gleichen Fussabdruck. Bau 1 und Bau 2 veränderten die Stadtsilhouette von Basel wesentlich.

Weitere Beiträge zum Roche-Areal in Basel finden Sie hier.

 Um das Volumen je nach Blickwinkel gegen oben zu reduzieren, sind die Fassaden von beiden Hochhäusern nach oben hin abgestuft. Zudem nimmt das Weiss der horizontalen Brüstungsbänder je nach Wetterlage die Farbe des Hintergrunds an; damit scheinen sich die Gebäude in der Höhe aufzulösen. Doch vor allem setzt die Gestaltung die Bautradition fort, die mit dem Kanon der Architekten Otto Rudolf Salvisberg und Roland Rohn begann. Diesen beiden Türmen ging eine Entwicklungsplanung des Areals voraus, die auf den neuen Anforderungen an die Gebäude aufgrund technischer Fortschritte und Veränderungen der Nutzungen – weniger Produktion, mehr Forschung und Administration – beruht.

Für die Neu- und Umbauten entwickelte Roche zusammen mit Herzog & de Meuron ein Konzept, das die Basis des neuen Bebauungsplans bildete. Dabei orientierten sich die Architekten am Masterplan von Salvisberg. Sie passten die Neubauten in das bestehende Raster ein und entwickelten das Konzept weiter, indem die Bauten gegen die Mitte des Firmengeländes höher werden. Dies zeigt sich zum Beispiel bei den im September 2023 fertiggestellten vier Neubauten für das Forschungs- und Entwicklungszentrum auf dem Nordareal (Bau 4, 5, 6 und 7, siehe Axonometrie in der Galerie). Hier stand zuvor ein fünfgeschossiger Verwaltungsbau aus den 1970er-Jahren. Die Neubauten übernehmen die Rasterstruktur und wachsen von der quartierzugewandten Seite bis zur Mitte des Areals gestaffelt bis auf 132 m an.

Zur Verdichtung der Produktion und Forschung auf dem Nordareal sind bis 2030 weitere Um- und Neubauten in Planung: etwa ein neues Forschungs- und Entwicklungsgebäude oder ein Neubau für die synthetisch-chemische Produktion; das erste Laborgebäude von Herzog & de Meuron für Roche aus dem Jahr 2000 wird zum «Institute of Human Biology» umgebaut.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 18/2024 «Res publica.

Anmerkungen

1 Bernhard Furrer, «Von der Verantwortung der Mächtigen», 23.4.2020, espazium.ch/de/aktuelles/von-der-verantwortung-der-maechtigen; Mit seiner «Anderen Moderne» gilt Otto Rudolf Salvisberg als einer der bedeutendsten Vermittler zwischen der Architektur der modernen Avantgarde in der Zwischenkriegszeit und den Traditionalisten.


2 Vorbilder waren das United Nations Headquarter in New York (Oscar Niemeyer, Le Corbusier und Wallace K. Harrison (1950) oder das Lever House (SOM, 1950–1952) in New York.

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