Mit An­rei­zen zu mehr Wohn­raum

Die Lage am Wohnungsmarkt ist im Kanton Zug angespannt, erschwinglicher Wohnraum ist hier noch rarer als in anderen Schweizer Wirtschaftszentren. Die «Wohnpolitische Strategie 2030» setzt auf flexiblere Bauvorschriften und optimierte Subjekthilfe. Was heisst das 
konkret für den Wohnungsbau?

Date de publication
26-11-2024

Wer in einem der Schweizer Wirtschaftszentren eine bezahlbare Wohnung sucht, geht oft leer aus – ein vielerorts bekanntes Problem, das im Kanton Zug jedoch eine besonders deutliche Ausprägung findet. Die Leerwohnungsziffer lag hier 2023 auf dem tiefsten Stand der Schweiz, die Mietzinse dagegen waren am höchsten: 2022 übertrafen sie den Schweizer Durchschnitt um 31 % (vgl. Grafiken in der Galerie). Die Fluktuation ist entsprechend gering; wer erschwinglichen Wohnraum hat, zieht nicht um.

Der mediane Baulandpreis hat sich seit 2010 verdreifacht und die Miet- und Immobilienpreise explodieren, was es gerade für gemeinnützige Baugenossenschaften erschwert, bezahlbares Bauland und Immobilien zu erwerben. Nicht zuletzt wegen der hohen Preise liegt der Wohnflächenverbrauch im Kanton Zug mit rund 40 m² pro Person unter dem gesamtschweizerischen Durchschnitt von 46.5 m². Die Zahl der neu erstellten Wohnungen war in den letzten Jahren rückläufig und stieg erst ab 2021 wieder an. 

Lesen Sie auch:

«Wir sind an einem Punkt, an dem es neue Lösungen braucht» – zusammen mit Peter Märkli geht TEC21 im Interview einem radikalen Gedan­ken­experiment auf den Grund, das neue Impulse für den Wohnungsbau verspricht.

Der Wohnungsbau hinkt dennoch weit hinter dem Bevölkerungswachstum her. Geringverdienende und zunehmend auch der Mittelstand werden aus den Zentren beziehungsweise dem Kanton verdrängt. Die soziodemografische Zusammensetzung wandelt sich, in der Bevölkerung regt sich Unmut. In der Stadt Zug baut der Mittelstand politischen Druck auf, etwa mit den Initiativen «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand» und «20 % preisgünstige Wohnungen im Jahr 2040». 

Nun reagiert der Zuger Regierungsrat auf diese Herausforderungen und verabschiedete am 17. September 2024 die neue «Wohnpolitische Strategie 2030» (WPS 2030). Die Strategie soll die festgefahrene Lage entschärfen und nennt drei Ziele: mehr Wohnraum, mehr erschwinglicher Wohnraum für den Mittelstand und mehr Wohnraum für die ansässige Bevölkerung. Gleichzeitig verlangt das Raumplanungsgesetz (RPG) einen haushälterischen Umgang mit der beschränkten Ressource Land. Die bauliche Entwicklung soll deshalb an gut erschlossenen, teilweise bereits überbauten Standorten vorangetrieben werden; auf «substanzielle Neueinzonungen» will der Zuger Regierungsrat auch in Zukunft verzichten.

Vereinfachung bestehender Prozesse

Der Kanton Zug gehört zu den Kantonen in der Schweiz, die eine eigene Wohnpolitik verfolgen (vgl. Grafik in der Galerie). Dabei setzt er seit vielen Jahren auf Subjekthilfe, etwa durch direkte Mietzinszuschüsse. Im Gegensatz zu anderen Kantonen, wie zum Beispiel Genf, verzichtet Zug auf eine aktive Wohnbautätigkeit. Dies bleibt auch in Zukunft so: Die WPS 2030 schlägt 19 Massnahmen vor, die auch private Initiativen ankurbeln sollen, beispielsweise indem sie administrative und juristische Hindernisse in Baubewilligungsprozessen abbauen. Andere Massnahmen – darunter auch staatliche Interventionen wie der Kauf von Bauland oder der Bau von subventionierten Wohnungen – wurden diskutiert und verworfen, sind jedoch in einem Ergänzungsbericht publiziert.

Lesen Sie auch:
Interview mit Florian Weber zum Thema «Wohnungsnot im Kanton Zug» sowie die Möglichkeiten der «Wohnpolitischen Strategie 2030».

Ein interessanter Aspekt, den ein Vergleich zwischen den wohnpolitischen Strategien und Fördermassnahmen der verschiedenen Kantone offenbart, ist: Der wirtschaftsliberale Kanton Zug und der aktiv in den Markt eingreifende Kanton Genf weisen in Bezug auf Mietpreisniveau und Leerstandsziffer erstaunliche Ähnlichkeiten auf (vgl. Grafiken und Interview mit Ariane Widmer Pham, Stadtplanerin des Kantons Genf). Im Kanton Zug sieht die WPS 2030 unter anderem vor, das kantonale Planungs- und Baugesetz (PBG) zu revidieren, damit die Innenverdichtung Fahrt aufnehmen kann. Der Regierungs- und Kantonsrat haben dazu im Jahr 2013 sogenannte «Verdichtungsgebiete» beschlossen, in denen die Gemeinden die maximale Ausnützungsziffer stark erhöhen und neue Mindestdichten einführen können.

Lesen Sie auch: 
Interview mit Ariane Widmer Pham, in dem die gegensätzlichen Haltungen der Kantone Genf und Zug in Bezug auf Interventionen am Wohnungsmarkt beleuchtet werden.

Mit der WPS 2030 sollen neu auch die Vorschriften für Erweiterungen wie Aufstockungen und Anbauten gelockert werden, um vor allem Einfamilienhausquartiere zu verdichten. Zudem sollen Hochhäuser im urbanen Raum einfacher zu realisieren sein. Deshalb wird nun auch das Baubewilligungsverfahren auf Herz und Nieren geprüft, vereinfacht und beschleunigt. Gefragt ist zudem mehr Eigenverantwortung, die zusammen mit finanziellen Anreizen zum wohnpolitischen Ziel führen soll. Gehemmt wird die angestrebte Innenverdichtung seit Jahren auch durch Einsprachen benachbarter Eigentümerschaften; so konnten zahlreiche bestehende Projekte gar nicht erst realisiert werden. Weiter verhindern geringe Ausnutzungsreserven die wirtschaftliche Rentabilität und damit die Motivation, neuen Wohnraum zu schaffen.

Mut zum Experiment

Nicht zuletzt erschweren auch komplizierte Eigentumsverhältnisse die übergeordnete Planung und Innenentwicklung von ganzen Arealen und Quartieren. Die WPS 2030 sieht daher auch «spezielle Bauzonen» vor – eine Massnahme, die noch nicht ausformuliert und in Zukunft zu konkretisieren ist. Wie eine solche spezielle Bauzone zum Beispiel umgesetzt werden könnte, untersucht eine im Auftrag der Baudirektion erstellte Studie.

Hier finden Sie die Studie "Standortfaktor Wohnen Zug".

Die interdisziplinäre Studie schlägt ein Gedankenexperiment vor und untersucht, mit welchen ökonomischen Anreizen benachbarte Grundeigentümer dazu animiert werden könnten, sich zu privatrechtlich organisierten Nachbarschaften zusammen­zuschliessen und mithilfe neuer, temporärer Bauregelungen eine massive Innenentwicklung samt hohem Anteil erschwinglicher Wohnungen zu realisieren. Die Zeit wird zeigen, ob die gewählte «Wohnpolitische Strategie 2030» die Wohnungsnot im Kanton Zug in Zukunft lindern kann. Doch eines ist klar: Nichtstun ist auch keine Lösung. 

Hier finden Sie alle Massnahmen der «Wohnpolitischen Strategie 2030» sowie den Ergänzungsbericht

Sur ce sujet