Helles Holz zwis­chen dunk­len Cha­lets

In Zermatt wird derzeit ein Ersatz für die in die Jahre gekommene Schulanlage Walka gebaut. Der Neubau fügt sich trotz seines grossen Volumens geschickt in die dörfliche Struktur ein und überzeugt im Kontext.

Date de publication
06-01-2025
Noemi Grodtke
Architektin, freie Autorin und Performance-Künstlerin

Lange Zeit war Zermatt ein abgeschiedenes Bergdorf – heute ist es ein nobler Touristen-Hotspot, der Besucherinnen und Besucher aus aller Welt anzieht. Von den höchsten Gipfeln der Schweiz umgeben, sind seiner Ausdehnung aber natürliche Grenzen gesetzt.

Während sich in der Hochsaison bis zu 35'000 Menschen in dem 6000-Einwohner-Ort aufhalten, gehen hier auch täglich 800 Kinder in die Schule. In drei miteinander verbundenen Chalet-Bauten befanden sich bisher die Primarschule und ein Kindergarten. Die Gebäude waren teilweise marode, konnten den steigenden Raumbedarf nicht decken und entsprachen auch in der Organisation nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen. Neben ausserschulisch nutzbaren Flächen für die Gemeinde sind auch Unterrichtsräume für verstärkten Stütz­unterricht notwendig geworden. 

Da­rum schrieb die Einwohnergemeinde Zermatt im Jahr 2016 einen Wett­bewerb für den Neubau der Schulanlage Walka aus. Während andere Projekte versuchten, die neue Schule stärker an die kleinteilige Struktur der Umgebung anzupassen, orientiert sich das Siegerprojekt «Tabula Rasa» von GWJ Architektur am Städtebau der drei ersetzten Schulbauten.

Kontextualität durch ­Dreiteiligkeit

Das neue Gebäude sticht im Situa­tions­plan durch seine Grösse hervor. Drei ineinandergeschobene Quader formen die neue Gebäudekubatur, die fast im Fussabdruck der alten Chalet-Bauten steht. Doch durch Differenzierung der einzelnen Körper in der Tiefe und in der Höhe wird das Volumen geschickt gebrochen. Richtung Dorf reagiert es damit auf den kleinteiligen Massstab der Umgebungsbauten. 

Auf der anderen Seite steht der gestaffelte Bau an einer mächtigen Felswand. Direkt angrenzende Dachflächen werden als Aussenräume genutzt. Von der Hauptstrasse ist der Schulbau nie als ganzer Komplex sichtbar, lediglich einzelne Ausschnitte lassen sich durch die gewachsene Bebauung hindurch erkennen. Selbst direkt vor dem Gebäude wird dieses nicht als ein langes Gebilde gelesen, vielmehr teilt es sich in drei Baukörper auf. 

Durch diese Dreiteiligkeit konnte der Bau ohne grosse Umstände in zwei Etappen realisiert werden. Während die zwei Baukörper Walka I und II schon in Betrieb genommen wurden, wird in Walka III gerade die Struktur des obersten Geschosses betoniert. 

Die Vollholzfassade aus heimischer Lärche ist an einzelnen Stellen schon leicht vergraut und deutet an, wie sich der Bau über die Zeit immer stärker in seine Umgebung einfügen wird. Holzlisenen gliedern als spielerisches Gestaltungselement die Fassade. In den Ecken werden sie aneinandergestossen. Das Detail scheint wie eine Anspielung auf die historisch im Wallis verankerte Blockbauweise. Durch den Verzicht auf durchlaufende horizontale Blechelemente wird die Vertikalität betont und die Absetzung der drei Volumen voneinander zusätzlich unterstrichen.

Mehrwert für Schule und Gemeinde

Das längliche Atrium in Walka II bildet das Zentrum der Schule. Die Holzrahmenbauweise der Fassade wird hier in einer zweiten, inneren Fassade weitergezogen. In den obersten zwei Geschossen belichten hohe Fenster den Luftraum, dahinter lässt sich einer der felsseitigen Pausenplätze erkennen. Die Lage des Schulbaus an der Felswand wird direkt greifbar und trotz ihrer Herausforderungen im Bauprozess schliesslich zu einer markanten räumlichen Qualität. 

Während ein öffentlicher Eingangsbereich entsteht, in den sich die Bibliothek, die Cafeteria oder die Mehrzweckräume erweitern können, wird durch das Atrium ausserdem die Belichtung der gegen den Felsen gebauten Räume ermöglicht. Die zentrale Halle kann sich zu einem gemeinsamen Wohnzimmer entwickeln und als solches wetterunabhängig genutzt werden. An den Seiten befinden sich offene Treppenkerne, die alle drei Gebäudeteile erschliessen, gleichzeitig Durchsicht gewähren und den Bau im Innern zu einem Komplex verschmelzen lassen.

Der Neubau ist mit einem Raster konzipiert und wiederholt dieselben Abmessungen für alle Schul- und Kindergartenzimmer. Während die Möblierung des einen Raums auf klassischen Frontal­unterricht ausgelegt ist, sind in einem anderen die Tische zu Gruppen zusammengestellt und in der Ecke lädt ein aufgestelltes Hochbett zu Lesepausen ein. 

Das Wettbewerbsprogramm hob die Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in der Regelschule hervor. Es sollen «leistungsschwache und begabte Kinder, Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung, mit unterschiedlicher soziokultureller Herkunft, aus einheimischen und immigrierten Familien gemeinsam unterrichtet» werden. Frontalunterricht bleibt neben modernen Lernformen ein wesentlicher Teil der Unterrichtsgestaltung. Es gibt keine direkt zuschaltbaren Gruppenräume, stattdessen beinahe gleich viele Klassenzimmer wie Stütz­un­ter­richts­räume. Sie ermöglichen Unterricht in kleineren Gruppen. 

Die schlichte Geometrie und Materialisierung durch Holz und Beton im Innenraum zeugt von einer bewussten Zurückhaltung in der Gestaltung. Die Kinder sollen durch die offenen Garderoben vor den Schulzimmern selbst Farbe in das Gebäude bringen und sich den Bau aneignen dürfen. Für die jüngeren Kinder sind die auf jedem Geschoss wiederkehrenden Geländer in das Atrium mit Glas unterbrochen. Darauf kleben schon heute selbst gebastelte Tiere aus Papier. 

Schulhaus Walka, Zermatt

 

Bauherrschaft
Einwohnergemeinde EWG Zermatt


Architektur
GWJ Architektur, Bern


Tragkonstruktion
LABAG Lauber Bauingenieur, Zermatt


Fassadenplanung
Buri Müller Partner, Burgdorf


Landschaftsarchitektur
extra Landschaftsarchitekten, Bern


HLK-Planung
Eicher + Pauli, Visp


Bauphysik
Gartenmann Engineering, Bern


Brandschutzplanung
Holliger Consult, Epsach


Fertigstellung
1. Etappe: Frühling 2024
2. Etappe: August 2025
Umgebung: Sommer/Herbst 2025