Grü­nes Gleich­ge­wicht

Die Umweltverträglichkeit

Ohne ökologische Massnahmen wäre die Taminabrücke nicht realisiert worden. Der Verantwortliche für die Umweltbelange erläutert, wie das ökologisch und landschaftlich wertvolle Gebiet aufgewertet wurde.

Publikationsdatum
28-07-2016
Revision
22-06-2017
Beat Hodel
Verantwortliche für alle Umweltbelange bei Planung und Bau der Taminabrücke; Leitender Experte Umweltberatung, Basler & Hofmann

Die Kantonsstrasse Nr. 123, die spektakuläre Taminabrücke mit Zubringerstrecke, verbindet Pfäfers erstmals direkt mit Valens. Die Strasse liegt in einem kantonalen Landschaftsschutzgebiet. Ebenso ist ein geschützter «Lebensraum» gemäss Schutzverordnung der Gemeinde Pfäfers betroffen.

Taleinwärts, ausserhalb des Projektperimeters, prägen seltene, wert­volle Waldgesellschaften wie der Erika-Föhren-oder der Ulmen-Ahornwald das Gebiet. Das geschichtsträchtige Bad Pfäfers gehört zu den bedeutendsten Thermalbadstätten der Schweiz. Als Objekt Nr. 1614 ­«Taminaschlucht» ist es im ­Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler ­Bedeutung (BLN) verzeichnet.

Gemäss einem Rechtsgutachten des Bundes müssen neue Strassen von mehr als 1000 m Länge – die Kantonsstrasse Nr. 123 misst 1880 m – einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden. Der Kanton St. Gallen hat daher die neue Kantonsstrasse als UVP-pflichtig beurteilt. Der Umweltverträglichkeits­bericht (UVB) und die UVP konzentrierten sich auf ökologische, naturkundliche und landschaftliche Aspekte. Die projektbezogenen Folgen des Verkehrsaufkommens sind dagegen irrelevant.

Die Kantonsstrasse Nr. 123 wurde in Rekordzeit geplant und realisiert. 2007/2008 fand der öffentliche Projektwettbewerb statt. 2009/2010 lagen das Genehmigungs- und Auflageprojekt mit UVB vor. 2011/2012 erfolgte die Genehmigung mit UVP. Seit 2013 bis 2017 wird das Bauprojekt inklusive Umweltbaubegleitung und bodenkundlicher Baubegleitung ausgeführt; parallel dazu werden die ökologischen Massnahmen umgesetzt. In allen Planungs- und Realisierungsphasen wurden die Umweltaspekte gebührend beachtet. Hierfür rief die Bauherrschaft die Begleitgruppe «Landschaft Taminatal» ins Leben, die für die korrekte Umsetzung der ökologischen Massnahmen verantwortlich ist.

Gezielte Landschaftspflege

Die Verbindungsstrasse beansprucht zwei Hektaren Wald, und die neue Brücke verändert das Landschaftsbild. Die Projektbeteiligten waren sich aber einig, dass Waldrodungen nicht vollumfänglich durch Aufforstungen zu ersetzen, sondern auch durch eine Aufwertung des ökologisch und landschaftlich wertvollen Gebiets auszugleichen sind. Die Massnahmen beschränken sich jedoch nicht nur auf den Strassenperimeter (A1–A3; alle Verweise vgl. Abbildung), sondern beziehen auch das weitere Umfeld (B1–B6) mit ein.

Teile der Fläche Valur, vom Strassenprojekt talabwärts, dienten in der Bauphase als Bodenzwischenlager; sie wurden anschliessend ökologisch aufgewertet (A1). Auf Seite Pfäfers wurden drei Querungswege inklusive Zuleitstrukturen für Wildtiere geschaffen (A2). Und in den fünf Brückenkästen werden Strukturen für Fleder­mäuse eingerichtet (A3) – das Taminatal ist ein wertvoller Lebensraum für die fliegenden Säuger. Diese Mass­nahmen werden gemeinsam mit Wildtierbiologen und Wildhütern umgesetzt.

Die Valenserstrasse wird nach Inbetriebnahme der Taminabrücke zu einer Gemeindestrasse dritter Klasse zurückgestuft und mittels Barrieren gesperrt (B1). Sie dient zukünftig primär der Waldbewirtschaftung und gilt rechtlich als Wald. Bereits in der Planungsphase sind sieben Flächen in der Gemeinde Pfäfers für die ökologischen Ersatzmassnahmen bestimmt worden, die aufgewertet und gepflegt werden (B2). In der ­Taminaschlucht sind – weitgehend im BLN-Gebiet – 30 ha Fläche als Naturwaldreservat ausgeschieden worden (B3).

Die Obstgärten in den Gebieten Bofelguet und Höf werden mit feuerbrand­resistenten einheimischen Sorten gezielt nach den Qualitätsvorgaben des Bundes ergänzt (B4). Diese Massnahmen und auch die Aufwertungen in der Valur werden mit eigentümerverbindlichen Dienstbarkeitsvereinbarungen längerfristig gesichert. Einzelne der aufgewerteten Flächen befinden sich im Besitz des Kantons.

Die bestehende Strasse zwischen Valens und Vasön sichern gut hundert Jahre alte Trockenstein­mauern, die sich teilweise in einem schlechten Zustand befinden. Die Instandstellungsarbeiten (B5) wurden vom Tiefbauamt und der Gemeinde Pfäfers geplant und von der Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz umgesetzt. Auf einer vom Sturm «Vivian» im Jahr 1990 zerstörten Fläche von 10 ha erfolgt eine gezielte Förderung von Weiss­tannen, Vogelbeere und Haselstauden (B6). Mit zusätzlicher Auflichtung sollen die Voraussetzungen für eine natürliche Wiederansiedlung von Auerwild geschaffen werden. 

Nicht nur die neue Brücke über die Tamina­schlucht, sondern auch die Qualität der realisierten ökologischen Ersatzmassnahmen im näheren und weiteren Umfeld des wertvollen Tals können sich sehen lassen. Zentrale Faktoren für das positive Ergebnis waren die ausgewogene Zusammensetzung und die gute Zusammenarbeit der «Begleitgruppe Landschaft Ta­minatal» sowie das Engagement der Bauherrschaft, die die ökologischen Ersatzmassnahmen mit der gleichen Sorgfalt umsetzte wie den Bau der Taminabrücke.

 

Verwandte Beiträge