Auch erneuern heisst erhalten
Zum 10-Jahr-Jubiläum wurden vorbildliche Erhaltungsprojekte der Gebiete Ingenieurwesen, Architektur und Städteplanung jeweils mit einem ersten Preis gewürdigt. Aus der umfassenden Auseinandersetzung mit dem Bestand resultierten eigenständige Beiträge.
Mit einer jährlich verliehenen Auszeichnung will die Fachgruppe FEB des SIA den Beitrag von Schulen und Studierenden zum Thema Bauwerkserhaltung würdigen. Werdende Architekten und Bauingenieure können für den Preis die Arbeiten ihres abgeschlossenen Bachelor- oder Masterstudiums einreichen.
Dieses Jahr sind 32 Beiträge eingegangen, davon 27 im Bereich Architektur und fünf im Bauingenieurwesen. Die Jury würdigte die qualitativ hochwertigen Analysen und Ideen mit drei ersten Preisen und vier Anerkennungen.
Im Gegensatz zu den vergangenen zwei Auflagen wurde jedoch kein Projekt aus dem Gebiet Gebäudetechnik eingereicht, auch wenn zwei Gebäudetechniker im Vorstand sitzen. «Zurzeit gibt es leider nur ein Institut für Gebäudetechnik auf Hochschulebene. Seit einigen Jahren sensibilisieren wir die Dozenten auf das Thema der Bauwerkserhaltung», betont Urs Marti, Präsident der FEB. «Am Ende ihrer kurzen Lebenszyklen werden diese Installationen in der Regel systematisch ausgewechselt. Dagegen könnten sich Erhaltungsstrategien als kosten- und ressourceneffizienter erweisen.»
Genau hinsehen
Die erstplatzierten Arbeiten zeigen sehr unterschiedliche Ansätze in der Bauwerkserhaltung, wobei der Begriff teilweise nur am Rand tangiert wurde.
Die ingenieurmässige Analyse barockisierter Kirchendachstühle durch Florian Scharmacher kombiniert experimentelle Untersuchungen, statische Berechnungen und baugeschichtliche Recherchen. Dank der komplementären Annäherungsweise liessen sich die historischen Anpassungen des Tragwerks sowie später aufgetretene Schäden an der Stadtkirche St. Katharina in Kaiserstuhl nachvollziehen.
Beim neuen Bauen im historischen Kontext entwarf Pascal Wendel einen Ersatzneubau in einem organisch gewachsenen Ensemble in Steckborn. Nach einer typologischen Studie der bestehenden Häuser liess sich eine Grammatik erkennen, aus der eine eigenständige Lösung mit zeitgenössischen Mitteln entwickelt wurde. So etwa das schräg abfallende Faltdach, die Fassadenmaterialisierung mit Duripanel-Platten und die Neuinterpretation der gekammerten Grundrisse.
Bei Matthias Winter ist der Projektname Programm: «Sihl» steht für ein grossräumiges Gesamtkonzept, das Städtebau, Landschaft und Hydrologie gekonnt miteinander verknüpft. Aber was genau bleibt erhalten, wenn die Allmend neu als Retentionsraum dient, damit das «kulturlandschaftliche Element» Sihl für unterschiedliche Aktivitäten nutzbar gemacht wird
Das Jubiläum bietet Gelegenheit, den Begriff der Erhaltung auszuloten. «Erhalten im Sinne der SIA-Norm bedeutet nicht nur instand setzen, sondern auch erneuern und umnutzen. Dies bedingt vor allem eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Bestand», fasst Urs Marti zusammen.
Doch der Preis würdigt nicht nur eine Haltung, die in der heutigen Zeit selbstverständlich sein sollte. Vielmehr zeigt er, dass eine akribische Bestandesaufnahme auch als Ausgangspunkt origineller Lösungen dienen kann.
1. Preise (je 1000 Fr.)
«Ingenieurmässige Analyse barockisierter Kirchendachstühle» (Masterthesis Ingenieurwesen), Florian Scharmacher, Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau
«Neues Bauen im historischen Kontext» (Masterthesis Architektur), Pascal Wendel, ZHAW
«Der Fluss- und Uferraum der Sihl in Zürich» (Masterthesis Architektur), Matthias Winter, ETHZ
Anerkennungen (je 500 Fr.)
«Renaissance d’un monument Dakar» (Masterthesis Architektur), Damaris Barblan und Guillaume Hernach, EPFL
«Schichtwechsel ehemalige Basaltstein AG Buchs SG» (Bachelorarbeit Architektur), Dinah Brütsch, Universität Liechtenstein
«Tragfähigkeits-Überprüfung einer bestehenden 100-jährigen Betonbogenbrücke» (Bachelorarbeit Ingenieurwesen), Marco Cavegn, HSR Rapperswil
«Rethinking Kemptthal» (Bachelorsemesterarbeit Architektur), Lara Sciuto, Accademia di Architettura Mendrisio
Jury
Randi Sigg-Gilstad, Architektin ETH SIA / lic. phil. hist.
Theresia Gürtler-Berger, Architektin ETH SIA
Norbert Föhn, Architekt ETH SIA
Patrik Stierli, Gebäudetechnikingenieur FH, ETH
Urs Rinklef, Architekt FH SIA
Peter Baumberger, Architekt HTL SIA
Stefan Brücker, Physiker ETH SIA
Urs Marti, Bauingenieur ETH SIA