Identitätsstiftende Aufstockung
Die kupferverkleidete Aufstockung des Pfarreizentrums Gerliswil von Lussi + Partner macht aus dem Betonbau der 1970er-Jahre ein markantes Zentrum für die Kirchgemeinde Emmen. Der Bestandserhalt spart CO2 und stärkt die Verbundenheit mit der Bevölkerung.
Der Betonbau von 1972 – zwischenzeitlich orange gestrichen – erfuhr durch die Sanierung und Aufstockung von Lussi + Partner eine Transformation. Das Pfarreizentrum Gerliswil vereint nun in der neuen architektonischen Gestalt Nutzungen, die bis anhin auf verschiedene Standorte in der katholischen Kirchgemeinde Emmen verteilt waren.
Im Wettbewerbsprogramm war der Erhalt des Betonbaus zwar eine Option, aber keine Bedingung. Für die Architekten war dennoch von Beginn an klar, dass sie mit dem Bestand arbeiten wollen. Sie ergänzten ihn um eine zweigeschossige, kupferverkleidete Aufstockung. Unter den Vorsprüngen des neuen Aufbaus schimmert das Kupfer noch neu. Die Fassaden und Schrägdächer sind wenige Monate nach Eröffnung bereits patiniert. Das Kupferdach nimmt Bezug auf die Turmdächer der benachbarten Kirche.
Adaptiertes Vorbild
Durch die Aufstockung wurde der Ausdruck des Baus grundlegend verändert. Eine Referenz der Architekten ist das Grenchner Parktheater von Ernst Gisel aus den 1950er-Jahren. Anstelle von Backstein wird beim Pfarreizentrum Beton mit Kupfer kombiniert. Die Collage aus Alt und Neu ist weniger feingliedrig als das Parktheater, dafür markant und mit einem hohen Identifikationswert. Dem Motto der Pfarrei «alle unter einem Dach» wird er damit sinnbildlich gerecht.
Die Aufstockung ist als Holz-Leichtbau mit vorfabrizierten Standardelementen ausgeführt. Auch im Innern der Erweiterung ist viel Eschenholz als Verkleidung von Wänden und Decken zu sehen. Für die Erdbebenertüchtigung des Bestands war indes die eine oder andere neue Betonwand nötig. Anpassungen in der Raumaufteilung wurden punktuell vorgenommen und im ersten Obergeschoss eine Gebäudeecke für zusätzliche Büroflächen geschlossen.
Das neue Herzstück in der Erweiterung ist ein grosser, unterteilbarer Saal mit Bühne für knapp 300 Personen. Eine professionelle Gastroküche befindet sich auf demselben Geschoss. Über dem Hauptsaal formen die geneigten Dachflächen ein schützendes Giebeldach, das sich innen und aussen abzeichnet. Die Kastenfenster schirmen den Innenraum akustisch ab. Von den Jets des nahen Militärflugplatzes ist so im Saal kaum etwas zu hören und auch die Nachbarschaft ist vor Lärm während eines Konzerts geschützt. Von hier blickt man auf das imposante Bergpanorama.
Bestand mit Überraschungen
Der Bestand war in einem guten baulichen Zustand, sodass nach der Reinigung nur wenig Retuschen und Ausbesserungen am Beton nötig waren. Die Fenster wurden hingegen alle ersetzt. Neu ist der Betonbau innen und wo möglich auch aussen gegen das Erdreich gedämmt. Erdsonden, die im Sommer sogar leicht kühlen können, ersetzen den Öltank. Im Bestand werden weiterhin Radiatoren genutzt, während in der Erweiterung eine Bodenheizung zum Einsatz kommt.
Die vorhandenen Pläne dokumentierten zwar gut die bestehende Struktur, dennoch hat die Recherche nach der statischen Logik die Architekten noch auf der Baustelle beschäftigt und teils für Überraschungen gesorgt. Denn der skulpturale Bau wurde nicht seriell geplant. So kam bei einem Durchbruch, der zwei Geschosse visuell verbinden sollte, ein Träger zum Vorschein. Nun ist dieser in der Mitte der Öffnung zu sehen.
Horizontale und vertikale Erschliessungen
Der Blick durch das Treppenauge erinnert an ein Bild von M. C. Escher. Die zweiläufige Treppe im Bestand wurde in den oberen Geschossen mit einer dreiläufigen erweitert und wirkt nun wie eine Skulptur. Sie ist umgeben von einer grosszügigen Erschliessungsfläche, die als zentraler Begegnungsraum gedacht ist. Durchbrüche in den Decken verbinden die Geschosse visuell und bringen Licht in die Gebäudemitte.
Brandtechnisch funktioniert die Erschliessung als Atrium und könnte möbliert als erweitertes Raumangebot genutzt werden. Dank der Hanglage verfügen die Räume über eigene Fluchtwege ins Freie. Mit der Sanierung hat das Zentrum einen Lift erhalten, sodass der Bau schwellenlos zugänglich ist.
Mit der Aufstockung wurde nun nicht nur das Raumangebot erweitert, sondern auch der Bezug zum Grünraum rund um die historistische Kirche auf dem Kirchhügel gestärkt. Die Aufwertung des Aussenraums zwischen Kirche und Pfarreizentrum ist attraktiv für das verkehrsbelastete Emmen.
Durch die Lage am Hang hat das Pfarreizentrum auf unterschiedlichen Niveaus Zugänge, die vielfältige Verbindungen zum Aussenraum herstellen. Der Haupteingang befindet sich an der Haldenstrasse im Erdgeschoss. Seminar und Begegnungsräume können schnell von der Kirche her über ein einladendes Portal in der kupfernen Fassade betreten werden. Diese Räume werden nicht nur kirchlich genutzt, sie stehen auch Externen für Anlässe oder Arbeitstreffen offen. Diskret ist der Eingang zu den Räumen der Sozialhilfe, die Jugendräume lassen sich vom Treppenhaus abtrennen.
Überblendung statt Abgrenzung
Die Differenzierung zwischen Alt und Neu im Gebäudeinnern ist subtil. Dies, weil die Sprache der Erweiterung trotz Materialwechsel nahe am Bestand bleibt und ähnliche Materialien verwendet wurden. Die rechteckigen Bodenplatten im Bestand sind dunkelbraun geflammt. In der Aufstockung sind sie in einem ähnlichen Format, aber hellbraun. Das bestehende rote Geländer ist normgerecht um einen Handlauf erhöht und findet sich vereinfacht auch in der Erweiterung. Akustikdecken und die Verwendung von Eschenholz sind verbindende Elemente zwischen den Geschossen.
Dass sich der Erweiterungsbau im Innern ohne grossen Bruch an den Bestand anschliesst, stiess bei der Eröffnung auf positive Resonanz. Für viele war erst auf den zweiten Blick erkennbar, dass es sich nicht um einen reinen Neubau handelt. Der Bau knüpft an das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung an, denn er wirkt bekannt, ist aber nach dem Eingriff von Lussi + Partner doch viel frischer.
Umbau Pfarreizentrum Gerliswil, Emmen
Bauherrschaft
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Lussi + Partner, Luzern
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2024