Der SIA im Trilemma – wenn der Einsatz für hochwertige Baukultur schwierig wird
Kommentar
Der SIA setzt sich für einen zukunftsfähigen und nachhaltig gestalteten Lebensraum ein. Und er fördert, wo immer möglich, eine Baukultur von hoher Qualität. Man möchte meinen, dieser klaren Haltung könnten problemlos alle Handlungen und Stellungnahmen des Vereins untergeordnet werden. Aber so einfach ist es leider nicht immer. In der Realität können sich diese beiden ambitionierten Ziele zuweilen widersprechen, wie sich an der Diskussion zur Weiterentwicklung des Baslers Roche-Areals zeigte.
Der geplante Neubau von Herzog & de Meuron mit seinem dritten Hochhaus löst zahlreiche unterschiedliche Probleme im sogenannten Südareal. Das Projekt opfert aber eine Industriebau-Ikone der modernen Architektur: Das Betriebsgebäude von Otto Rudolf Salvisberg müsste abgerissen werden, ebenso wie das Bürohochhaus von Roland Rohn aus den späten Fünfzigerjahren. Die multiperspektive, komplexe, im Rahmen der Architekturdialoge Basel geführte Debatte zeigte, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Vielmehr gibt es unterschiedliche Meinungen, die alle ihre Berechtigung haben. Und doch drängen die Medien den SIA, Stellung dazu zu nehmen. Verhält er sich gut schweizerisch neutral, indem er keine Partei ergreift, muss er sich womöglich sogar vorwerfen lassen, er habe keine eigene Meinung. Trilemma nennt sich diese Situation, in der sich der SIA nicht zum ersten Mal befindet: Jede der drei Verhaltensmöglichkeiten führt zu einem unerwünschten Resultat. Doch der SIA kann und will in dieser Causa nicht richten – das gilt auch für viele ähnlich gelagerte Fälle. Denn bisweilen müssen klare Entscheide gefällt werden, die auch ein Opfer verlangen.
Auch von seinen eigenen Sektionen wird der SIA oft zu Stellungnahmen gedrängt. Um einem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen, soll eine lokale Diskussion auf die nationale Ebene getragen werden. Dabei wird oft versucht, Projekte, die mit nicht SIA-konformen Verfahren zur Baureife gebracht worden sind, im letzten Moment noch zu verhindern – ganz im Sinn des SIA und seiner Maxime. Aber ist es wirklich zielführend, wenn dann in den Tagesmedien der SIA immer wieder als Polizist für faire Verfahren und letztlich als Projektverhinderer portiert wird?
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