Der Wettlauf um das gedruckte Haus
3-D-Druck aktuell
Für diverse Anwendungen wird in aller Welt geforscht, wie 3-D-Druck Konstruktionen vereinfachen, verbilligen oder verbessern kann. Doch kommt er gegen bewährte, traditionelle Bauweisen an?
Die 3-D-Drucktechnologie verbreitet sich weltweit immer rascher und wird von den verschiedensten Branchen genutzt. Sie macht auch vor dem Bausektor nicht Halt, wo nach dem geeignetsten Material für nachhaltiges, kostengünstiges Bauen und nach dem passenden Einsatz (Schalungselement, Fertigteil, Vor-Ort-Anwendung) geforscht wird. Die praktische Anwendung dieser Technologie nahm in den frühen 1990er-Jahren im Bereich der Biomedizin für die Herstellung von Implantaten, zum Beispiel Gelenken, ihren Anfang. Seither ist von der Öffentlichkeit eher unbeachtet erstaunlich viel geschehen. So kann der 3-D-Drucker, in Kombination mit einem 3-D-Scanner, jedes Objekt exakt bauen; beispielsweise passgenaue, individuell auf die Scanneraufnahme des Fusses abgestimmte Laufschuhe.
Oder im Bereich Architekturrestaurierung: Fehlende Elemente können passgenau nachgebildet werden, wie kürzlich in Berlin am Liebknecht-Portal mit seinen Skulpturen und dekorativen Elementen geschehen. Das Portal gehörte zum 1950 zerstörten Berliner Stadtschloss, das zurzeit neu aufgebaut wird. Es wurde vor der Sprengung des Schlosses abmontiert und in die Fassade des zwischen 1962 und 1964 entstandenen DDR-Staatsratsgebäudes eingebaut. Dort bleibt es nun; für das Stadtschloss ist eine Kopie vorgesehen, die ein Team von Bildhauern in Auftrag hat.
Doch wie eine originalgetreue Kopie herstellen, wenn die Vorlage in einer mächtigen Fassade eingebaut ist? Die Lösung bot ein deutsches 3-D-Druck-Unternehmen an, indem es das Portal nach einem 3-D-Scan in Originalgrösse und in rund 100 Stücke unterteilt nachdruckte. Nach der fachgerechten Befestigung der Einzelteile an einem Stahlbau war die Kopie aus pulverisiertem Stein und Kleber formal identisch. Sie dient nun den Bildhauern als Vorlage.
3-D-Druck ist jedoch nicht obligatorisch an den 3-D-Scanner gebunden. Meistens werden neue Projekte in einem CAD-Programm erstellt, zum Beispiel in der Autoindustrie, in der Luft- und Raumfahrt, allgemein in der Metall- und Kunststoffindustrie, seit Kurzem auch in der Nahrungsmittelindustrie.
Im Bausektor ist die Technologie für die Herstellung von Architekturmodellen bereits beliebt und verbreitet. Für alle übrigen Anwendungen gilt: Es wird weltweit um die Wette geforscht, wie sich Bauelemente oder ganze Gebäude mit der additiven Technik herstellen lassen. Doch weshalb überhaupt die traditionellen, eingespielten, optimierten und über Jahrhunderte effizient gewordenen Techniken ersetzen? Mit einer Vorgehensweise, bei der bewährte Handwerker von IT-Spezialisten und Personal, das die Maschinen überwacht, abgelöst werden?
Architekt Amadeo Sarbach (Multipol), Professor an der ZHAW und mit dem Thema befasst, seit es vor rund zehn Jahren im Bereich Architekturmodellbau aktuell wurde, meint: «Bei der additiven Fertigung von Bauelementen oder ganzen Bauten geniessen orthogonale Körper keine Vorteile mehr gegenüber anderen Formen. Das führt zu einer Demokratisierung der Bauformen; überdies kann auf den Millimeter genau nach dem Projekt gebaut werden. Und dank der Möglichkeit, während der Planung durch 3-D-Aufnahmen die vorhandenen Bauten mit dem neu zu Bauenden zu konfrontieren, rückt bereits Vorhandenes mit Kommendem zusammen.»
Von der praktischen Ausführung her ergibt es laut Sarbach mehr Sinn, Bauelemente als Fertigteile in einer Fabrik zu drucken und danach auf der Baustelle zu montieren, als das ganze Gebäude vor Ort zu erstellen. Doch bevor das additive Verfahren für Baufirmen interessant werde, müsse es von Preis und Qualität her mit der traditionellen Bautechnik konkurrieren können, und das ist bis jetzt nicht der Fall. Allerdings werden hier rasche Fortschritte erwartet. Die Analysten von MarketsandMarkets schätzen in einer Studie, dass der 3-D-Druck mit Beton sich bis 2021 mehr als verdoppeln wird.1 Das bedeutet, dass er von 24.5 Millionen US-Dollar im Jahr 2015 auf 56.4 Millionen Dollar bis 2021 wachsen soll. Das grösste Wachstum wird dabei in China im Sektor Wohnen erwartet. Die tiefen Preise in China relativieren im Endeffekt die niedrige angekündigte Gesamtsumme etwas.
Fragen, suchen, probieren
Geforscht wird von Baustoffunternehmen und Herstellern von 3-D-Druckern in Zusammenarbeit mit Architekten und Hochschulen. Zum Beispiel betreibt ein in der Spezialitätenchemie im Bausektor tätiges Schweizer Unternehmen2 Forschungsprogramme an der ETH (Robotic Tiling, Prof. Gramazio) sowie an der Universität Graz als Partnerin in einem europäischen Team (zementöser 3-D-Druck im Bausektor), um geeignete Zementzusammensetzungen zu finden.
In Amsterdam entsteht in Form eines offenen, bis März 2017 dauernden Forschungsprojekts ein Kanalhaus.3 Geforscht wird nach nachhaltigen und rezyklierbaren Kunststoffen, die sich im Druckverfahren für den Bau eignen, sowie nach neuen architektonischen Formen, die die Technologie erst ermöglicht. Und die oben erwähnte, für die Reproduktion des Liebknecht-Portals verantwortliche Firma forscht in Zusammenarbeit mit dem Pariser Architekturbüro EZCT Architecture & Design Research nach einem leichten und festen Baustoff, um die neuen Möglichkeiten für nicht orthogonales und filigranes Bauen nutzen zu können.
Dann stellt sich die Frage, wo und wie die additive Technik am besten einzusetzen ist: für herkömmliche Schalungselemente, Elemente für modulares Bauen oder gleich für ganze Gebäude?
In der Nähe von Rimini hat Projektentwickler Massimo Moretti sein Unternehmen:4 Er produziert 3-D-Drucker für die Herstellung von Objekten aus Plastik und Ton in verschiedenen Dimensionen. Sein persönliches Ziel ist jedoch, ein Verfahren zu entwickeln, um ganze Gebäude aus einem Guss additiv herstellen zu können. Er hat auf einer Wiese am Stadtrand eine Betondruckmaschine aufgebaut: 12 m hoch, 5 m Durchmesser. Der Arm mit dem Extruder dreht sich langsam im Kreis und legt schichtweise Baumaterial, das aus einer Mischung aus Erde, Stroh und Kalk besteht, auf die bereits entstandene Mauer.
«Gebaut» wird ein etwa 2.5 m hoher, runder Pavillon. Die einzelnen Schichten der Mauer sind gut sichtbar und könnten alternativ verputzt werden. Der Pavillon hat keine Schalungs- oder Stützelemente; Tür und Fenster werden am Schluss herausgeschnitten. «In dieser Phase forschen wir an der Materialmischung», ist auch hier zu hören. Moretti sucht nach einer Zusammensetzung, die es erlaubt, an jedem Ort in kurzer Zeit Gebäude mit lokalem Material herzustellen, zum Beispiel in ländlichen Katastrophengebieten. Auf dem Baugelände steht ein Container, in den seine Druckmaschine verpackt und an die Einsatzorte transportiert werden kann.
Eine solche Zementdruckmaschine hat vor einem Jahr ein thailändischer Zementhersteller erworben. Dieser entwickelte mit Architekt Pitupong Chaowakul Zemente für den 3-D-Druck.
Ein halbes Jahr später präsentierten sie an einer thailändischen Baumesse einen offenen Pavillon, der aus sechs skulpturalen, 3 m hohen wie aus roter Tonerde aussehenden Säulen besteht, die ein Dach tragen. Laut Architekt Chaowakul sind die Säulen aus ökologischem Zement; weitere Projekte sind im Entstehen. Näheres über den ökologischen Zement gibt er derzeit nicht preis. Gerade im Entwickeln des Bindemittels und der richtigen Zementmischung liegt ja der Wettlauf. Der Messepavillon steht heute an einem thailändischen Strand.
In internationalen Online-Fachzeitschriften werden immer wieder Beispiele aus China gezeigt: ganze Gebäude aus Beton, an denen die Schichten gut sichtbar sind, und riesige Druckmaschinen, die sich auf Schienen bewegen. Wie in Italien und Thailand fährt der Extruder die Wand entlang und schichtet Material, bis die geplante Höhe erreicht ist. Eine andere Herangehensweise als das Drucken vor Ort ist der Einsatz von Fertigteilen. Im Mai 2016 wurde in Dubai ein additiv gefertigtes, einstöckiges bogenförmiges Bürogebäude eröffnet. Lastwagen fuhren vorgefertigte Teile an den Bauplatz, wo sie zusammengesetzt wurden. Fassade und Innenräume bekamen einen Verputz. Die Bauzeit dauerte 19 Tage.
Die Technologie beschäftigt somit Unternehmen aus allen möglichen Ländern mit den verschiedensten Baukulturen. Alle sind gestartet und auf der Suche nach der besten Anwendung.
Anmerkungen
- «3D Concrete Printing Market Product Type, Concrete Type, Software, End-Use Sector – Forecast to 2021», marketsandmarkets.com
- Sika unterstützt u. a. das Projekt «Mesh Mould, ETH Zurich, 2012–2014».
- Konzept von DUS architects, 3-Dprintcanalhouse.com
- wasproject.it
Wie funktionierts?
Additive Fertigung und im Speziellen 3-D-Druck erfolgen grundsätzlich über eine Düse oder einen Extruder, die den zu produzierenden Gegenstand schichtweise «aufbauen» und deren Bewegungen von digitalen Dateien geleitet werden. Es gibt unterschiedliche Aufbautechniken, alle erfolgen jedoch mit formlosen Materialien (Pulver, Granulate, Flüssigkeit und Gemische), die sich mittels chemischer oder physikalischer Prozesse verfestigen. Im «Contour Crafting» kommt das Material aus dem Extruder und wird schichtweise nach den digitalen Informationen aufgebaut. Dieses Verfahren wird für den Häuserbau angewandt.
Beim Prozess des eigentlichen 3-D-Drucks (der ebenfalls unter den Oberbegriff additive Fertigung fällt) hingegen werden Schicht für Schicht Pulverpartikel in einem Pulverbett (aus Kunststoff, Metall usw.) durch die von digitalen Dateien geleitete Düse (durch Kleber oder Hitze) verfestigt, bis das gewünschte Objekt steht. Ein 3-D-Modell entsteht so aus der Summe der zusammengeklebten Pulverteilchen. Im Gegensatz zum Contour Crafting besteht hier die Möglichkeit, einfach überhängende Strukturen zu erstellen, denn das Pulver, das nicht verklebt wird, dient als Stützstruktur für geplante Überhänge und Hohlräume. Am Schluss des Arbeitsprozesses kann das nicht verklebte Pulver mithilfe einer Druckluftpistole entfernt und für den nächsten Druck wiederverwendet werden. Dieses Verfahren wird oft für die Herstellung von Architekturmodellen benutzt.