«Die Handschrift der Architekten kennenlernen»
Das Planerwahlverfahren in der Diskussion
Öffentliche Bauherren schätzen das Planerwahlverfahren für Aufgaben, die zu anspruchsvoll sind für eine Leistungsofferte und zu klein für einen Wettbewerb. Einschätzungen von Ursula Müller, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich, und David Vogt, Hochbauamt des Kantons Zürich.
Ursula Müller ist Architektin ETH SIA; sie war sieben Jahre als Architektin tätig, unter anderem bei Herzog & de Meuron sowie in der Architekturlehre (Lehrstuhl Marques & Zurkirchen, ETH) bevor sie 2001 ans Amt für Hochbauten der Stadt Zürich wechselte. Dort ist sie seit 2007 Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiterin Projektentwicklung.
David Vogt ist Architekt ETH SIA, war während 16 Jahren als selbstständiger Architekt in Zürich tätig und ist seit 2009 Mitglied der Geschäftsleitung im Hochbauamt des Kantons Zürich. In dieser Funktion hat er u. a. die Planerwahlverfahren des Hochbauamts mitentwickelt und geprägt.
SIA: Frau Müller, Herr Vogt, warum arbeiten Sie mit dem Planerwahlverfahren?
David Vogt: Wir vergeben jährlich zahlreiche Planungsaufträge. Je nach Aufgabe wählen wir das geeignete Verfahren. Dafür haben wir drei etablierte Verfahrensarten festgelegt: den für uns zentralen Projektwettbewerb, die gängige Leistungsofferte sowie als Drittes das Planerwahlverfahren. Letzteres verstehen wir als Bindeglied zwischen den beiden anderen Verfahren. Wichtig ist mir dabei zu unterstreichen, dass es sich beim Planerwahlverfahren nicht um ein Downgrade des Projektwettbewerbs handelt, sondern vielmehr um ein Upgrade der konventionellen Leistungsofferte.
Ursula Müller: Wir praktizieren das Planerwahlverfahren seit 15 Jahren; auch bei uns geleitet von dem Ziel, das Instrument der Leistungsofferte weiterzuentwickeln: Indem wir die interessierten Büros auffordern, eine Lösung für eine gestalterische Kernaufgabe des Projekts zu skizzieren, gewinnen wir eine qualitative Entscheidungsgrundlage für die Vergabe. Es ist ein sehr adäquates Verfahren für Bauaufgaben im Bestand, die einen kleineren Gestaltungsspielraum aufweisen als Neubauten.
SIA: Worin besteht die Abgrenzung der Planerwahl zur Leistungssubmission?
David Vogt: Bei der Planerwahl machen die Anbieter konkrete Vorschläge zum Bauvorhaben. Das heisst aber nicht, dass wir ein Projekt billig einkaufen. Wir wollen wissen, ob die Aufgabe verstanden wurde und wie man mit dem Gebäudebestand umzugehen gedenkt.
Ursula Müller: Die Leistungsofferte verwenden wir bei Aufgaben mit kleinem Gestaltungsspielraum, die Planerwahl – unser häufigstes Verfahren – bei Bestandsbauten mit mittelgrossem Gestaltungspotenzial. Mit der Beurteilung der Entwurfsansätze am konkreten Objekt lässt sich die Qualität besser beurteilen als allein über Referenzen.
SIA: Was bietet Ihnen das Verfahren, was die Submission mit Referenzen nicht leistet?
David Vogt: Bei einem Planerwahlverfahren wollen wir wissen, wie der Planer das konkrete Vorgehen zu einer bestimmten Aufgabe sieht. Will ich zum Beispiel in einem Schulhaus eine Mediathek einbauen, so scheint mir der Projektwettbewerb überzogen; dennoch gibt es ganz unterschiedliche Strategien, wie ich mit diese Aufgabe bautechnisch und gestalterisch umgehen kann.
Die Sorgfalt zum Objekt und den Umgang mit der Aufgabe kann ich nicht abschliessend anhand der Referenzen beurteilen. Ist hingegen kaum entwerferische Leistung zu erbringen und steht die technische Umsetzung im Vordergrund, so entscheiden wir uns für eine Leistungsofferte.
SIA: Es handelt sich also um ein stark auf die Aufgabe fokussiertes Verfahren?
Ursula Müller: Ja – mit dem Planerwahlverfahren wollen wir die Handschrift der Planenden und ihre konzeptionelle Denkweise kennenlernen, und zwar bezogen auf das zu realisierende Projekt. Durch das Einfordern dieser Skizzen erfahren wir viel über die grundsätzliche Behandlung des Gebäudes. In der Präqualifikationsphase suchen wir mittels der gebauten und geplanten Referenzen die fünf am besten geeigneten Architekturschaffenden mit Potenzial.
SIA: Hat das Verfahren auch Nachteile?
Ursula Müller: Wir sehen keine Nachteile. Es könnte höchstens eine gewisse Gefahr bestehen, bei der Eignungsbeurteilung primär durch Referenzen immer die gleichen Büros zu nehmen. Dem beugen wir jedoch vor, indem die eingereichten Referenzen nicht zwingend den gleichen Aufgabentypus, also z. B. Schulhäuser, abdecken müssen – vielmehr sollen sie eine der anstehenden Bauaufgabe vergleichbare Komplexität aufweisen. So können wir das Eignungspotenzial gut abschätzen.
David Vogt: Mir kommen auch keine Nachteile in den Sinn. Ich sehe lediglich Herausforderungen des Verfahrens: Eine davon ist, dass man den Planern Transparenz bietet. In unserem Auswahlgremium findet sich immer ein externer Architekt – auch als Garant und Signal nach aussen, dass es nicht zu verwaltungsinternen Abreden kommt. Da laden wir auch gern einmal eine kritische Stimme ein. Diese externen Architekten zeigen sich stets beeindruckt über die Offenheit und Professionalität der Abläufe.
Wichtig ist uns auch, dass diese unabhängigen Juroren eine besondere Expertise zum aktuellen Thema mitbringen. Nicht zu vergessen der Bericht zum Verfahren; der macht etwas Arbeit – das ist eher eine Herausforderung, ein Mehraufwand, aber kein Nachteil.
Ursula Müller: Für die Beurteilung stellen wir ein verwaltungsinternes Gremium, bestehend aus Mitarbeitenden der Projektentwicklung und Ausführung sowie der internen Auftraggeberinnen und je nach Aufgabe auch der Denkmalpflege. Einen Bericht werden wir jetzt auch einführen, weil das die Transparenz unterstreicht. Bisher haben wir jeweils eine kleine Ausstellung mit den Beiträgen gemacht.
SIA: Wie schreibt man Aufgaben im Planerwahlverfahren aus?
Ursula Müller: Der Aufwand der Bewerbenden muss klein bleiben. Die zentrale Herausforderung ist es, eine repräsentative und abgegrenzte Fragestellung zu bestimmen, für die eine konzeptionelle und gestalterische Antwort gefunden werden muss. Uns ist wichtig, dass die Aufgabe kompakt bleibt und auf zwei A3-Seiten dargestellt werden kann.
SIA: Wie ist das Echo der Planer?
Ursula Müller: Grundsätzlich gut, die Feedbacks zum Verfahren und zu unseren Entscheiden sind anerkennend. Lediglich die Vermittlung der Entscheidungsfindung wurde manchmal bemängelt. Mit dem neuen Bericht begegnen wir dieser Kritik.
David Vogt: Wir bekommen ein sehr gutes Feedback. Den nicht Ausgewählten bieten wir die Möglichkeit zu einem klärenden Gespräch, um darzulegen, warum sie den Zuschlag nicht erhalten haben. Ich habe es bis jetzt noch nie erlebt, dass diese Ausführungen für die andere Seite nicht nachvollziehbar waren. Die Transparenz wird geschätzt.
SIA: Was sagen Sie zu der Kritik, das Planerwahlverfahren werde genutzt, um zu möglichst billigen Lösungen zu kommen?
David Vogt: Diesen Vorwurf habe ich noch nie gehört. Es liegt auf der Hand, dass es uns um die Qualität geht: Mit dem Verfahren wollen wir uns keine Leistungen erschleichen.
Ursula Müller: Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Frage ist, welches Verfahren sich für welche Bauaufgabe eignet; je grösser der Spielraum, desto eher wird der Projektwettbewerb angewendet.
Rückblickend erinnere ich mich nur an eine Bauaufgabe, bei der ein anderes Verfahren angemessen gewesen wäre, nämlich bei der Instandsetzung des Zürcher Kongresshauses und der Tonhalle: Hier waren wir anfangs von einer in erster Linie technischen Sanierung ausgegangen sowie einer neuen Innenraumgestaltung im Foyer. Deswegen entschieden wir uns seinerzeit für das Planerwahlverfahren. Später wurde dann deutlich, dass die tatsächliche Grösse der Aufgabe einen Projektwettbewerb gerechtfertigt hätte.
SIA: Ist das Planerwahlverfahren auch für weniger versierte Vergabestellen geeignet?
Ursula Müller: Es ist ein gutes Vergabeverfahren – einfach zu verstehen und einfach im Handling. Ich empfehle den kleineren Vergabestellen, die Durchführung an externe Berater zu vergeben.
SIA: Würden Sie sich eine SIA-Ordnung für das Verfahren wünschen?
Ursula Müller: Da die kantonale Submissionsverordnung des Kantons Zürich (SVO) ausreichend ist, brauchen wir hierfür keine Ordnung. Zudem pflegen wir einen kontinuierlichen Austausch mit anderen öffentlichen Auslobern und verfügen über das nötige Know-how. Für kleinere, in Vergabeverfahren weniger versierte Gemeinden kann eine pragmatisch und einfach anwendbare Ordnung oder Wegleitung sinnvoll sein.
David Vogt: In der Hochbauamt-Wegleitung «Vergabe von Planungsaufträgen» sind unsere Vergabeprozesse beschrieben; dennoch fände ich es erstrebenswert, wenn man etwas in dieser Hinsicht erarbeiten würde. Der SIA sollte dieses Verfahren unterstützen und analog zur Ordnung für Wettbewerbe Spielregeln festlegen. Ich fände es interessant, wenn wir – die Stadt Zürich, der Kanton und weitere Akteure – mit dem SIA Grundsätze zu diesem Verfahren entwickeln würden.
SIA: Weshalb entschädigt die Stadt die Teilnehmer nicht?
Ursula Müller: Die Planerwahlverfahren sind Planersubmissionen, die wir deutlich vom Wettbewerbsverfahren abgegrenzt sehen wollen, es soll kein «Wettbewerb light» sein. Die Aufgabenstellung ist bewusst knapp gehalten, wir wollen nur die Herangehensweise an eine Aufgabe auf zwei A3-Blättern beurteilen, keine ganzen Projekte. Deshalb entschädigen wir im Unterschied zum Wettbewerb die Planerwahlofferten nicht.