Fordern, fördern und überraschen
Die Kantone tun sich schwer, den Klimaschutz im Gebäudebereich zu verbessern. Vor sechs Jahren einigten sie sich auf eine Harmonisierung der Energiestandards. Erst die Hälfte hat ihre Vorschriften seither verschärft.
Der Kanton Glarus waltet direkt und fortschrittlich: Gebäudebesitzer, die ihr Domizil energetisch verbessern wollen, erhalten die Fördergutschrift jeweils von höchster Stelle, dem Regierungsrat, ausgesprochen. Und wer sich generell für mehr Klimaschutz einsetzen möchte, tut dies am wirkungsvollsten an der Landsgemeinde. Anfang September gelang der Glarner Klimajugend im Ring dieser Überraschungscoup: Öl- und Gasheizungen sind neuerdings verboten. Künftige Neubauten und sanierte Gebäude sollen nur mehr fossilfrei beheizt werden dürfen, bezeugte das in Glarus versammelte Stimmvolk mit aufgestreckter Hand.
So deutlich wagte noch kein Kanton, seine Energie- und Baugesetze von der fossilen Gegenwart zu befreien. Vergleichbare Verbotsanträge scheiterten zuletzt in Bern, Solothurn und im Aargau knapp in den jeweiligen Urnengängen. Trotzdem steht das demnächst fossilfreie Glarus nicht allein da: Fast die Hälfte aller Kantone schreibt zumindest eine Minimalquote für erneuerbare Energieträger vor oder setzt Heizwärmebedarfswerte fest, die niedriger sind als in Minergiegebäuden.
Referendum über das Zürcher Energiegesetz
Vor sechs Jahren beschlossen die Energiedirektoren aller 26 Kantone ein harmonisiertes Vorgehen zur Einführung des Nahezu-Nullenergiestandards. Die gemeinsame Initiative aber harzt: Erst 13 Stände haben ihre Gesetze und Verordnungen angepasst. Zehn weitere beraten noch darüber. Und nun steht in Zürich ein wegweisender Entscheid bevor: Der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz, der auch die meisten Immobilien zählt, möchte fossile Heizsysteme verbannen. Ende November wird über das Referendum zur Änderung des kantonalen Energiegesetzes abschliessend abgestimmt.
Eine Totalverbot für Öl- und Gasheizungen ist in der Vorlage nicht vorgesehen. Doch der offerierte «Klima-Deal» schliesst die CO2 erzeugende Energietechnik faktisch aus. «Fordern und fördern», lautet die strategische Devise der gesetzlichen Anpassungen: Steigen Gebäudebesitzer von fossilen auf erneuerbare Energieträger um, werden sie künftig mit Geld aus der kantonalen Förderkasse belohnt. Das Budget soll von heute 8 auf 15 Mio. Franken erhöht werden.
Im Gegenzug sind die «Fossilen» nur noch ausnahmsweise erlaubt – falls deren Installation und Betrieb inklusive Energiekosten mindestens 5 % günstiger wären als klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen, Holzfeuerungen oder ein Fernwärmeanschluss. Ein weiteres Auslaufmodell sind Elektroboiler: Das neue Zürcher Gesetz verlangt deren Austausch bis 2030, wobei das Warmwasser künftig mit Solarenergie oder via erneuerbares Heizsystem erzeugt werden soll.
Ein Klimavorreiter unter den Kantonen ist neben Glarus auch Basel-Stadt: Als einer der ersten führte er die harmonisierten Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) ein. Was das revidierte Gesetz seit 2017 bewirkt, ist bereits sichtbar: Der Anteil der fossilen Heizsysteme ist bei Neuinstallationen von zwei Dritteln auf rund 10 % geschrumpft. Wie in Zürich geplant, fordert Basel den fossilen Verzicht: Öl- und Gasheizungen sind ausgenommen unverhältnismässiger Mehrkosten nicht mehr erlaubt. Gefördert wird am Rheinknie jedoch deutlich grosszügiger: Beim Einbau einer Wärmepumpe entschädigt die öffentliche Hand teilweise mehr als die Hälfte der Investitionskosten.