Gefragt sind neue Lösungen
Energiestrategie 2050
Die vom Bundesrat anvisierte Energiestrategie 2050 und der etappierte Atomausstieg sind eine grosse Herausforderung für die Gesellschaft sowie für alle Bau- und Energiefachleute. Denn es gilt, den Energieverbrauch vor allem bei bestehenden Gebäuden massiv zu reduzieren.
Wichtig ist, dass die zukünftigen Neubauten die Ziele der Energiestrategie 2050 erfüllen können. Die grosse Herausforderung besteht aber im riesigen Gebäudebestand. Dieser ist energetisch zu sanieren, damit er bis 2050 die hohen energetischen Anforderungen erfüllen kann», ist Prof. Urs-Peter Menti, Leiter des Zentrums für integrale Gebäudetechnik (ZIG) an der Hochschule Luzern, überzeugt. «Einen wesentlichen Beitrag müssen da neben der Verbesserung der Energieeffizienz und der Dämmung der Gebäudehülle sowie einem Ersatz der Energieerzeugung mit fossilen Energien auch die Betriebsoptimierung und der Einsatz energieeffizienter Geräte inklusive der Beleuchtung leisten», ist der Experte für Energie- und Gebäudetechnik überzeugt. Mögliche Lösungsansätze sieht er zudem in der thermischen und elektrischen Vernetzung von Gebäuden, um so die möglichen Synergien zu nutzen.
Fehlende Anreize
«Was beim Bau von Gebäuden heute fehlt, ist ein systematisches Vorgehen: Plan Do Check Act, wie dies im Trivialsystem des Qualitätsmanagements nach ISO 9001 vorgesehen ist», bringt Energieexperte Jürgen Baumann das Defizit auf den Punkt. Für ihn fehlt zudem eine Behörde, welche prüft, dass das, was geplant, bewilligt, bestellt und vielleicht gar schon bezahlt wurde, auch energetisch eingehalten worden ist. Zudem gibt es im heutigen «Market Design» auch keinen Anreiz dafür, in der Gebäudetechnik in Energieeffizienz zu investieren. «Heute lässt der Investor planen und bestellt, der Generalunternehmer streicht dann alles raus, was seine Marge belastet, und der Nutzer kann sehen, wie er mit dem Resultat klarkommt», ärgert sich der Energieexperte. Dieser bade dann aus, was aus Gründen des «Market Designs» nicht gemacht werden konnte, weil es sich für den Investor nicht rechnete.
Notwendige Lösungen
Die Relevanz der Gebäudetechnik bei der Umsetzung langfristiger Energiestrategien ist inzwischen in der Fachwelt, zumindest in Deutschland und der Schweiz, erkannt. Dagegen besteht diesbezüglich in der Politik noch ein erhebliches Defizit, das es zu beseitigen gilt. Gefragt sind neue Lösungsansätze, um den durch Gebäude verursachten Gesamtenergieverbrauchsanteil von nahezu 50% erheblich zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist die Initiative von 36 Fachverbänden der Energie- und Gebäudetechnik in der Schweiz zu begrüssen, ein nationales Gebäudetechnikprogramm zu entwickeln und zu realisieren. Mit diesem soll auf der Basis eines 5-Punkte-Programms in Zukunft das enorme Energiesparpotenzial der Gebäudetechnik genutzt werden. Das Programm wird zurzeit in sieben Arbeitsgruppen erarbeitet und soll bis Ende 2014 verabschiedet sein.
Der Weg vom Passivhaus zum Plusenergiehaus
Auch im Nachbarland Deutschland gibt es bereits zukunftsorientierte Immobiliengesellschaften wie etwa die ABG Frankfurt Holding. Diese baut mit einem Marktanteil von 25% seit nunmehr 14 Jahren ausschliesslich Mehrfamilienhäuser im Passivhausstandard. Bislang sind bereits über 2500 Geschosswohnungen von der Sozial- bis hin zur Eigentumswohnung mit diesem Baustandard in der Metropole Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet realisiert worden. «Am Passivhaus führt heute kein Weg mehr vorbei. Mit geringem finanziellem Mehraufwand ist dies heute für den Investor ohne Weiteres wirtschaftlich umsetzbar, da die Mehrkosten durch höhere Erträge beim Verkauf oder bei der Miete kompensiert werden», weiss Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführung, aus langjähriger Erfahrung. «Für den Mieter oder Wohnungseigentümer ergibt sich ein immenser Vorteil dadurch, dass die Betriebskosten und damit die zweite Miete nicht steigen und zudem noch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird», so der Baufachexperte. Inzwischen ist das Unternehmen sogar so weit, dass es Passivhauswohnungen vermietet, bei denen die Heizkosten nicht mehr abgerechnet werden. Dies, weil die entsprechende Erfassung und Abrechnung teurer käme als die Restenergie für die Beheizung der Wohnung. «Gleichwohl haben wir uns der Aufgabenstellung zugewandt, in hochverdichteter innerstädtischer Lage ein neues Mehrfamilienhaus zu errichten, das mehr Energie erzeugt, als die Bewohnerinnen und Bewohner benötigen. Das ist unsere zukunftsweisende Ausrichtung, die es konsequent weiterzuverfolgen gilt», so das Motto von Experte Junker.
Neue Lösungsansätze zeigt die Fachtagung Lifecycle@Gebäude am 3. September 2014 in der Umwelt Arena Spreitenbach auf.