Haute Couture
Wie ein hochwertiges Kleid umschliesst die Fassade aus Aluminiumbändern die neue Halle der Basler Messe. Tatsächlich gleicht die futuristische Hülle einer massgeschneiderten Robe für den grossen Auftritt: Jedes der 14.000 Einzelstücke wurde von Hand in Form gebracht.
Den Aufwand, den Planer und Unternehmer zur Herstellung von Freiformflächen bei Gebäudefassaden betreiben müssen, ist um ein Vielfaches höher als bei ebenen Flächen und sich wiederholenden Bauelementen. Dazu kommt der grössere Aufwand im Betrieb für Reinigung und Unterhalt. Es bedarf somit handfester Gründe, um solche Konzepte umzusetzen: Beim Neubau der Messe Basel war dafür zum einen der Standort inmitten der Stadt ausschlaggebend, zum anderen spielte die anspruchsvolle Klientel von Ausstellern und Besuchern eine Rolle.
Die Architekten entschieden sich für Aluminium als Material für die vorgehängte und hinterlüftete Bekleidung der beiden oberen Hallengeschosse. Es erfüllt die mannigfaltigen Anforderungen in Summe am besten, denn die Vorteile wie geringes Gewicht, hohe Festigkeit, gute Bearbeitungsmöglichkeiten, Korrosionsverhalten, Brandverhalten und Wirtschaftlichkeit überwiegen die wenigen Nachteile wie tiefes Elastizitätsmodul, hohe Wärmeleitfähigkeit und hohen Temperaturausdehnungskoeffizienten bei Weitem. Nicht unbedeutend dabei war die Wahl der silbergrauen Farbe, die letztere negative Eigenschaft massgeblich entschärft. Eine Farbgebung mit hohem Emissionsgrad würde die Struktur bei Sonnenschein viel stärker aufheizen, die Längenänderungen wären entsprechend grösser.
Vom Algorithmus
Den architektonischen Entwurf auf die notwendige Anzahl von Elementen herunterzubrechen und jedem Bauteil die korrekten Masse und Drehwinkel zuzuweisen, ist die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe, um eine Freiformfassade zur Ausführungsreife zu bringen. Mittels der Computerprogramme «Excel» und «MathCAD» entwickelten die Architekten Algorithmen, die die Raumkoordinaten für jeden gewünschten Punkt des hyperbolischen Paraboloids berechneten. Aus dieser Punkteschar wurden jedem Bauteil die relevanten x-y-z-Koordinaten zugewiesen. Mithilfe der 3-D-Daten erarbeiteten die Fachplaner und der Hersteller eine technisch und wirtschaftlich optimierte Konstruktion zum Bekleiden der dahinterliegenden Industriefassade.
Architekten sehen sich oft mit Vorwürfen konfrontiert, ihre Ideen seien schön gedacht, aber nicht umsetzbar. Die Projektleiter von Herzog & de Meuron haben dies bei der an Streckmetall erinnernden Fassade widerlegt. Sie haben die beschriebene, äusserst anspruchsvolle Arbeit grösstenteils selbst erledigt.
zur Werkbank
Besondere Leistungen waren die Herstellung der Fassadenteile und die Logistik bei Zwischenlagerung und Montage. Im Gegensatz zu planen Fassadenbekleidungen, die in mehr oder weniger grossen Stückzahlen identische Formen aufweisen, musste hier jedes einzelne Lamellenstück mit dem Regelmass 2.50×0.45m separat auf einer Werkbank von Hand in Form gedrückt und mit aufgeschraubten Stabilisierungsprofilen fixiert werden. Bei insgesamt 14.000 unterschiedlichen Bauteiltypen stellte dies grosse Anforderungen an die Arbeiter und die Qualitätssicherung. Stichproben und Masskontrollen verhinderten Fehlstücke, die bei der Montage zu massiven Terminproblemen geführt hätten. Beim Standort in Kleinbasel mit seinem begrenzten Umschlags- und Lagerplatz in Kombination mit der ungeheuren Menge an Bauteilen wurde die Logistik zum zentralen Faktor. Um das knappe Zeitfenster für die Montage einzuhalten, richtete der Unternehmer eigens ein temporäres Hochregallager auf seinem Firmengelände ein. Daraus konnten in vorgegebenem Takt die durchnummerierten Elemente zur Montage abgeholt werden.
Das Resultat kann sich sehen lassen. Die gewünschte Wirkung des Einfachen ist da, und die komplexen Arbeitsschritte bleiben für Aussenstehende unbemerkt. Wie sich das Objekt punkto Wartung und Unterhalt verhält, kann frühestens in einem Jahr verlässlich beurteilt werden.