Kas­tels wei­ter­bau­en

Projektwettbewerb Schulraumerweiterung und Neubau Doppel­turnhalle, Grenchen

Beim Projektwettbewerb um die Erweiterung der Schulanlage Kastels in Grenchen werden die beiden Nachwuchsteams mit dem ersten und dritten Preis prämiert. Während das Siegerteam Michel Zurbriggen ­Reichert Architekten / Omlin Architekten zwei neue Baukörper plant, entwirft Studio Cornel Stäheli einen kompakten Neubau.

Publikationsdatum
25-06-2020

Als in den 1950er-Jahren mit einem andauernden Wachstum gerechnet wurde, entwickelte auch die Stadt Grenchen mit ihrer florierenden Uhrenindustrie selbstbewusste Planungsziele. Langfristig wurden 40 000 Einwohner erwartet, und im Osten, Süden und im Norden der Stadt entstanden drei neue Schulhäuser in Verbindung mit den Satelliten­sied­lungen. Den Wettbewerb um das Kastelsschulhaus gewann damals das ortsansässige Büro Straumann & Blaser. Die Schulanlage aus dem Jahr 1957 setzt sich aus vier frei stehenden Gebäuden zusammen, zwischen denen sich unterschiedlich gestaltete Aussenräume aufspannen. Das übersichtliche Ensemble ent­wickelt sich auf Pla­teaus entlang des Hangs und integriert Sport-, Spiel- und Pausenflächen, die nicht zuletzt dank ihrem Baumbestand eine hohe Aufenthaltsqualität bieten. Die ein- bis zweigeschossigen Gebäude bestehen aus Stein- und Putzflächen, gegliederten Fensteröffnungen mit Holzrahmen und geneigten Dachflächen mit Oblichtern. Die erhaltenswerte Schulanlage, deren architektonisch-räumliche Qualitäten gelobt werden, birgt Potenziale für eine Erweiterung.

Im Rahmen der Präqualifikation hatten sich insgesamt 42 Büros zur Teilnahme beworben. Am einstufigen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren nach SIA 142 nahmen sieben Teams teil, bei zwei handelt es sich um Nachwuchs­büros. Die Schulanlage Kastels wurde bereits im Jahr 1998 teilsaniert und um eine Aula als Anbau an den Trakt D erweitert. Nun besteht erneut Erweiterungsbedarf. Aufgrund der neuen pädagogischen Anforderungen werden sowohl neue Gruppenräume und Klassenzimmer benötigt als auch eine Tagesstruktur sowie eine Doppelturnhalle mit Zuschauergalerie. Aula, Bibliothek, Lehrer- sowie Werkräume durften in ihrer Lage verändert werden. Es blieb den Teams freigestellt, eine Verbesserung der funktionalen Abläufe durch Anbau, Umbau bzw. Neubau vorzuschlagen. Die Projekte der beiden Nachwuchsteams weichen in der Architektursprache stark voneinander ab und veranschaulichen, wie unterschiedlich die Herangehensweise im Umgang mit Ort und Bestand sein kann. Auch die ­Frage, wie sich das bestehende Pavillon­system erweitern lässt, führt bei der Schulanlage Kas­tels zu gegensätzlichen Lösungen.

Dialog und Proportion

Das Team Michel Zurbriggen Reichert Architekten / Omlin Architekten mit Hofmann Landschaftsarchitekten ergänzt das bestehende Ensemble mit seinen klar ausgerichteten Riegelbauten um zwei allseitig orientierte Baukörper. Die beiden neuen Holzbauten bilden Akzente am südlichen und östlichen Arealzugang – die neue Adresse schafft einen öffentlich-präsenten Auftritt.

Während die drei Schulbauten (A, B, C) nur kleine Eingriffe erfahren, sodass die erwünschten Lerncluster durch Unterteilung der Haupträume entstehen können, wird der Trakt D umgenutzt. Die ehemalige Turnhalle wird durch eine neue Decke in zwei Etagen unterteilt, auf denen die Werkräume angesiedelt sind. Die ehemalige Hauswartwohnung samt Aula bietet im Erdgeschoss Raum für die neue Bibliothek mit Lesegarten und die Lehrerbereiche im Obergeschoss. Beide Nutzungen profitieren von ihrer Lage am Zentrumsplatz.

Die beiden Neubauten schaffen neue Verbindungen mit der Umgebung. Die Doppelturnhalle steht parallel zum Trakt D, integriert den Terrainverlauf und öffnet ihren Hallenraum zum Allwetterplatz. Vom neuen Parkplatz erreicht man den südlichen Eingang, der ins Foyer mit Nebenräumen und zu den darüber liegenden Garderoben samt Zuschauergalerie führt. Aula und Tagesstruktur stehen auf der unterirdischen Zivilschutzanlage. Während sich die Tagesstruktur direkt zu ihren südlichen Aussenräumen öffnet und Synergien mit dem benachbarten Kindergarten ausbilden kann, orientiert sich die Aula zum nördlichen Pausenplatz.

Beide Neubauten werden nach demselben Prinzip als Holz­bauten konstruiert; ihre mit Photo­voltaikelementen eingekleideten Walmdächer nehmen Bezug zu den bewegten Dachformen des Bestands. Die fein strukturierten Holzfassaden verleihen den Baukörpern eine leichte Erscheinung. Das Projekt «Dialog» schafft nicht nur auf aussenräumlicher Ebene eine wohlproportionierte Verbindung mit der bestehenden Anlage, auch Materialisierung und Gliederung der Architektur verbinden sich auf unaufdringliche und dennoch zeitgemässe Weise mit dem Bestand.

Erhaltung und Kontrast

Im Gegensatz zum Projekt «Dialog» positioniert das drittplatzierte Projekt «Beehaltung» einen einzigen Baukörper im Norden des Perimeters. Studio Cornel Stäheli mit Gersbach Landschaftsarchitektur möchte durch eine gezielte Setzung Land­reserven für mögliche kommende Schulerweiterungen frei halten.

Eine grosse Wichtigkeit wird den Bestandsstrukturen beigemessen: Diese sollen nicht nur in ihrem Charakter erhalten werden, sondern, wo nötig, auch wieder freigelegt werden. Dementsprechend wird der Aulaanbau aus dem Jahr 1998 zurückgebaut. Die Schulbauten werden durch die Teilung bestehender Klassenzimmer für die Clustertypologie ertüchtigt. Der südliche Teil des Trakts D integriert im Erdgeschoss die Bibliothek und im Obergeschoss die Lehrerbereiche. Die bestehende Einfachturnhalle wird erhalten und nimmt die neue Aula auf. Diese ist bewusst grösser als gefordert, denn eine Zerstückelung des Raums durch Werkräume oder Klassenzimmer komme einer Bausünde gleich, so die Verfasser.

Parallel zum Trakt D und in gleicher Länge steht der Neubau; dieser beherbergt neben der Doppelturnhalle die Tagesstruktur sowie die Werkräume. Durch das eingeschossige Versenken der Hallenräume ins Erdreich tritt der Baukörper dennoch kompakt in Erscheinung. Gliedert sich die Tagesstruktur im südlichen Bereich mit direktem ­Zugang zu ihren Aussenräumen, so vermittelt das Foyer samt Galerie zum angrenzenden Hallenraum. Eine zentrale Treppe leitet abwärts in den Sportbereich, eine zweite Treppe im Westen führt zu den Werkräumen im Obergeschoss, die durch ihre Proportionierung auch als Klassenzimmer genutzt werden könnten.

Die Anordnung der Nutzungen formiert ein gestaffeltes Volumen und bezieht sich dabei auf sein Gegenüber, den Trakt D. Das betonierte Unter- und Erdgeschoss mit seiner die Halle überspannenden Betonrippendecke wird durch die Holzstruktur des Obergeschosses ergänzt. Der mit einer bläulich schimmernden Keramikhaut eingekleidete Baukörper soll den Bezug zum Grünraum herstellen.

Sind die räumlichen An­sätze beider Projekte sowie der jeweilige Umgang mit dem Bestand stringent durchdacht, so mag die architektonische Ausformulierung den Entscheid zugunsten von «Dialog» gegeben haben. Während das Projekt «Beehaltung» dem Bestand mit grossem Respekt begegnet, wurden Konstruktion, architektonische Gestaltung und Materialisierung des Neubaus von der Jury kritisch beurteilt. Das Projekt «Dialog» hingegen führt die Anlage in eine neue Zeit, ohne den Bestand zu dominieren, und zeugt laut Jury von einer grossen Sensibilität dem Ort und der Aufgabe gegenüber.

Weitere Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Rangierte Projekte

1. Rang: «Dialog»
ARGE Michel Zurbriggen Reichert Architekten / Omlin Architekten, Bern; Hofmann Landschaftsarchitekten, Bern; Henauer Gugler, Liebefeld; IEM, Bern; Indievisual, Zürich
2. Rang: «Abacus»
ARGE wahlirüefli Architekten und Raumplaner / RollimArchini Architekten, Biel / Bern; Hänggi Basler Landschaftsarchitektur, Bern; Indermühle Bauingenieure, Thun; Wolczek Architekturmodellbau, Biel; Indievisual, Zürich
3. Rang: «Beehaltung»
Studio Cornel Stäheli, Zürich; Gersbach Landschaftsarchitektur, Zürich; Bänziger Partner, Zürich
4. Rang: «Petit Prince»
Rykart Architekten, Liebefeld; DUO Landschaftsarchitekten, Lausanne; Nydegger + Finger, Bern

FachJury

Barbara Schudel, Architektin, Bern (Präsidentin); Benedikt Graf, Architekt, Solothurn; Mattias Boegli, Architekt, Fribourg; Tonio Licini, Architekt, Grenchen; Martina Voser, Architektin, Zürich; Martin Stuber, Architekt, Olten (Ersatz)

SachJury

Aquil Briggen, Stadtbaumeister Baudirektion, Grenchen; Jürg Bumbacher, Bau-, Planungs- u. Umweltkommission, Grenchen; Kurt Gasche, Primarlehrer Schulhaus Kastels, Grenchen; David Baumgartner, Finanzverwalter Stadt Grenchen; Ruth Bieri, Schulleiterin Schulhaus Kastels, Grenchen (Ersatz)

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