Klare Zuständigkeiten schaffen
Im März gab das Bundesamt für Energie bekannt, die Zertifizierung für 2000-Watt-Areale abzuschaffen. Seitdem diskutiert die Baubranche das Für und Wider. Martin Kärcher vom Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz antwortet auf den Kommentar von Martin Ménard, Präsident der Kommission SIA-Norm 390.
In seiner Stellungnahme zur Harmonisierung der vom Bund geförderten Gebäudestandards befürchtet Martin Ménard, Präsident der Kommission SIA-Norm 390, dass der Verzicht auf das Zertifikat «2000-Watt-Areal» wesentliche methodische Errungenschaften und die bisherige Weitsicht beim nachhaltigen Bauen in Frage stelle. Insbesondere schaffe der Standard Nachhaltiges Bauen SNBS die Möglichkeit ab, «das Nachweisverfahren mit dem SIA-Effizienzpfad Energie gemäss SIA Merkblatt 2040 zu kombinieren». Dies greift zu kurz und verlangt nach einer Replik aus Sicht des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS).
Zusammen mit den Partnern GEAK, Minergie und Bundesamt für Energie hat NNBS beschlossen, die Berechnung des Energiebedarfs und der Treibhausgasemissionen zu harmonisieren. Tatsächlich wird die ab 2023 verfügbare SNBS-Version die Betriebsenergie nicht mehr nach den Regeln von SIA 2040 beurteilen. Die umfassende Beurteilung der Treibhausgasemissionen über die Bereiche Erstellung, Betrieb und Mobilität im Sinne des SIA-Effizienzpfads Energie wird aber beibehalten. Die strengen Vorgaben des Effizienzpfads wurden und werden weiterhin ein wesentliches Kriterium bei der Bewertung von Gebäuden sein.
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Vielfalt an Kennwerten reduziert
Die Harmonisierung schafft klare Zuständigkeiten in der Label-Landschaft: GEAK ist zuständig für den Bereich Betrieb, basierend auf der Norm SIA 380 und dem Merkblatt SIA 2031. Minergie übernimmt die Grundlagen von GEAK und ist in Koordination mit Minergie-Eco zuständig für den Bereich Erstellung, basierend auf dem Merkblatt SIA 2032. Der SNBS übernimmt seinerseits diese Grundlagen und wird den Bereich Mobilität nach den Regeln von SIA 2039 weiterhin bewerten. Dieselben Normen und Merkblätter verwendet notabene der SIA-Effizienzpfad Energie.
Im Zuge der Harmonisierung wird die heutige Vielfalt an Kennwerten reduziert. Den Erfordernissen der Zeit entsprechend sollen über die Bereiche Erstellung, Betrieb und Mobilität nur noch die Treibhausgasemissionen konsistent bilanziert werden. Damit klare Anforderungen an die Energieeffizienz im Betrieb aus den entsprechenden Kennwerten abgeleitet werden können, werden die nationalen Gewichtungsfaktoren verwendet, analog zur bestehenden Minergie-Kennzahl. So wird sichergestellt, dass Gleiches von allen gleich berechnet wird. Für die Bewertung werden die bisherigen Systeme der jeweiligen Labels jedoch beibehalten. GEAK verwendet Klassen, Minergie arbeitet mit Grenzwerten und SNBS wird Noten erteilen.
Methodische Schwächen
Martin Ménard betont zurecht die Vorreiterrolle des SIA-Effizienzpfads bei der umfassenden Betrachtung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus eines Gebäudes. Aus Sicht des Klimaschutzes birgt seine Anwendung aber methodische Schwächen. Zum einen wurden die Zielwerte des Effizienzpfads für den gesamten Primärenergiebedarf respektive den nicht erneuerbare Primärenergiebedarfs bei konkreten Projekten meistens sehr deutlich unterschritten. Somit erzielen die Anforderungen hier kaum eine lenkende Wirkung. Zum anderen ist die mögliche Querverrechnung zwischen den Bereichen Erstellung, Betrieb und Mobilität fragwürdig, weil es sich hier um unabhängige Systeme handelt, die jeweils für sich optimiert werden müssen und können. Dadurch entstehen in der Planung oft falsche Anreize.
Wirksamer Klimaschutz verlangt, dass das mögliche Minimum in jedem der drei Bereiche konsequent angestrebt wird. Dies wird der neue SNBS fördern, und dies ist auch für die neue SIA-Norm 390 zu wünschen. Konsequenterweise müsste sie dann eher «SIA-Effizienzpfad CO2» heissen.