Korpus mit Durchblick
Verwaltungsgebäude, Barcelona 2011
An der Plaça d’Europa in Barcelona tummeln sich mehr oder minder gelungene Solitäre diverser Büros. Hier errichteten RCR Arquitectes und die Ingenieure von Blázquez Guanter 2011 ein Gebäude, das von einem fruchtbaren Dialog zwischen den Planenden zeugt. Tragwerk, Raum und Form bilden ein starkes Ganzes.
Das 2011 errichtete Verwaltungsgebäude Layetana steht an der Plaça d’Europa im Stadtgebiet L’Hospitalet de Llobregat. Es ist eine neu entwickelte, heterogene Umgebung: Kreisförmig um den Platz herum angeordnet stehen Hochhäuser verschiedener Architekturbüros und niedrigere, geknickte Zeilenbauten; die kürzeste von ihnen ist der Neubau, den RCR Arquitectes mit den in Girona ansässigen Tragwerksplanern Blázquez Guanter entworfen haben.
Die Lage, die Orientierung und das Volumen – insbesondere die Abtreppung der Nordfassade – waren weitgehend vom Masterplan vorgegeben. Die Entwerfer konzentrierten sich deshalb auf das Objekt selbst (vgl. Kasten unten: «Geschlossen? Offen? Anders!»). Dabei spielte die Gestaltung des Tragwerks eine zentrale Rolle, denn es sollte die architektonische Erscheinung prägen und die Gebäudeform definieren.
Haupttragwerk am Grundriss ausgerichtet
Der Neubau mit drei Untergeschossen, einem Erdgeschoss und fünf Obergeschossen basiert auf einem trapezförmigen, sich zur Platzmitte hin keilförmig verschmälernden Grundriss. Das Tragwerk ist ober- und unterirdisch grundsätzlich unterschiedlich materialisiert. Einzig zwei Betonkerne, die der Erschliessung dienen, durchstossen das gesamte Gebäude vertikal und geben ihm die notwendige Gesamtstabilität. Die Untergeschosse sind in Stahlbeton auf einer 12 m tief liegenden Fundamentplatte errichtet, über dem Baugrund erhebt sich die markante Stahlkonstruktion. Die Schnittstelle der Materialien befindet sich beim ersten Untergeschoss, wo die Stahlkonstruktion im Stahlbeton verankert ist.
Rahmen aus Stahl bilden das Haupttragwerk. Sie richten sich nach den Grundrisslinien und reihen sich im Abstand von 1.6 m aneinander – fast parallel, alle leicht gegen die Plaça-Mitte hin verdreht gefächert.
Die Stahlrahmenkonstruktion bildet das Skelett und damit das Rückgrat des Baus. An der Südfassade sind die Stützen von Traufe bis Fuss vertikal angeordnet, an der nördlichen Fassade sind sie – gemäss den städtebaulichen Vorgaben des Masterplans – zwei Mal abgestuft. An der Aussenseite der Fassadenebene angeordnet, definieren die Rahmen das Gebäudevolumen mit seiner markanten Form und seiner gewollten Transparenz.
Biegesteife und schlanke Tragelemente
Die schmalen, lamellenartigen Rahmenstützen mit einer Abmessung von 100 cm × 14 cm sind vor allem aus gestalterischen Gründen so nah aneinandergereiht und so schlank ausgebildet. Neben viel Transparenz ermöglichen sie zugleich viel Privatsphäre. Der Knickbemessung und der Verformungsanalyse hatten die Ingenieure deshalb besondere Aufmerksamkeit zu schenken – sie modellierten das statische Verhalten der Tragelemente mit iterativen Verfahren II. Ordnung und berücksichtigten das nicht lineare Verhalten des Materials.
Ausgebildet wurden die Rahmenquerschnitte als verschweisste Blechprofile mit einem eingeschweissten Vierkantrohr, welches das Profil versteift und die Seitenbleche gegen Beulen stabilisiert. Die Rahmen wurden für eine effiziente Herstellung, für einen reibungslosen Transport und für eine zweckmässige Montage in Einzelteilen fabriziert und erst vor Ort auf der Baustelle biegesteif verschweisst. Praktisch alle anderen Verbindungen wurden verschraubt, um Schweissarbeiten auf der Baustelle zu reduzieren.
Mehr Rahmen als statisch notwendig
Strebenfachwerke aus Stahl zwischen jedem zweiten Rahmen bilden im Gebäudeinnern das sekundäre Tragwerk. Sie sind durchlässig für Installationen auf Konstruktionshöhe und über Konsolen am Stahlrahmen des Haupttragwerks angehängt. Die Geschossdecken aus Wabenblechen mit Überbeton liegen auf den Trägern auf. Sie wirken als Scheiben und geben neben den vertikalen auch die horizontalen Lasten an die Stahlbetonkerne ab. Zwei Innenhöfe, die Licht ins Gebäudevolumen bringen, durchtrennen die Geschossdecken und damit die Scheibenwirkung. Eine entsprechende Dimensionierung und Bewehrungszulagen leiten den Kraftfluss um.
Durch den Verbund der Decken mit den Stahlträgern erhielt die leichte, schwingungsanfällige Konstruktion die notwendige Steifigkeit. Die Stahlträger des vertikalen Tragwerks wurden nur bei jeder zweiten Rahmenstütze montiert, die Spannweite von 3.2 m war für die Deckenverbundkonstruktion effizienter. Die übersprungenen Rahmenstützen verband man in der Fassadenebene jeweils über einen Vierendeelträger mit den Konsolen. Dieser Lastabtrag ermöglichte in allen Geschossen stützenfreie, flexibel nutzbare Innenräume.
Wertvolles Zusammenspiel
Die Abmessungen der Tragelemente hingen also nicht nur von den statischen Anforderungen ab, die grundsätzlich eine konventionellere Bauweise ermöglicht hätten, sondern waren auch stark vom Gestaltungswillen der Architekten geprägt. Diese Verknüpfung des Tragwerkkonzepts mit dem architektonischen Entwurf erhöhte zwar die konstruktiven Anforderungen, doch das Ergebnis zeigt eindrücklich: Erst durch die Synthese von Raum, Tragwerk, Material und Konstruktion konnte ein ruhiges, starkes und in sich stimmiges Ganzes entstehen, das in der unterkühlten Umgebung der Plaça d’Europa neben seinen dominanten Nachbarn zu bestehen vermag.
Weitere technische Informationen zum Verwaltungsgebäude Layetana finden Sie in steeldoc 2/2017, www.szs.ch/steeldoc
Am Bau Beteiligte
Architektur
RCR Aranda Pigem Vilalta Arquitectes, Olot (ES)
Tragwerksplanung
Blázquez Guanter SLP, Girona (ES)
Geschlossen? Offen? Anders!
RCR Arquitectes errichteten das Verwaltungsgebäude Layetana im Stadtgebiet L’Hospitalet de Llobregat von Barcelona in enger Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern Blázquez Guanter aus Girona. Den Auftrag hatte die Immobilienfirma Layetana erteilt, als sie noch vom Immobilienboom berauscht war. Kurz nach Fertigstellung des Gebäudes entschloss sie sich zum Verkauf. Betroffen von der Krise war mehr oder weniger das gesamte vor den Toren des Flughafens gelegene südliche Erweiterungsgebiet, das zu einem Business Center hätte entwickelt werden sollen.
Der Masterplan für das Areal stammt von Albert Viaplana, der sich zuvor mit Renovationen in der Altstadt von Barcelona hervorgetan hatte. Er gab als Konzept vor, um die Plaça d’Europa herum in konzentrischen Kurven und drei abfallenden Höhenstufen zu bauen. Das Ergebnis ist ein Potpourri unterschiedlicher Gebäudetypen (vgl. Situationsplan).
Unter den Architekten sind die Pritzker-Preisträger Rafael Moneo mit einem Büroturm für die Firma Puig und Toyo Ito mit den Gebäuden auf dem neuen Messegelände Fira 2. Während Moneo den Entwurf von Freiraum, Fassade und Innenraum harmonisch zusammenführte, konzipierte Ito zwei gleich hohe, aber formal völlig verschiedene Messetürme, die im Erdgeschoss durch ein Atrium mit wellenförmigem Grundriss verbunden sind. Gegen diese Hochhäuser fallen die übrigen Gebäude durch mehr oder weniger spektakuläre Vorhangfassaden auf, hinter denen sich meist konventionelle Bürogrundrisse verbergen.
Das Bürogebäude von RCR gehört zu den rühmlichen Ausnahmen. Angesichts des einschränkenden Masterplans beschäftigten sich RCR vornehmlich mit der Konzeption einer Struktur, die eine Verschmelzung von innen und aussen, offen und geschlossen, Innovation und Tradition ermöglicht. Auf den ersten Blick wirkt das 75 m lange, 18 m breite und 25 m hohe Bürogebäude abweisend wie eine mittelalterliche Trutzburg, doch bei näherer Betrachtung relativiert sich dieser Eindruck.
Struktur schafft Transparenz
Die dem Platz zugewandte, abgestufte Fassade ist mit mächtigen, schwertförmigen Stahlstützen gestaltet, die jeweils zwei Geschosse zusammenfassen. Das Material stammt von verschrotteten Schiffen. Dahinter gibt es eine durchgehende Glasfront, die im Innenraum einen Eindruck von Offenheit vermitteln soll; von innen gesehen treten die Stahlstützen als eingeschossige «brises-soleil» in Erscheinung. Hinter den Stahlstützen der abgestuften Fassade ist das Erdgeschoss eingeschnitten, sodass ein Arkadengang entsteht, der sich an der Plaça d’Europa verbreitert und als öffentliche Passage zu Eingangsbereich und Foyer führt.
Zwei zwischen den Stahlträgern eingeschnittene, schmale Lichthöfe ermöglichen den Menschen im Gebäude einen weiteren Aussenkontakt. Diese Lichtschneisen sind inspiriert von Antonio Bonets Edificio Mediterraneo von 1966 am Carrer Consell de Cent in Barcelona: Abweichend von der traditionellen katalanischen Patiostruktur entwarf Bonet zwei parallele Scheiben, die durch gemeinsame Erschliessungsbereiche verbunden, aber ansonsten durch einen Luftraum voneinander getrennt sind. An diese neuartigen Ventilationszonen dachten RCR Arquitectes, wenngleich sie die Schneisen nun quer durch den Baukörper legten.
(Klaus Englert)