Kul­tur­raum mit Cha­rak­ter

Das kleine Städtchen Murten ist mit seiner historischen Kernstadt samt Ringmauer und Türmen ein beliebtes Ausflugsziel. Ein nun geplantes Kulturzentrum verleiht der durchmischt bebauten ­Vorstadt ein markantes Gesicht. Mit adäquater Nutzung kann es zu einem überregional ausstrahlenden Treffpunkt werden.

Publikationsdatum
04-05-2023

«Neubau Kultur- und Sporthalle» Bernstrasse 9, Murten; Studienauftrag für Generalplanerteams im selektiven Verfahren

An der Bernstrasse 9, nordöstlich des Zentrums von Murten, war die regionale Feuerwehr stationiert, bevor sie Ende 2019 in ein neu erstelltes Zentrum (Tioleyres) umgezogen ist. Im Sommer 2020 informierte der Eigentümer des Hotels Murten zudem über die bevorstehende Schliessung seines Saals, bisher ein wichtiger Ort für allerlei Anlässe im Städtli.

Damit entfällt in Murten eine angemessene Lokalität für Veranstaltungen. Was in der Kernstadt kaum mehr möglich sein dürfte, kann in der Vorstadt zum Gewinn werden. Denn die dort vorherrschende durchmischte Baukultur kann gut einen klaren Akzent und Mittelpunkt vertragen.

Eine Machbarkeitsstudie zeigte auf, was sich am Ort des bisherigen Feuerwehrzentrums realisieren liesse: «Umbau mit Anbau», «Neubau Minimal» und «Neubau Optimal» hiessen die drei Möglichkeiten.

Die Projektkonzeption «Neu­bau Optimal» sah vor, die bestehenden Liegenschaften der Bern­stras­se 9 (Feuerwehrgebäude und angebaute Turnhalle) durch eine «Kultur- und Sporthalle» zu ersetzen: eine Dreifachturnhalle und einen Mehrzwecksaal. Vorgespräche zeigten klar auf, dass eine Kombi­na­tion von Sporthalle und Saal erwünscht war. Sicher, eine solche Kombination kostet mehr, aber ein gut durchdachtes Projekt dürfte zu einem Mehrwert führen, so zeigten sich auch die Gemeindebehörden überzeugt.

Zügiger Entscheid

Von 41 Bewerbungen prä­qua­li­fi­zier­te das Beurteilungsgremium fünf für den Studienauftrag. Mitte Juni 2022 ging das Programm an diese ausgewählten Planungsbüros, am 20. Juni fand ein Startkolloquium zur Aufgabe, den Rahmenbedingungen und der Erwartungshaltung seitens Auftraggeber statt. Um der Jury einen möglichst optimalen Ablauf der Zwischenbesprechung zu garantieren, waren die zum groben Verständnis des Gesamtkonzepts notwendigen Unterlagen vorgängig einzureichen. Die Besprechung mit den einzelnen Büros Ende August erlaubte es der Jury, die Potenziale und Risiken der Herangehensweisen und Entwurfsansätze grob zu beurteilen, Richtungsentscheide zu fällen und sowohl allgemeinverbind­liche als auch individuelle Empfehlungen für jedes Team zur Weiterbearbeitung zu formulieren.

Eine formale und materielle Vorprüfung durch die Jury ergab, dass in den Projekten keine gravierenden Verstösse zu verzeichnen sind. Alle Projekte wurden daher zur Beurteilung zugelassen und nach ausgiebigen Diskussionen erneut einer vertieften Begutachtung unterzogen, wobei die jeweiligen Vor- und Nachteile im Quervergleich erörtert wurden.

Laut dem Bericht der Jury gab es fünf Hauptkriterien für die Wahl des Siegers: die Gestaltung, die Funktionalität, die Kosten, den Umgang mit rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Ökologie und Nachhaltigkeit.

Aus einem abschliessenden Vergleich und einer gesamtheitlichen Beurteilung der zentralen Qualitäten und Potenziale resultierte einstimmig der Beschluss, die Projektstudie des Teams von Thomas de Geeter Architektur zur Weiter­bearbeitung auszuwählen.

Ein selbstbewusster Auftritt

Dieser Projektvorschlag ergänzt die ortsbildprägende Präsenz des Schulhauses Berntor um eine Kulturin­sti­tu­tion mit einem selbstbewussten Auftritt an der Bernstrasse. Die grosszügige und für den Schul­betrieb zentrale Parkanlage Enge­matte wird dank der unterirdisch geplanten Sporthalle (49 m × 28 m) erhalten und neu geordnet. Für das Schulareal verbleibt so ein gut nutzbarer Aussenraum, der einzig durch ein Oblichtband durchbrochen ist. Eine hohe Arkade akzen­tuiert den Eingang des neuen Kultur- und Sportzentrums. Zusammen mit dem grosszügigen Vorplatz zur Bern­stras­se hin entsteht ein einladender öffentlicher Ankunftsort.

An der gegenüberliegenden Stirnseite des langgestreckten Baukörpers, direkt an der Engematte, findet sich der überdachte Eingangsbereich zur Sporthalle. Dies schafft eine optimale Verbindung zur ­Schule. Beide Nutzungen verfügen so über einen angemessenen, klar definierten Zugangsbereich. Die einzelnen Nutzungen sind damit auf eine selbstverständliche Weise entflochten und die gemeinsamen Synergien gegeben. Das Projekt vereint eine Vielzahl von Nutzungen unter einem grosszügigen Dach.

Ein Dach wie eine grosse Hutkrempe

Das an den Stirnfassaden weit auskragende Vordach ruht auf sechs hohen Holzstützen, bildet einen einladenden Vorplatz und setzt sich so unübersehbar in Szene. Für das Konstruktionsholz dieser Kombination von Rahmen- und Ständerbauweise ist gemäss den Architekten Fichte und Tanne vorgesehen, Esche oder Buche seien jedoch nicht ausgeschlossen. Rückseitig zur Schule orientiert, liegen unter dem Vordach ein grosser Balkon und der Zugang zur Sporthalle. Stabilisiert ist die Holzkonstruktion über die vier betonierten Kerne in den Gebäudeecken, die Fluchttreppen und Aufzüge enthalten. Eine seitliche Zufahrt erschliesst Parkhaus und Anlieferung. Die Besuchenden werden im Innern des Baukomplexes durch geschickt angeordnete Raumfolgen und Belichtungen zu den jeweiligen Nutzungen geführt.

Markante Akustik-Verkleidungen aus Holz werden den Kultursaal im Innern prägen, die Sporthalle weist als unterirdisches Gebäude hauptsächlich mineralische Oberflächen auf. Das Kulturgebäude hingegen wird ab der Decke über dem ersten Obergeschoss in Holz konstruiert. Unterschiedliche vertikale Verkleidungen aus Holz mit Oberflächenbehandlung bilden an der Fassade einen leichten Vorhang.

Das allseitig auskragende Vordach formt sozusagen eine Hutkrempe, die der Fassade als Witterungsschutz dient. Vor allem aber entsteht so ein markantes Bild, das von weit her optisch ins Auge fällt und den Ort als speziell kennzeichnet. Das Gebäude im durchmischt bebauten Quartier der Vorstadt signalisiert mit diesen unübersehbaren Attributen und seinem selbstbewussten Auftritt als Gesamtform klar seinen Charakter als öffentlicher Ort für besondere Anlässe.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 14/2023 «Nachbarn über Kontinente».

-> Jurybericht auf competitions.espazium.ch.

Auszeichnungen

Empfehlung zur Weiterbearbeitung
Thomas De Geeter Architektur, Zürich

Weitere präqualifizierte Arbeiten
ARGE Leismann Winkelmann, Bern;
ARGE Skop und Bauleitung, Zürich;
wbarchitekten, Bern;
PENZISBETTINI. Architekten, Zürich (Wildcard)

FachJury

Ursula Stücheli, dipl. Arch., Zürich (Vorsitz); Heinz Brügger, dipl. Arch., Thun; Mattias Boegli, dipl. Arch., Fribourg (Ersatz); Simone Hänggi, Landschafts­architektin, Bern

SachJury

Andreas Aebersold, Ressortvorsteher Finanzen Gemeinde Murten; Carlo Colopi, Ressortvorsteher Landwirtschaft, Liegenschaften, Ver- und Entsorgung, Gemeinde Murten; Rudolf Herren, Ressortvorsteher Tourismus, Wirtschaft, Kultur und Sport, Gemeinde Murten (Ersatz)

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