Lang­zeit und End­la­ger

Radioaktive Abfälle müssen isoliert und sicher entsorgt werden. Nebst der Standortfrage gilt es, Sicherheitskonzepte für zukünftige Generationen zu entwickeln. Welche Erfahrungen haben wir im Umgang mit Langzeitperspektiven? Wie kann ein Tiefenlager über tausende von Generationen gekennzeichnet werden? Eine Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen geht diesen Fragen nach.

Publikationsdatum
06-02-2014
Revision
01-09-2015

Die Ausstellung wirft zu Beginn einen Blick zurück: Zwischen der Entdeckung der Radioaktivität und der ersten Atombombe liegen nicht einmal 50 Jahre. Was als wertfreie Grundlagenforschung begonnen hat, endet in einer Bedrohung für die ganze Welt. Neben der ersten Kernexplosion wird in der Ausstellung seine Bedeutung zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und die Euphorie in der Nachkriegszeit erläutert. 

Das Atom-Zeitalter wird in der Ausstellung unter anderem mit Fernsehdokumenten erläutert. Auf die Bomben folgte die friedliche Nutzung der Kernenergie und die Euphorie, mit kleinsten Mengen an Materie grosse Mengen an Energie zu erzeugen. Inmitten des technologischen Aufbruchs gab es aber stets auch warnende Stimmen. Gegen das AKW Kaiseraugst regte sich so breiter Bürgerprotest, dass das Projekt schliesslich abgebrochen werden musste. Eine Plakatwand lässt diese bewegte Zeit aufleben. 

Mehrere grosse Störfälle haben Anfang der 1970er-Jahre die breite Öffentlichkeit aufgeschreckt. Wer in der Ausstellung die ersten fünf Tage der Fukushima-Katastrophe Revue passieren lässt, erlebt von neuem, wie die Technik aus dem Ruder gelaufen ist.

Was nun

Nun gilt die sichere Entsorgung der atomaren Abfälle, auch aus der Medizin und Industrie. Der Sachplan dazu rechnet mit einer Realisierung innerhalb der nächsten 50 Jahre und der Übergabe der Verantwortung von den Betreibern an den Staat in weiteren hundert Jahren. Danach tritt das Projekt in die Beobachtungsphase. Die Ausstellung konfrontiert die 150 Jahre dieses Planungshorizonts mit einem Erfahrungshorizont ähnlicher Länge. Eine Zeitschriften-Wand und Sammlungsobjekte zeigen, welchen politischen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen die Welt in den letzten 150 Jahren ausgesetzt war.

Die Sicherheit eines Lagers für schwach- und mittelaktive Abfälle muss für 100.000 Jahre gewährleistet werden, für hochaktive über einen Zeitraum von 1 Million Jahre – Dimensionen, die die menschliche Vorstellungskraft übersteigen. Die Ausstellung versucht, die Zeiträume, in denen sich die Entsorgungsplanung bewegt, erlebbar zu machen, indem dem Planungshorizont zur Entsorgung radioaktiver Abfälle ein historischer Erfahrungshorizont gegenüber gestellt. 

Worin die Abfälle gelagert werden könnten, zeigen Beispiele aus der Natur. Natürliche Stoffe wie vulkanische Gläser, in der Natur vorkommende Erze oder Tongesteine haben ihre Beständigkeit über sehr lange Zeit bereits unter Beweis gestellt. Praktische Erfahrungen mit neueren Materialien hingegen fehlen. Diese Langzeiterfahrung nützt bei der Planung der natürlichen und künstlichen Barrieren, mit denen der Austritt radioaktiver Stubstanzen verhindert werden soll. 

Auch für künftige Generationen muss ein Endlager gekennzeichnet sein. Der letzte Teil der Ausstellung widmet sich der Atomsemiotik. Der Begriff wurde in den 1980er Jahren geprägt, als Forscher sich der Frage zuwandten, welche Zeichensysteme und Ausdrucksmittel überhaupt geeignet sind für die langfristige Überlieferung solcher Warnungen. Einige der teilweise bizarr anmutenden Vorschläge sind in der Ausstellung inszeniert – darunter Atomkatzen, Atomblumen oder eine Atompriesterschaft.

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