Low- oder Hightech?
Laborgebäude RO 1033, Basel; Gesamtleistungswettbewerb im selektiven Verfahren
Auf dem ehemaligen Industrieareal «Rosental Mitte» in Basel entsteht ein neues gemischtes Stadtquartier. Nach der Öffnung des Areals folgt der erste Um- und Anbau des Laborgebäudes RO 1033. Im Gesamtleistungswettbewerb überzeugt das Projekt «Helix» durch den flexiblen Innenaufbau.
Heute ist das älteste Basler Chemieareal «Rosental Mitte» noch ein hermetisch abgeschlossenes Gebiet. In den nächsten Jahrzehnten soll es sukzessive geöffnet, verdichtet und in das bestehende Quartier integriert werden. Herzog & de Meuron erarbeiteten dafür ein städtebauliches Leitbild, das der Kanton Basel-Stadt letztes Jahr vorstellte. Es zeigt auf, wo das Areal verdichtet wird, wo neuer Wohnraum entstehen kann und welche bestehenden Bauten sich für zeitgemässe Arbeitsplätze umnutzen lassen. Noch in diesem Jahr werden die ersten Strassen innerhalb des Quartiers miteinander verbunden; bis 2023 soll der Teil des Gebiets an der Ecke Rosental- und Sandgrubenstrasse öffentlich zugänglich sein. Damit erhalten drei Laborgebäude eine neue Adresse und ein neues Gesicht. Das erste Pilotprojekt ist der siebengeschossige Bau RO 1033. Das 1952 erbaute Laborgebäude steht derzeit leer und kann somit kurzfristig für neue zukunftsträchtige Arbeitsplätze aus dem Bereich Forschung und Entwicklung umgebaut werden.
Um für den Um- und Anbau des Laborgebäudes eine hohe architektonische und städtebauliche Qualität zu gewährleisten und die Erstellungs-, Unterhalts- und Betriebskosten möglichst gering zu halten, schrieb Immobilien Basel-Stadt als Eigentümervertreterin des Kantons einen anonymen Gesamtleistungswettbewerb im selektiven Verfahren gemäss Ordnung SIA 142 aus. Aus den acht Bewerbungen wurden fünf Totalunternehmerteams zum Wettbewerb eingeladen. Das Team Losinger Marazzi, Baumschlager Eberle Architekten mit Jobst Willers Engineering (Gebäudetechnik) und Evomed (Pharmaplanung) gewann mit seinem Projekt «Helix».
Hightech inside
Der Entwurf zeichnet sich durch eine effiziente und flexible Organisation der Innenräume aus. Dafür muss das Gebäude bis auf die Primärstruktur rückgebaut und nachhaltig ertüchtigt werden. Alle Erschliessungskerne bleiben erhalten und werden mit zusätzlichen Liften und Steigzonen ergänzt. Damit kann das Gebäude ressourcenschonend weitergenutzt und im Innern flexibel ausgebaut werden. Ausserdem liesse es sich im späteren Planungsprozess an veränderte Nutzeranforderungen anpassen.
Flexibilität steht auf allen Ebenen des Gebäudes im Vordergrund. So sollen die Öffnungen in Decken und Fassaden so dimensioniert werden, dass die grossvolumigen Apparaturen wie zum Beispiel Monoblöcke und Transformatoren, aber auch Labor- und Produktionsapparaturen Platz finden. Durch den direkten Zugang von aussen und über den Laborlift können die zerlegbaren Komponenten auch im laufenden Betrieb gegebenenfalls ausgetauscht und auf den jeweiligen Etagen platziert werden.
Modulare Reinraumwandsysteme zwischen den einzelnen Produktionseinheiten können versetzt und die Möblierungen und Ausstattungen der Labore neu gruppiert werden. Der geschossweise Wechsel von reinen Produktionsflächen und Etagen für die Gebäudetechnik erhöht die Flexibilität zusätzlich. Dies reduziert den Installations- und Wartungsaufwand auf ein Minimum.
Für den Erstausbau sollen je vier GMP-Reinräume1 im Erdgeschoss und im 2. Obergeschoss platziert werden. Im 4. und 5. Obergeschoss befinden sich die Labore für Qualitätskontrolle, Analytik und Prozessentwicklung. Hier bemängelt die Jury die langen Korridore, die nur suboptimal zu belichten seien. Auch der Abstand der Labortische sei zu gross.
Im Dachgeschoss bietet eine Terrasse attraktive Pausen- oder Arbeitsplätze im Freien an, direkt neben den Büro- und Sitzungsräumen. Im Untergeschoss liegen neben dem Lager und dem Empfang Bereiche für Konfektionierung und für GMP und Nicht-GMP. Im 2. Untergeschoss sowie im 1. und 3. Obergeschoss werden ausreichend Technikflächen angeboten. Insgesamt ermöglicht diese Einteilung und Anordnung effiziente Betriebsabläufe. Gelobt wird auch der Dachgarten auf dem zweigeschossigen Anbau im strassenabgewandten Teil der Parzelle, der einen aussergewöhnlichen Aufenthaltsort anbietet.
Lowtech outside
Die Sandgrubenstrasse ist einer der beiden Haupterschliessungsachsen im Areal. Hier öffnet sich die Ecke des Gebäudesockels und schafft einen repräsentativen Hauptzugang ins Gebäude. Durch die offene und helle Lobby gelangt man zum Empfang; daneben führt eine ovale Treppe ins Hochparterre. Von der Zonierung dieses Raums und dem Konzept des angrenzenden Sitzungsraums ist die Jury nicht überzeugt und empfiehlt, sie zu überdenken. Zur reibungslosen Ver- und Entsorgung des Gebäudes trägt der rückwärtige Erschliessungshof bei. Damit sind die Vorgaben eines effizienten und voneinander getrennten Waren- und Personenflusses erfüllt.
Während die Gebäudehülle der anderen Wettbewerbsbeiträge einem klassischen Raster folgt, der vor allem das Innenleben abbildet, wird das Wärmeverbundsystem des Entwurfs «Helix» von einer Schuppenstruktur verhüllt. Die markante Struktur aus industriell gefertigten Aluminiumprofilen mit fix montiertem Brise-Soleil schützt die Innenräume vor Sonne und Witterung. Die wellenförmige Bewegung der vertikalen Elemente verleiht dem Gebäude ein prägnantes Äusseres, das eine Helixform nachahmt. Um sich besser ins Gesamtbild des Strassenzugs einfügen zu können, wünschen sich die Bauherrschaft und die Mieterin mehr Zurückhaltung in der Gestaltung der Fassade. Deshalb soll sie entweder weiterentwickelt oder komplett neu entworfen werden.
Grundsätzlich bindet sich das Projekt gut in die städtebauliche Gesamtsituation ein und erfüllt die betrieblichen Anforderungen; die Kosten sind im Vergleich zu anderen Wettbewerbsprojekten plausibel dargestellt und das Angebot detailliert ausgearbeitet. Das Gebäudetechnikkonzept mit der Medienversorgung erfüllt die Anforderungen. Die Architektur des Projekts überzeugt durch eine klare und starke Haltung in Erscheinung und Struktur.
Aktuell wird das Projekt gemäss den Empfehlungen der Jury überarbeitet. Danach kann der Vertrag mit dem Totalunternehmer unterzeichnet werden. Ziel ist, den Platz für Technikflächen nicht zu vergrössern.
Zuerst werden Eingangsbereich und vertikale Erschliessung von RO 1033 und dem Nachbargebäude getrennt, ebenso die Energie- und Stromversorgung, die Fernwärme, das Wasser und Abwasser. Damit sind die Gebäude autonom nutzbar. Der Mieterausbau für RO 1033 wird von der zukünftigen Mieterin vorgegeben. Der Bezug des schlüsselfertigen Gebäudes ist 2024 geplant.
Anmerkung
1 Good Manufacturing Practice (GMP) steht für die Gute Herstellungspraxis für Arzneimittel.
Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch
Auszeichnungen
1. Rang / 1. Preis: «Helix»
Losinger Marazzi, Basel; Baumschlager Eberle Architekten, Zürich; Evomed, Dübendorf; Jobst Willers Engineering, Rheinfelden; JägerPartner, Zürich; A. Aegeter & Dr. O. Bossardt, Basel; Lemon Consult, Zürich; BSW Security, Birsfelden; Nightnurse Images, Zürich; Hauser Schwarz, Basel
2. Rang / 2. Preis: «Dialoc»
Halter, Münchenstein; fsp Architekten, Spreitenbach; Pharmaplan, Basel; HKG Engineering, Schlieren; Synaxis, Zürich; 4 Management 2 Security, Zürich; Gartenmann Engineering, Basel
3. Rang / 3. Preis: «Rheinraum»
HRS Renovation, Zürich; Itten + Brechbühl, Basel; ARO Plan, Oberägeri; Amstein + Walthert, Basel; Ribi + Blum, Zürich; A + F Brandschutz, Pratteln; Kopitsis Bauphysik, Wohlen
4. Rang / 4. Preis: «lift_it_up»
Steiner, Basel; Wörner Traxler Richter Planungsgesellschaft, Basel; BakerHicks, Basel; CB Consultancy, Winterthur; Gruner, Basel; Aqiptech, Aesch; Siplan, Bern; Jauslin Stebler, Muttenz
5. Rang / 5. Preis: «Standort»
Erne Holding, Laufenburg; ARGE Koppenhöfer Partner und Wirth + Wirth, Basel; DPS Engineering, Zug; ZFP Ingenieure, Basel; Daniel Eggenberger Brandschutz, Basel; Gartenmann Engineering, Basel; Erne Holzbau, Laufenburg
FachJury
Thomas Blanckarts (Vorsitz), S & A-H Basel-Stadt, Leiter; Marie Theres Caratsch, Architektin, Zürich; Daniel Wentzlaff, Architekt, Basel; Gerd Voith, Savida, Basel; Willy Nützi (Ersatz), S & A-H Basel-Stadt, Leiter PM II
SachJury
Jonathan Koellreuter, Immobilien Basel-Stadt, Leiter Entwicklung; Konstantin Matentzoglu, Celonic, CEO; Sönke Brunswieck, Celonic, VP Cell & Gene Therapy; Rudolf Koechlin (Ersatz), Immobilien Basel-Stadt, PL Entwicklung