Phil­ip­pe Jo­r­isch ist neu­er BGA-Prä­si­dent

Seit Anfang Dezember 2021 ist der Architekt Philippe Jorisch der neue Präsident der SIA-Berufsgruppe Architektur (BGA). Wer ist der Mann hinter diesem Namen?

Publikationsdatum
26-01-2022

Sei es der Corona-Situation geschuldet oder der beginnenden Vorweihnachtszeit: Fast schon unbemerkt hat der neue Präsident der SIA-Berufsgruppe Architektur, Philippe Jorisch, Architekt Msc ETH, Anfang Dezember 2021 sein Amt übernommen. Wer verbirgt sich hinter diesem Amt, wie tickt er und vor allem: Was ist seine Motivation, diese Aufgabe zu übernehmen?

Gründungsmitglied von JOM Architekten

Sein Lebenslauf beeindruckt: Jorisch ist 1985 in Zürich geboren und aufgewachsen. Nach mehreren Auslandsaufenthalten in den USA hat er von 2005 bis 2011 Architektur an der ETH Zürich studiert. Hilfsassistenz im Entwurfsunterricht und Redakteur trans Magazin – das Fachmagazin des Architekturdepartements der ETH Zürich; ein Austauschsemester an der TU Delft, Niederlande, Konferenzen und Summer-Schools in Mexiko und Brasilien, und schliesslich das Master-Diplom Architektur & Städtebau bei Prof. Dr. Marc Angélil sind weitere Meilensteine seiner Studienzeit.

2014 hat er mit seinen beiden Partnern, Stefan Oeschger und Michael Metzger, den Traum vom eigenen Planungsbüro mit JOM Architekten verwirklicht. Dort verantwortet er die Gesamtleitung diverser Bauprojekte, Planungen und Wettbewerbe und das Ressort «Kommunikation». Damit nicht genug: Er ist ebenfalls Gründungsmitglied der Mini-Baugenossenschaft, Mitglied des Schweizerischen Snowboard Schulungsverbands, Mitglied im Rotary Club Zürich au Lac und Mitglied der Grünliberalen Partei Sektion Zürich. Er ist Vater von Zwillingen – und spätestens hier fragt man sich: «Wie macht der Mann das bloss?» – und spricht fünf Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Niederländisch und Portugiesisch.

Etwas Positives bewirken

Auf dem Portrait im Lebenslauf lächelt ein junger Mann in einem legeren blauen Sakko gelöst in die Kamera. Er erinnert ein wenig an den jungen Mike Hucknall, den Lead-Sänger von Simply Red. So viel zu den harten Facts und Figures. Es wird höchste Zeit, der noch schwer fassbaren Figur hinter dem Lebenslauf mit einem Telefongespräch Leben einzuhauchen. Die Stimme am anderen Ende des Drahts wirkt jugendlich – was nicht überrascht – frisch und ja, auch ein wenig verhalten. Doch das wird sich im Verlauf des Gesprächs ändern. Auf die Frage, was die Motivation für ihn gewesen sei, BGA-Präsident zu werden, antwortet er: «Nach fast neun Jahren Selbstständigkeit habe ich gemerkt, dass ich nur mit der praktischen Tätigkeit im Büro übergeordnete Fragen der Architektur weniger behandeln kann. Wenn ich das will, muss ich mich in einem gewissen Rahmen politisch einbringen.» Später wird sich im Gespräch noch herausstellen, dass er für das Amt angefragt worden ist. Es sei für ihn eine Möglichkeit, um etwas Positives bewirken zu können. BGA-Präsident zu werden, sei aber nicht ein Plan gewesen, den er gehabt hätte.

Sich engagieren. Leute mit auf den Weg nehmen. Begeistern.

Philippe Jorischs Agenda respektive das, was er als BGA-Präsident bewegen will, ist nahezu deckungsgleich mit den Themen, die auch den SIA beschäftigen: Klima, digitale Transformation und die LHOs. Gerade das Thema Klima – oder in anderen Worten die Netto-Null-Ziele, die der Bund gesetzt hat – begreift er als Chance für die Baukultur. Er ist davon überzeugt, dass der Entwurf und das Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen wieder viel wichtiger werden. Wegkommen vom Silo-Denken, damit die Planung vernetzter wird, zu lernen, viel enger und früher zusammenzuarbeiten; das ist sein Ansatz. Mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit auf einer transdisziplinären Ebene zu beantworten. «Dafür brenne ich, die Leute im Rahmen dieses Amts mit auf den Weg zu nehmen und zu begeistern.» Sich engagieren. Leute mit auf den Weg nehmen. Begeistern. Das sind Satzfragmente, die immer wieder in diesem Gespräch auftauchen.

Jorisch beschäftigt sich offenbar intensiv mit diesen Themen, die nicht nur die Planungsbranche betreffen, sondern auch gesellschaftspolitisch eine grosse Bedeutung haben. Er will etwas bewegen und auch wenn es platt klingt: etwas für die Gesellschaft tun. Ein starkes Erlebnis und ein Aufwachmoment sei der 6. Januar 2021 für ihn gewesen, als der Sturm aufs Capitol in Washington stattgefunden hat. Da habe er gemerkt, wie fragil die Demokratie sei. Dass diese Errungenschaft nicht selbstverständlich sei und dass sie nur aufrechterhalten werden könne, wenn sich Leute engagierten. Und doch wirkt er dabei nicht verklärt, er ist sich seiner Rolle sehr bewusst, wenn er sagt: «Letztendlich bin ich Repräsentant aller Architektinnen und Architekten in der Schweiz. Ich muss auch deren Agenda vertreten. Deshalb bin ich nicht in der Position, dass ich nur meine private Agenda durchdrücken kann, sondern ich repräsentiere einen Viertel der SIA-Delegierten.»

Fachexperte für Virtual Design & Construction

Philippe Jorisch ist ausserdem noch Fachexperte an der Fachhochschule Nordwestschweiz im Modul Nachhaltigkeit, am Master-Lehrgang Virtual Design and Construction – das erwähnt er im Gespräch fast schon beiläufig. Die Digitalisierung sieht er nüchtern als neues Werkzeug. Und neue Werkzeuge seien nur so gut, wie diejenige oder derjenige, der sie bediene. «Wenn wir früher mit dem Hammer gearbeitet haben, ist die Digitalisierung jetzt die Nagelpistole – man kann also mehr und schneller.»

Er glaubt, dass sich die Euphorie, dass man mit der Digitalisierung alles machen kann, mittlerweile etwas gelegt hat. Jetzt gelte es herauszufinden, welche Tools in welcher Phase auf welcher Ebene Sinn machten. Von diesem Schritt verspreche er sich schon sehr viel. Zudem ist er der Meinung, dass die Digitalisierung den Planenden helfen kann, beispielsweise die Nachhaltigkeit in Zahlen zu fassen. Er ist aber auch davon überzeugt, dass sie die kreative Phase und geistige Arbeit der Planenden nicht ersetzt.

Eine erste Bilanz Anfang März

Wie weiter Philippe Jorisch? Er wisse, dass so ein Amt auch mit bestehenden Strukturen zu tun hätten und die müsse er zuerst einmal verstehen und seine Rolle darin ebenfalls. Offenbar geht es ihm wie vielen, die sich zum ersten Mal in diesem komplexen SIA-Universum mit seinen Berufsgruppen, Sektionen, Fachvereinen und über 200 Fach- und Normenkommissionen zurechtfinden müssen – zuerst geht es um eine Orientierung und um das Verstehen. Mittlerweile sei er aber bereits mitten in den politischen Prozessen involviert, beispielsweise zur anstehenden Verabschiedung der für Architektinnen und Architekten wichtigen Norm SIA 144.

«Mein Ziel ist mit allen Sprachregionen Kontakt zu haben, sich zu treffen und mich mit den Präsidenten der anderen Berufsgruppen auszutauschen. Das wird voraussichtlich an der KSB am 3. und 4. März passieren.» Er hat sich vorgenommen, nach den ersten hundert Tagen im Amt – am 11. März 2022 zurückzublicken und eine Bilanz zu ziehen.

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