«Ro­bo­ter eig­nen sich für je­de Ent­wurfs­pha­se»

Im Labor Robot House der privaten Architekturschule SCI-Arc in Los Angeles ist die Forschung auf Bewegungsabläufe von Robotern fokussiert. Die zeitliche Abfolge der Bewegungen und ihre Koordination werden in Computerprogrammen festgehalten. Damit können sie nach Belieben verändert und gestaltet werden. Die Leiter des Labors sind überzeugt, dass dies neue Möglichkeiten für den architektonischen Entwurf eröffnen wird.

Publikationsdatum
02-04-2013
Revision
25-10-2015

TEC21: Was ist das Besondere am Roboterlabor des SCI-Arc 
Brandon Kruysman (B.K.): Mit diesem Labor hat die Schule ein grosses Risiko auf sich genommen. Dass es in nur einem Jahr aufgebaut wurde, ist erstaunlich. Aber die Hersteller von Robotern haben grosses Interesse daran, dass Architekten ihre Maschinen testen und auseinandernehmen. Unsere Studierenden wollen Regeln brechen und etwas machen, was niemand zuvor gemacht hat. Unser Ansatz ist sehr vage und undefiniert. Während andere Schulen einen wissenschaftlichen Ansatz pflegen, geht SCI-Arc von einem entwerferischen Standpunkt aus. 
Jonathan Proto (J.P.): Wir haben keinen äusseren Druck, uns auf irgendetwas festzulegen. Dank dieser Offenheit entwickelt sich das Labor rasant und in ganz verschiedene Richtungen. Nicht viele andere Institutionen können da mithalten.  

TEC21: Worauf bezieht sich Ihr entwerferischer Ansatz konkret 
B.K.: Ich war ursprünglich Programmierer, Jonathan Proto kommt von der digitalen Fabrikation her. Früher haben wir in einem Architekturbüro gearbeitet, das in der digitalen Fabrikation tätig war. Dort sahen wir grosse Probleme bei der Übersetzung der Information zwischen dem digitalen Modell und dem gebauten Projekt. Wir haben daher begonnen, die dreiachsige CNC-Maschine zu hacken und unsere eigenen Maschinen zu bauen. Am SCI-Arc merkten wir, dass es jenseits des reinen Herstellungsprozesses viel interessantere Fragen gibt: Wie kann sich der Entwerfer in den Herstellungsprozess einbringen, um mehr Kontrolle über die Produktion zu erlangen und neue Anwendungsmöglichkeiten zu bekommen? Bevor wir zu SCI-Arc kamen, war unsere Erforschung der Fabrikation auf das Material fokussiert; heute geht es uns auch um den zeitlichen Ablauf, die Koordination und die Choreografie der Maschinen. 

TEC21: Wie werden die Roboter eingesetzt 
J.P.: Wir arbeiten mit einem mittelgrossen Sechs-Achsen-Industrieroboter. Die Achsen haben ihre eigenen Verbindungspunkte, Ladegewichte und Reichweiten. Das Besondere an den Armen von industriellen Robotern ist, dass sie eine grössere Reichweite besitzen, wenn sie sich näher an ihren sphärischen Amplituden bewegen – im Gegensatz zu herstellungstechnisch orientierten Armen, die eher frontal ausgerichtet sind, um Objekte aufzusammeln. Sie haben eine grössere Fingerfertigkeit, und es sind pneumatische und elektrische Leitungen darin integriert, die eine einfache Einbindung von Werkzeugen ermöglichen. Die Roboter können in jede Phase des Entwurfs einbezogen werden: als Entwurfs-, Produktions- oder Analysewerkzeug. In der praktischen Umsetzung sehen wir die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Roboters – von experimentellen 3-D-Ausdrucken über lang belichtete Zeichnungen bis hin zu hoch präzisen Filmkameraarbeiten.

TEC21: Wie erfolgt die Koordination zwischen den Maschinen 
B.K.: Wir haben eine Plattform entwickelt, die nun am Robot House untersucht wird und dazu dient, die Kontrollprogramme verschiedener Roboter abzugleichen. Wie vier oder fünf Roboter zusammenarbeiten, kann man in den meisten Computerprogrammen nicht visuell darstellen. Unser Kontrollmodell stammt ursprünglich aus dem Bereich der Animation; es dient als Grundlage für die Visualisierung der Bewegungen und der Choreografie der Maschinen. Die Software, die wir entwickelt haben, hat zwei wichtige Bestandteile. Das Programm «Experant.O» übersetzt Figurenanimation in tatsächliche Bewegung unter Anwendung von «Maya», einer Animations- und Computersimulationssoftware (Screenshot). Als Zweites kreierten wir «Charla», um die Kommunikation der Roboter untereinander – sie senden Signale im Ethernet – in den Griff zu bekommen. Es geht darum, eine Abfolge von Bewegungen zu entwerfen, was eine unübliche Art und Weise ist, diese Maschinen zu steuern. Momentan entwickeln wir ein iPad-Interface, das als Steuerungsmechanismus für die ganze Anlage dienen soll. 

TEC21: Warum denken Sie, dass dieses Kontrollmodell neue Arten der Fertigung erzeugen und neue Möglichkeiten für den architektonischen Entwurf eröffnen wird 
J.P.: Ein Beispiel ist der Prototyp «Hot Networks». Dabei ging es um Roboter, die mit einer Heissluftpistole Plastikröhren zu einem räumlichen Gebilde zusammenfügen. «Hot Networks» wurde entwickelt, um eine dynamische Arbeitsoberfläche für die Steuerung des Zusammenwirkens von verschiedenen Maschinen zu erhalten. Wir hatten schon früher Ideen für die Steuerung von Anhäufungs- und Stapelungsprozessen entwickelt, aber hier ging es um eine neue Methode, die Abläufe zu analysieren. Im Zentrum stand der zeitliche Ablauf – wie lange die Heissluftpistole in einer Position verharrte und wie stark sie die Plastikröhren bearbeitete. Neu sind auch die Ergebnisse zu den Beziehungen zwischen den Robotern.  

TEC21: Welche Versuche führen Sie zurzeit durch 
J.P.: Es gibt Forschungsansätze auf mehreren Gebieten. Einige beziehen sich auf das Material, andere widmen sich neuen Methoden der Darstellung durch Computerfotografie. Zum Beispiel haben wir studiert, wie eigens für dieses Experiment entwickelte Maschinen komplexe Oberflächen mit Klebeband bedecken. Die Studierenden untersuchten die Muster nicht nur zwei- oder drei-, sondern vierdimensional, das heisst unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs. Dann entwarfen sie eigene Abläufe.
B.K.: Die Bewegung von Robotern zeichnet sich dadurch aus, dass sie einer geschwungenen und nicht einer vektoriellen Geometrie folgt; dies entspricht einer räumlichen, quasi gestischen Bewegung, die Ähnlichkeiten mit dem Zeichnen aufweist. In einem Workshop erzeugten Postgraduate-Studierende lang belichtete Videofilme. Sie entstanden aus einer Reihe von unbewegten Bildern, die als Sequenz zusammengehängt wurden, und zeigten Lichtzeichnungen. Einer der Roboterarme, an dem eine Kamera befestigt war, bewegte sich in eine erste Position und machte ein 15 Sekunden lang belichtetes Bild. Dann folgte eine neue Position und ein neues. Dieser Vorgang wurde so lange wiederholt, bis der Roboter seinen ganzen Weg zurückgelegt hatte. Das Ergebnis, die Lichtzeichnung, ist ein Abbild der Bewegungsabfolge der Kamera. Inspiriert haben uns dabei die Arbeiten von Jules-Etienne Marey und anderen Chronofotografen des 19. Jahrhunderts. 
J.P.: Obwohl jede dieser Übungen ein physisches Ergebnis hat, das hinsichtlich seines eigenen Nutzens studiert werden kann, benutzen wir die Ergebnisse vor allem dazu, unser Kontrollmodell zu untersuchen. Das ermöglicht uns ein grundlegendes Verständnis von der zeitlichen Koordination verschiedener Roboter – wie sie sich bewegen, wie der digitale und der physische Output zusammenhängen. 


Sci-Arc und Robot House

Das Southern California Institute of Architecture SCI-Arc ist eine private Architekturschule in Los Angeles. Das Labor «Robot House» wurde im Frühling 2011 in Betrieb genommen. Ziel ist, den Entwurfsprozess neu zu denken, wobei Berechnungen, Schnittstellen, Darstellung und Produktion im Vordergrund stehen.
Brandon Kruysman und Jonathan Proto sind Dozenten am SCI-Arc und leiten die Forschung im Labor «Robot House». Sie haben das Labor aufgebaut und das aktuell verwendete Kontrollmodell für die Roboter entwickelt.

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