Roter Drache auf grünem Grund
Mit ihren massiven roten Mauern strahlt die Schweizer Botschaft in Nairobi von Röösli & Maeder Architekten zurückhaltende Eleganz aus. Die ökologisch austarierte Architektur ist grossteils das Ergebnis einer ungewohnten kenianisch-schweizerischen Zusammenarbeit.
Der Anfahrtsweg führt durch ein kleines Waldstück, wohl ein Überbleibsel des nahen Karura Forest, an den das Wohnquartier grenzt. Farblich überraschend befindet sich am Ende der Strasse die einfache, rötlich-braune Grundstücksmauer der Schweizer Botschaft im sauber geschnittenen Gras. «Coffee Soil Red» heisst der Ton, der dem eisenoxidhaltigen Boden in Kenia nahekommt, der spätestens ab der Regenzeit gnadenlos die Sockel aller Häuser einfärbt. Die Architekten haben das leicht abfallende Terrain so genutzt, dass von der Botschaft von aussen je nach Blickwinkel maximal ein Stockwerk sichtbar ist.
Erst nachdem man das leuchtende Rot der Schweizerfahne im üppigen Garten hinter der Mauer gesichtet und die Sicherheitsschranke beim Pförtnerschalter passiert hat, gibt der Ort im Entrée seine repräsentative Seite preis: die minimalistischen, imposanten Kronleuchter, die hallenhohe Glasfront, die den Blick auf den tropischen Garten freigibt, und das massive, elegante Eukalyptusparkett, das sich über die Treppen in das untere und obere Splitlevel zieht. Dort befinden sich die Botschaftsräume mit den für das Klima und die Stadt erstaunlich grossen Fenstern. Die fliessenden Erschliessungs- und Büroräume sind darauf ausgerichtet, Hierarchien aufzulösen – Entwicklungszusammenarbeit (DEZA), Konsulat und Diplomatie arbeiten unter einem Dach.
Ein Zeichen im Fokus Ostafrikas
Botschafter Ralf Heckner legt die regionale Bedeutung Kenias dar: «Es ist das wirtschaftliche Zentrum Ostafrikas, hier werden die wichtigsten Entscheide der Region gefällt, und zudem befindet sich in der Stadt die UNO mit dem UNO-Umweltprogramm und UN-Habitat. Der Neubau zeigt, dass die offizielle Schweiz hier auf lange Zeit gut und stark präsent sein will.» Das alles ist mit ein Grund für die prägnante, moderne Architektur des neuen Baus.
Tatsächlich zieht das Zeichen, das die Schweizer damit gesetzt haben, offenbar Kreise – oder vielleicht entspricht es einer politischen Notwendigkeit und dem Zeitgeist, dass auch die Franzosen und Australier ihren Botschaftsneubauten ausserordentlich viel Beachtung beigemessen haben. Bisher keine Selbstverständlichkeit – zwar liegen die meisten diplomatischen Vertretungen in Nairobi in privilegierten Quartieren, sie zeichnen sich aber mehr durch Spiegelglasfenster, die Boxen der Klimaanlagen davor und durch ihre mit korinthischen Kapitellen gerahmten Eingänge aus.
Die Architektur der Botschaftsbaus von Röösli & Maeder Architekten hält den Nachhaltigkeitsstandard des Bundes ein und erfüllt die Bedingungen des UN Environment Programme of Sustainability. Letzteres ist wichtig, um die Glaubwürdigkeit der Schweiz an UN-parlamentarischen Debatten zu wahren – um sozusagen vor der internationalen Gemeinschaft nicht Wasser zu predigen und Wein zu trinken.
Handarbeit für massive Teile
Vom Garten her erinnert der Bau an ein rötliches Reptil, das sich hier zwischen den Bäumen zum Mittagsschlaf zusammengerollt hat. Auch der Wärmehaushalt des Hauses lässt sich vereinfacht an jenem des Tiers erklären: Die beachtlichen Betonmauern ohne Zwischenschichten, die um die Fenster kassettenartig durch konische Brise-Soleils verdickt sind, sind Masse genug, um die Wärme des Tages oder die Kühle der Nacht zu speichern.
Man kommt ohne Klimaanlage aus – zumindest wenn die Nutzer sich nicht auf einen engen Temperaturbereich fixieren. Es können in den Räumen während der kalten Jahreszeit schon mal 18 und in der warmen 25 Grad werden, aber das sind wenige Tage, sagt Christian Maeder, der den Bau vor Ort begleitet hat. Ihm war eine lokal gefertigte, massive Betonstruktur wichtig.
Zuerst wurden in der Schweiz mit 4-D-CNC-Maschinen Schalungsmuster von der Fassade erstellt. Als man vor dem Ergebnis stand, war die Rede davon, in Kenia könne man so komplexe Sichtbetonschalungen nicht herstellen. Zudem liegt die Botschaft in einem Wohnquartier und Lastwagen dürfen dort nur begrenzt ein- und ausfahren, was die Lieferung von Transportbeton unmöglich machte. Von verschiedenen Seiten legte man den Architekten nah, auf ein verputztes Mauerwerk auszuweichen.
«Ich bin froh, dass wir an unserer ursprünglichen Entwurfsidee festgehalten haben und uns die Bauherrschaft dabei unterstützt hat», sagt Christian Maeder. Der kenianische GU nahm die Herausforderung an. Er verblüffte mit präzisen, mit einem Fuchsschwanz hergestellten Schalungen und mit der gewünschten Betonqualität, die von Hand auf der Baustelle hergestellt wurde. «Die Mauern sind eins a. Diese kenianischen Handwerker verdienen alle Achtung», bemerkt der Architekt. Vieles werde hier von Hand gemacht – vom Kies bis hin zu den Formteilen der Lüftungsrohre. Schade, findet Maeder, mit den importierten Fertigprodukten gehe all dieses Wissen verloren. Diesem Phänomen begegnet man oft – in Ostafrika werden die Dinge anders gemacht als in der Schweiz. Aber wenn man klar sagt, wie das Ergebnis aussehen soll, dann steht es am Ende so da.
Umgekehrt staunten die Kenianer, als vier Schweizer in weniger als einer Woche alle in unserem Land vorgefertigten dreifach verglasten Sicherheitsfenster montiert hatten. Ihre seitlichen schmalen Lüftungsflügel sind mit einem feinen Metallgitter versehen. Darin findet sich auch dezent das Schweizerkreuz, das in irgendeiner Form in allen Botschaften unseres Lands architektonisch interpretiert wird.
Aufwendig waren die rund 2 m tiefen Fundamente, auf die die Schweizer Ingenieure wegen der reduzierten Tragfähigkeit des Bodens bestanden. Der lokale Bauleiter Simon Johnson schmunzelt über die Schweizer Gründlichkeit – weniger hätte es auch getan, meint er. Er erzählt, dass die grösste Herausforderung für die kenianischen Baubüros die Exaktheit war. Beton ist zwar alltäglich in Kenia, aber Millimetertoleranzen, mit denen Sichtbeton gegossen werden muss, ist man nicht gewöhnt. Doch letztlich ist es gelungen, und die Handwerker haben einen neuen Qualitätsmassstab erfahren.
Anpflanzen statt nichts tun
Das im unteren Teil des Grundstücks gesammelte Schwarzwasser ist dreifach gefiltert, um damit den Garten zu unterhalten. Darin liess man die alten Bäume wo möglich stehen. Röösli & Maeder Architekten sahen in ihrem Entwurf vor, den Bau um sie herum zu entwickeln. Dennoch mussten zwei grosse Botax-Exemplare wegen ihrer Wurzeln gefällt werden, die dem Fundament zu nah gekommen wären. Schade: Ihre Kapseln, aus denen nach dem Öffnen dichte Seidenflocken herausfallen, hätten den Garten saisonal weiss bedeckt – fast wie Schweizer Schnee.
Andererseits wurden auf dem Grundstück viele Bäume neu gepflanzt. Nach den richtigen Pflanzen auf dem begrünten Dach hat man zur Verwunderung mancher Kenianer lang gesucht, denn es sollte weder ein dürrer Teppich noch ein überbordender Dschungel werden. Doch bereits die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete kenianische Umweltaktivistin und spätere Ministerin Wangari Mataai stiess in ihrem Land lang auf Unverständnis, als sie sagte: «Erst wenn du ein Loch gegraben, einen Baum gepflanzt, ihn gewässert und ihm geholfen hast zu überleben, hast du etwas getan. Bis dahin hast du nur geredet.» Sich diese einfache Weisheit vor Augen zu führen lohnt sich auch bei uns in der Schweiz.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Schweizerische Eidgenossenschaft, Finanzdepartement; Bundesamt für Bauten und Logistik; Projektleiter: Jodok Brunner
Bauherrenunterstützung in Nairobi
Bautop 2001, Biel-Bienne; Mitarbeit: René Häni
Architektur
ro.ma. roeoesli & maeder, dipl. architekten eth bsa, Luzern
Mitarbeit: Christian Maeder, Philipp Röösli, Adrian Rogger
DMJ Architects, Nairobi (Kenia); Mitarbeit: Simon Johnson
Baumanagement
Mentor Management, Nairobi (Kenia)
Mitarbeit: Andrew Ward
Landschaftsarchitektur
Concrete Jungle, Nairobi (Kenia)
Mitarbeit: Bruce Hobson
Tragwerkplanung
BG Ingenieure und Berater, Bern
Mitarbeit: Markus Pieper
Metrix Integrated Consultancy, Nairobi (Kenia)
Mitarbeit: Khalid Alkizim
Planung HLKSE
BG Consulting Engineers, Lausanne
Mitarbeit: Maxime Raemy, Benoît Müller
EAMS Ltd. Consulting Engineers, Nairobi (Kenia)
Mitarbeit: Gordon Schofield
Facts & Figures
Offener, internationaler Projektwettbewerb (GATT/WTO), 2011
Ausführung
10/2014–08/2016
Bezug
09/2016
Grundstücksfläche
4046 m2
Geschossfläche
1512 m2
Hauptnutzfläche
849 m2
Gebäudevolumen
6120 m3
Gesamtkosten BKP 1–9
9.3 Mio CHF
Auszeichnung
International Design Award IDA (Architecture; Sustainable Living/Green)