Stil­ler

Publikationsdatum
19-01-2012
Revision
25-08-2015

«Ich bin nicht Stiller!» – Max Frischs erster grosser Roman beginnt mit einer Verweigerung. Der sie ausspricht, ist ein Künstler auf der Suche nach sich selbst und auf der Flucht vor dem Bild, das man sich von ihm macht. Der tragikomische Konflikt, der sich daraus mit Stillers Bekannten und den Behörden entspinnt, wird von Frisch in einem ebenso humorvollen wie abgründig pessimis­tischen Buch entfaltet, das prägend für die deutschsprachige Nachkriegsliteratur war. Ein Amerikaner namens Jim Larkin White wird an der Schweizer Grenze verhaftet, weil er mit dem verschwundenen Bildhauer Anatol Stiller identisch sein soll. Der Festgenommene bestreitet dies energisch. Durch tagebuchartige Aufzeichnungen, die White in der Untersuchungshaft niederschreibt, kommt der Leser der Wahrheit allmählich näher. Als Stillers Frau, die Tänzerin Julika, lungenkrank in einem Sanatorium lag, zerschlug er alle Gipsfiguren und Tonköpfe in seinem Atelier, floh nach Amerika und unternahm dort einen Selbstmordversuch, um in einer tragischen Eulenspiegelei seine Identität auszulöschen. Zurück in der Schweiz versucht er, in immer neuen Erzählungen, dieser Fixierung zu entgehen – weil ihm diese Identität fragwürdig geworden ist und er sich die Freiheit der Wahl, ein anderer zu sein, erhalten will. Doch sein Versuch ist zum Scheitern verurteilt: «Ich habe keine Sprache für die Wirklichkeit.»

Angaben zur Publikation
 

Max Frisch: Stiller. Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main, 1973.
448 Seiten, 17.7 × 11.1 cm. Fr. 14.90. ISBN 978-3-518-36605-9

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