Stundensatzermittlung 1.0 – zurück in die Zukunft
Honorarermittlung «bottom-up»
Gerade jetzt, im Umfeld kartellrechtlicher Bedenken gegen KBOB-Empfehlungen und SIA-Honorarformeln, könnte eine altbewährte Methode wieder ins Zentrum rücken: die Ermittlung individueller Stundensätze durch das Wissen um die Kostenstruktur des eigenen Büros.
Es sind turbulente Zeiten für SIA-Mitglieder. Angefangen hat es 2003. Damals erschienen die revidierten Ordnungen für Leistungen und Honorare (LHO) des SIA mit einer abgeänderten Formel für die Honorarberechnung nach Baukosten. Seither wurde nicht mehr ein Frankenbetrag, sondern «nur mehr» die Anzahl Stunden für den entsprechenden Zeitaufwand ermittelt. Der für die weitere Honorarermittlung einzusetzende Stundensatz erlangte eine zentrale Bedeutung.
Letztes Jahr wurden die Empfehlungen der KBOB (Vereinigung der öffentlichen Bauherren der Schweiz) zu den maximalen Stundensätzen zurückgezogen. Des Weiteren hat die WEKO (Sekretariat der Wettbewerbskommission) den SIA auf kartellrechtliche Probleme in Zusammenhang mit den LHO hingewiesen. Seitens SIA stehen nun zwei Aufgaben an: die kurzfristige Erarbeitung einer Übergangslösung für die Honorarberechnungen in den heutigen LHO und die Entwicklung eines neuen Kalkulationsmodells für danach. Welche Konsequenzen ergeben sich nun für SIA-Mitglieder und die Berechnung ihrer Planerhonorare? Dieser Frage gehen wir im Interview mit Christian Zumstein nach.
SIA: Herr Zumstein, seit Jahren begleiten Sie die Planungsbranche in Bezug auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen. Wie ermitteln Ihre Kunden die Honorare?
Christian Zumstein: Grossmehrheitlich basiert das Honorar auf den aufwandbestimmenden Baukosten. Für die konkrete Berechnung wird somit häufig die in den LHO publizierte Formel angewendet. Wir stellen jedoch fest, dass Honorare vermehrt durch Aufwandschätzungen nach Leistungsphasen ermittelt werden. So ist der anzurechnende Stundensatz «der» Schlüsselwert in der Honorarberechnung.
SIA: Wie wird dieser Stundensatz in der Praxis festgelegt?
Christian Zumstein: Nach unserer Erfahrung waren die KBOB-Empfehlungen ein wichtiger Indikator. Allerdings nur als erste Basisgrösse. Grundsätzlich gibt es viele Möglichkeiten, wie Unternehmen Stundensätze kalkulieren. Eine Methode, die insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmungen sehr gut anwendbar ist, vermitteln wir schon seit den 1970er-Jahren in Zusammenarbeit mit dem SIA und seinen Partnerverbänden. Sie basiert auf der jeweiligen bürospezifischen Kostenstruktur.
Mehrheitlich hat sich aber bei den Planern die baukostenabhängige Berechnung etabliert. Eine, man könnte sagen, «Top-down»-Betrachtungsweise. Aber für jedes Planungsunternehmen ist natürlich «bottom-up», also die Betrachtung auf Basis der eigenen Kostenstruktur, nicht weniger relevant.
SIA: Sie sprechen von einer guten Methode für die Ermittlung der bürospezifischen Stundensätze und beziehen sich damit sicher auf das Kalkulationsmodell, das auch der Lohn- und Kennzahlenerhebung der Planerverbände zugrunde liegt?
Christian Zumstein: Genau. Bei dieser Berechnung geht es darum, die Gemeinkosten im Verhältnis zum Bruttolohn zu ermitteln. Ergänzend sind auch die auftragsbezogenen Stunden zu beziffern. Diese können in aller Regel per Knopfdruck aus jedem Rapportsystem gezogen werden. So erhält jedes Büro wichtige Kennzahlen, z. B. den Honorarumsatz pro Vollzeitstelle, den Gemeinkostenfaktor, den Stundensatz pro Mitarbeiter und natürlich auch den Mittleren Bürokostensatz.
Ergänzt man diesen Mittleren Bürokostensatz mit einem Risiko- und Gewinnzuschlag, erhält man recht einfach den eigenen Honorarsatz. Seit Jahren führen wir mit SIA-Form dafür Kurse durch. Für die nächsten Monate ist eine Schulungsoffensive geplant. Wir hoffen, damit die Lücke, die durch den Wegfall der KBOB-Empfehlungen entsteht, teilweise schliessen zu können.
SIA: Vielen Dank für das Gespräch!
SIA-Form-Kurse zum Thema:
• Crashkurs «Spezifische und mittlere Honoraransätze», Bern, 11. Juni 2018 und Zürich, 13. Juni 2018
• «Von der Finanzbuchhaltung zum kalkulatorischen Stundensatz, Finanzielle Führung, Teil 1», Zürich, 30. August 2018
• «Grundlagen zur Führung von Architektur- und Ingenieurbüros», Zürich, 5., 12. und 19. September 2018
• «Büroführung in unsicheren Zeiten», Zürich, 28. November 2018
• «Vom Budget zum Controlling, Finanzielle Führung, Teil 2», Zürich, 16. Januar 2019
Kursdetails und Anmeldemöglichkeiten auf www.sia.ch/form