Technik ist Trumpf
Fassaden- und Innensanierung HSW-FR und UNI-FR; offener Projektwettbewerb
Die Themen Wiederverwendung und Bauphysik halten Einzug in die Architekturwettbewerbe. In Freiburg gewannen aber keine Experten auf diesen Gebieten den Wettbewerb für die Sanierung eines Hochschulgebäudes, sondern das für seinen theoretischen Ansatz und räumliche Metaphern bekannte Büro Made In.
Bei der Aufgabe handelt es sich um die Fassaden- und Innenraumsanierung eines symbolträchtigen Gebäudes der Hochschule für Wirtschaft (HSW-FR) und der Fakultät Geografie der Universität Freiburg (UNI-FR). Die Teilnahme an diesem Wettbewerb ist für ein Architekturbüro, das sonst eher für seine provokanten, bilderstürmerischen Projekte bekannt ist, eher ungewöhnlich: Keine utopischen Collagen, Flugzeugträger, Stromturbinen oder Wolkenkratzer. Nach zahlreichen Versuchen gewinnt Made In seinen ersten einstufigen Wettbewerb im offenen Verfahren.
Trotz einer geschätzten Bausumme von 23.5 Mio. Fr. reichten nur zehn Teams einen Beitrag ein. Das Siegerbüro Made In nutzte den Vorteil und stellte sein Können unter Beweis: Das Genfer Team interpretierte die Komplexität des Bestands richtig und hob sich dank der Synthese von den anderen Entwürfen ab.
Eine neue alte Identität
Das bestehende Gebäude wurde in den 1970er-Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Landwirtschaftlichen Instituts von Pérolles gebaut. Heute sind Technik, Sicherheit und Energiekonzept veraltet. Der Mängel bewusst, schrieb der Kanton Ende letzten Jahres einen Projektwettbewerb aus. Neben der Sanierung der Aussenhülle und der Neugestaltung von fast 13 000 m² Innenfläche sollten die teilnehmenden Büros den Lebenszyklus des Gebäudes berücksichtigen und vorhandene Materialien wiederverwenden. Eine grosse Aufgabe, die nur durch interdisziplinäre Arbeitsgruppen zu meistern war.
Durch eine technische und städtebauliche Bestandsanalyse gelang es dem Gewinnerteam, ein Projekt zu entwickeln, das die Geschichte des Gebäudes miteinbezieht, ohne im Treibsand von Normen und wirtschaftlichen Zwängen zu versinken.
Made In bringt viele durch die Renovierung verborgene Qualitäten der originalen Fassade ans Tageslicht und gewinnt damit die eigentliche Identität des Gebäudes zurück. Das Büro untermauert seine Kernidee, indem es die ursprüngliche Metallstruktur freilegt und die Profilbleche von 1997 an der Hauptfassade wiederverwendet. Ein neues Fenstersystem mit Ausstellmarkisen soll die Starrheit des Gebäudes aufbrechen. Die beiden 91 m langen Hauptfassaden krönen Friese aus vertikalen Photovoltaik-Panels, die nicht nur die Identität stärken, sondern auch die geplante PV-Installation auf dem Dach ergänzen. Im Erdgeschoss entfernt das Team die Brüstungen, um dem Bau einen öffentlichen Charakter zu verleihen und einen visuellen sowie funktionalen Bezug zum Aussenraum herzustellen.
Die Technik gehört dazu
Der zweite und dritte Preis geht an zwei Freiburger Büros: Cyrille Fasel Architecte und Zamparo Architectes, die beide mit minimalen Eingriffen den Charakter des ursprünglichen Gebäudes nachahmen. Nur das Team um das Berner Büro B Architekten, das den vierten Preis gewann, sucht eine eigene Identität. Es nimmt markante Veränderungen im Sockelbereich vor und begrünt die Fassade mit Pflanzen. Obwohl die drei Teams die Aufgabe auf unterschiedliche Weise angehen, werden in ihren Entwürfen technische Details vertuscht. Genau diese gehören aber zu jeder energetischen Sanierung.
Made In wendet dagegen eine ganz andere Methode an: Mit konstruktiven und dekonstruktiven Eingriffen im Wechsel meistert das Team die klimatechnischen Herausforderungen und wird den Erwartungen der Bauherrschaft gerecht: Abgehängte Decken sind passé, Rippendecken werden freigelegt und Heizkörper neu positioniert. Brüstungen sind als vorgefertigte Holzelemente angedacht, die Verglasung ist aus Recycling-Glas, das Regenwasser wird gesammelt.
Die Auslobenden gaben vor, dass die Entwürfe auf maximal zwei A0-Bögen Platz finden. Ein geschickter Schachzug, damit die architektonischen Qualitäten nicht im Wirrwarr von Technik und Wirtschaftlichkeit untergehen. Doch trotz des klimafreundlichen Ansatzes übt die Jury Kritik am Siegerprojekt: Die zentralen Fluchtwege verfälschten die räumlichen Qualitäten der Eingangshalle und der unterirdische Abstellraum für Velos sei zwar sinnvoll, aber teuer und wenig nachhaltig.
Ein Palimpsest in der Vertikalen
Der Bestand zwingt die Planenden dazu, sich der Architektursprache, dem Massstab und den Proportionen anzupassen. Es war also weder eine radikale Typologie noch eine heroische Raumkomposition, die Made In zum Sieg verhalf, sondern die sensible Wiederverwendung des Bestands. Der Entscheid, den Fokus auf den technischen Aspekt der Fassade zu legen, führte dazu, dass sich der Einfallsreichtum der Arbeitsgruppe frei entfalten konnte.
Erst kürzlich stellten die Architekturschaffenden fest, dass alle Überlegungen auf früheren Ideen basieren: «Auf deren Nachahmung, Umkehrung, Ablehnung, Anpassung, Neuinterpretation oder auch Verachtung». Das Genfer Büro lehnt die im Laufe der Jahre überformte Fassade nicht ab, sondern begrüsst ihre Vielschichtigkeit und zerlegt den in die Jahre gekommenen architektonischen Ausdruck. Es sucht nachhaltige Lösungen unter Einbezug von Energie, Struktur sowie Bauphysik und formt ein neues Ganzes. Und zeigt ganz nebenbei einen Weg auf, der die Herausforderungen des Klimawandels und qualitativ hochwertige Architektur miteinander verbindet.
Der Artikel erschien zuerst im Mai 2023 bei Tracés.
Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 31/2023 «Die Insel setzt neue Standards».
-> Jurybericht und Pläne zu den Projekten auf competitions.espazium.ch.
Teilnehmende
1. Rang, 1. Preis: «Magnolia»
Made In, Genf; Jakob Forrer, Buchrain; Duchein – études techniques sanitaires, Villars-sur-Glâne; Bureau d’études Patrick Pedrotta, Le Lignon; Gartenmann Engineering, Zürich; Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich; DVCI, Chexbres
2. Rang, 2. Preis: «Orange mécanique»
Cyrille Fasel Architecte, Fribourg; Energie Concept, Bulle; Duchein – études techniques sanitaires, Villars-sur-Glâne; Josef Piller, Givisiez; Prona Romandie, Yverdon-les-Bains; Acustica, Avenches; Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein
3. Rang, 3. Preis: «Max»
Zamparo Architectes, Fribourg; Gruner Roschi, Köniz; Réalisations Techniques Multiples RTM, Val-de-Charmey; Effin’Art, Lausanne; SutterWeidner Fassadenplanung mit Markus Süess, Biel; Fire Consulting, Marly
4. Rang, 4. Preis: «fribosquet»
Büro B Architekten, Bern; Enerconom, Bern; HKG Engineering, Bern; Grolimund + Partner, Bern; prometplan, Brügg; Wälchli Architekten Partner Brandschutzplanung, Bern; Aplant is, Bern
Fachjury
Jean-Marc Bovet, Architekt, Freiburg; Florence Mani, Architektin, Biel; Colette Raffaele, Architektin, Lausanne; Mickaël Guichard, Ingenieur / Bauphysiker, Givisiez; Marc Vertesi, Architekt, Lausanne (Ersatz)
Sachjury
Michel Graber, Kantonsarchitekt, Kanton Freiburg (Vorsitz); Jacques Genoud, Generaldirektor HES-SO Freiburg; Alex Kaczorowski, Technischer Mitarbeiter Gebäudedienst, Universität Freiburg; Beat Achermann, Dekan der deutschsprachigen Bachelorabteilung der HSG-FR; Isabelle Reine, Administrative Koordinatorin der HSW-FR (Ersatz)