Über Putz
Fantasie und Experimentierlust im Umgang mit Putz anstacheln, das möchte Annette Spiro mit dem Buch «Über Putz. Oberflächen entwickeln und realisieren», das sie zusammen mit Hartmut Göhler und Pinar Gönül im Verlag des Institus für Geschichte und Theorie der Architektur gta der ETH Zürich herausgegeben hat.
Die Notwendigkeit von Energiesparmassnahmen und steigender Kostendruck haben dazu geführt, dass sich die Kompaktwärmedämmfassade in den letzten Jahren durchsetzte. Dem Putz als letzter Schicht wird dabei oft wenig Beachtung geschenkt, insbesondere sein ästhetisches Potenzial wird in der gängigen Praxis vielfach nicht ausgeschöpft.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Publikation zum richtigen Zeitpunkt. Das Herausgeberteam beleuchtet die Möglichkeiten des vielschichtigen Materials unter verschiedenen Aspekten. Von Grund auf werden beispielhafte Wandkonstruktionen beschrieben und anhand von realisierten Gebäuden vorgestellt. Zusätzlich befassen sich verschiedene Autoren in separaten Textbeiträgen mit Fragen zu Alterungsprozessen, Instandsetzungsmöglichkeiten und Recycling von Putzsystemen. Weitere Themen sind die Herstellung von Luftkalk und die Wirkung von Farbe und Struktur von Putzoberflächen.
Projektbeispiele
Anhand von 15 Projekten aus jüngster Zeit dokumentiert das Buch verschiedene verputzte Wandkonstruktionen: einschalige Wandkonstruktionen, verputzte Aussendämmung, zweischalige Fassadenaufbauten und hinterlüftete Wandkonstruktionen. Dabei beschränken sich die Autoren nicht auf die rein konstruktive Seite, sondern spannen einen Bogen vom architektonischen Konzept über die Konstruktion bis zu den Kosten der Fassadenelemente. Kurze Texte beschreiben zunächst die Projekte. Dann zeigen Interviews mit den Architekten deren Herangehensweise und Lösungsansätze im Umgang mit der Gebäudehülle. Detaillierte Konstruktionsbeschriebe mit Angaben zu den Produkten und Kosten schliessen mit umfangreichem Plan- und Bildmaterial die Projektbeschreibungen ab.
Die Projekte, darunter Fassadensanierungen und Neubauten, sind sorgfältig gewählt und zeigen einerseits die Schwierigkeiten der verschiedenen Bauaufgaben und Konzepte, andererseits ermutigen sie zum eigenen experimentellen Arbeiten mit Putz.
Thematische Beiträge
Ein Interview mit dem Münchner Architekten Andreas Hild thematisiert die Auseinandersetzung mit Putz und Verarbeitungstechniken des Architekturbüros Hild und K. Dabei wird aufgezeigt, dass auch mit den heutigen Wärmedämmverbundsystemen interessante Fassaden und Gebäude entwickelt werden können. Voraussetzung ist allerdings, Kompaktfassaden als Realität zu akzeptieren, erst dann kann nach weiterführenden Verarbeitungen gesucht werden. Um mit Putz arbeiten zu können, müssen nach Meinung des Architekten die Möglichkeiten in der Mikrovolumetrie der Fassadenoberflächen ausgeschöpft werden. Systembedingt gehört auch die Auseinandersetzung mit klassischen Architekturelementen wie Gesimsen oder Sockeln dazu.
Ein weiterer Beitrag richtet den Fokus auf das Zusammenspiel von Putz und Farbe als integralen Bestandteil eines Konstruktionssystems. So werden die Möglichkeiten und Grenzen der grundsätzlich verschiedenen Verfahren des Einfärbens oder Beschichtens von Putzen detailliert erläutert. Die Autoren gehen auch auf die Vor- und Nachteile von hydrophoben und hydrophilen Systemen ein, denn der Entscheid für ein bestimmtes System hat weitreichende Konsequenzen und muss entsprechend früh im Planungsprozess gefällt werden. Thematisiert werden auch die Alterungsprozesse von Putz, die Restaurierbarkeit sowie die architektur- und materialspezifische Farbikonologie.
Experimente mit Luftkalk
Im Beitrag «Kalkputz eine Anleitung für die Praxis» führt Steinhauer und Kalkspezialist Ruedi Krebs als ausgewiesener Experte und Praktiker in die Herstellung und Verarbeitung von Luftkalk ein. Ausgehend von der Grundlage des Luftkalks, dem Kalkstein, beschreibt er über das Brennen und anschliessende Löschen detailliert die Herstellung von Luftkalk samt den dabei ablaufenden chemisch-physikalischen Prozessen. Hinweise zur Verarbeitung von Mörtel zusammen mit mineralischen und organischen Zuschlagstoffen und die Rezepturen von modellhaften Mischungen machen Lust, die Kelle selbst in die Hand zu nehmen und mit Kalkputz zu experimentieren.
Dies haben Studierende der ETH Zürich im Rahmen einer Seminarwoche im Zürcher Haus der Farbe, der Höheren Fachschule für Farbgestaltung, getan. Die dabei entstandenen Rezepturen sind im Buch nachzulesen und dienen als Inspirationsquelle, um selber zu experimentieren. Den Praxistest müssen sie aber wohl noch bestehen.
Schönes Standardwerk
Abschliessend darf gesagt werden, dass es den Autorinnen und Autoren mit dem nicht zuletzt auch schön gestalteten Buch gelingt, sowohl Studierende wie auch berufstätige Architektinnen und Architekten dazu zu motivieren, sich mit dem vielseitigen Material Putz auseinanderzusetzen. Dank der Fülle an Informationen, insbesondere dem Faltblatt mit anschaulicher Darstellung aller Putzoberflächen, kann die Publikation zu Recht als Handbuch bezeichnet werden.
Angaben zur Publikation
Annette Spiro, Hartmut Göhler, Pinar Gönül (Hrsg.), Über Putz - Oberflächen entwickeln und realisieren. gta Verlag, Zürich, 2012. 304 Seiten, 335 Abbildungen. 22 × 28 cm, Klappenbroschur mit eingelegtem Putzmuster-Faltplan. Fr. 72.. ISBN 978-3-85676-301-5
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