Vier Bü­cher über Ar­chi­tek­tur

Literaturquartett im S AM

Schöne Veranstaltung trotz zahmer Kritik: Ende November fand im Schweizerischen Architekturmuseum S AM ein Literaturquartett statt. Vier Expertinnen und Experten sprachen über vier aktuelle Publikationen.

Publikationsdatum
11-12-2014
Revision
18-10-2015

In der Woche, in der die NZZ-Gruppe bekanntgab, ihre hauseigene Druckerei zu schliessen, luden Hubertus Adam (Direktor) und Evelyn Steiner (Kuratorin) Judit Solt (Chefredaktorin TEC21) und Axel Simon (Hochparterre) zu sich ins Schweizerische Architekturmuseum ein, um über das gedruckte Wort zu sprechen – genauer: über neueste Architekturpublikationen.

In der Tradition des «Literarischen Quartetts» sollten die vier Experten vier in diesem Jahr erschienene Architekturpublikationen kritisieren. Die Diskussion war Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung «Textbau», die noch bis zum 22. Februar 2015 im S AM gezeigt wird. Dabei handelt es sich um eine mutige und reichhaltige Ausstellung zum Thema Architek­turtexte, in der Steiner und Adam in 15 Fallbeispielen aufzeigen, wie in der Schweiz über Architektur geschrieben wird. 

Um es vorwegzunehmen: Einen Wutausbruch und chole­rischen Verriss, wie ihn Marcel Reich-Ra­nicki im «Literarischen Quartett» gern zum Besten gab, ­bekam das spärlich erschienene Pub­likum nicht geboten. 

Die Monografie

Gäste und Gastgeber hatten die vier besprochenen Bücher eingehend ­gelesen – sehr eingehend, wie sich herausstellte. Das erste besprochene Buch – «Peter Zumthor 1985–2013. Bauten und Projekte», herausgegeben von Thomas Durisch – stellte Judit Solt vor. Ihr Verdikt in Kürze: Sie habe es nicht bereut, die Texte in den insgesamt fünf Bänden der Monografie gelesen zu haben, und erwähnte noch die erfrischend andere Sprache, die sich von anderen Architekturpublikationen abhebe, weil es eben keine Fachsprache sei.

Das Buch richte sich auch an ein grösseres Publikum, das Peter ­Zumthor als «Architektur-Guru» kenne. Einzig die zum Teil paternalistische Art von Zumthor könne irritieren, etwa, wenn er sich beim Herausgeber für dessen «professionelle» Arbeit bedanke. Axel Simon bemängelte die grafische Qualität und meinte, die Omnipräsenz und das Besserwissen (sogar in grafischen Belangen) des Gurus daraus zu lesen – doch der Gestalter des Buchs, Beat Keusch aus Basel, sass auch im Publikum und belehrte ihn am Ende der Veranstaltung eines Besseren.

Der Ausstellungskatalog

Als zweites Werk wurde der Katalog zur Biennale-Ausstellung «elements» von Rem Koolhaas besprochen. Hubertus Adam, der die 15 Bände in einem Schuber vorzustellen hatte, nannte Paginierung und Gestaltung eine «grafische Entgleisung». Evelyn Steiner ergänzte, dass grafische und orthografische Fehler das Buch nicht besser lesbar machten, und die Runde war sich schnell einig, dass man sich beim Lesen ärgere, das Buch nicht als Kompendium geeignet sei (wieso sind es 15 Elemente der Archi­tektur?) und der Schuber im Bücherregal eine nette Dekoration abgebe, mehr aber nicht.

Doch kann man über einen Ausstellungskatalog reden, ohne die Ausstellung zu besprechen? Einzig Axel Simon warf ein, dass ihm die Ausstellung in Venedig trotz des inhärenten Kulturpessimismus Spass bereitet habe, weil Koolhaas darin Geschichten erzählt habe, die das Buch nicht enthalte. Hubertus Adam schloss darauf­hin die zu lange Besprechung damit, dass man mit dem Zumthor- und dem Koolhaas-Buch zwei konträre Formen der Selbst­inszenierung vorliegen habe.

Das Konferenzbuch

Die Publikation «Exhibiting Architecture», erschienen im Lars Müller Verlag (was Erwartungen bei der Runde weckte, die nicht eingehalten wurden), schien noch weniger der Rede wert zu sein. Es ­handelt sich um ein Buch über eine Konferenz an der Oslo School of Architecture & Design mit Inhalt Architekturausstellungen. Doch nicht einmal die Experten Hubertus Adam und Evelyn Steiner hielten das Buch für lesenswert.

Das Feuilletonbuch

Niklas Maaks «Wohnkomplex» – der Autor ist Architekturhistoriker und Feuilletonist bei der FAZ – spricht in seinem mehrdeutigen Titel an, was es an der zeitgenössischen Architektur und den gängigen Wohnformen zu verbessern gebe. Axel Simon war voll des Lobs für das am wenigsten fachspezifische Buch in der Runde. Sprachlich sei es gewitzt, und man lerne viel dabei.

Dem widersprachen Hubertus Adam und Judit Solt. Sie gab an, 90 % des Inhalts bereits gekannt zu haben; als «Aufklärungsbuch» für Laien sei es allerdings gut geeignet. Adam würde das Buch gern dem Autor zurückschicken mit dem Auftrag, es auf die Hälfte einzudampfen.

Statt dass nun eine Diskussion begonnen hätte, die etwas Staub aufgewirbelt hätte, wurde der Verfechter des Buchs plötzlich zahm und räumte ein, dass der Band aus mehreren Zeitungsartikeln zusammenmontiert sei und sich deshalb streckenweise wiederhole.

Fazit: Ausser der Zumthor-Monografie haben alle Bücher ihren Haken. Lesen sollte man sie doch, oder sie zumindest ins Regal stellen. Ein grösseres Publikum hätte die gute Vorbereitung der Runde besser gewürdigt, und es wäre schön, eine solche Veranstaltung regelmässig durchzuführen. 

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