Vom Konglomerat zur Komposition
Die Kantonsschule Ausserschwyz soll erweitert werden. Derendinger Jaillard Architekten haben aus dem verworrenen Konglomerat die einzelnen Schulgebäude herausgeschält und mit einem prägnanten Solitär zu einer überzeugenden Komposition mit grosszügigen Freiräumen gefügt.
Sanierung und Teilneubau Kantonsschule Ausserschwyz, Nuolen SZ; offener einstufiger Wettbewerb
Die Gemeinde Wangen will die Uferzonen entlang des Zürichsees revitalisieren und erarbeitet dafür mit dem Kanton Schwyz und den Grundstückseigentümern die raumplanerischen Rahmenbedingungen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist der Um- und Ausbau der Seestrasse im Ortsteil Nuolen. An dieser liegt die Kantonsschule Ausserschwyz mit direktem Seeanstoss. Sie wird in der künftigen Entwicklung des Uferareals eine Schlüsselrolle einnehmen.
Um das Haus Patres – derzeit als Mittelschule genutzt und noch von einigen Missionaren bewohnt – ist im Lauf der Zeit ein unübersichtliches Gebäudekonglomerat entstanden. Das ehemalige Badehotel von 1831 steht unter Denkmalschutz. Seine äussere Erscheinung, das Tragwerk und das Treppenhaus müssen erhalten werden. Die beiden Schulgebäude aus den 1940er- und 1960er-Jahren hingegen könnten abgebrochen werden.
Ausgangspunkt für die Durchführung eines offenen, einstufigen Projektwettbewerbs waren neben den geplanten Veränderungen der Seestrasse und einer Klärung der verfahrenen Situation auch neue Raumbedürfnisse der Kantonsschule. So erfüllt die bestehende Turnhalle die heutigen Richtlinien nicht mehr und es werden zusätzliche Flächen wie etwa Gruppenräume, eine Holzwerkstatt und eine Aula benötigt. Zudem bedürfen alle Schulgebäude einer Sanierung.
Der Auftraggeber erwartete von den Teilnehmenden Vorschläge zur Ausbildung der neuen Zentrumsfunktion und zum Seezugang. Ein wichtiges Anliegen war auch die Klärung des unübersichtlichen Konglomerats an Bauten mit dem Ziel, diese zu einem neuen Ganzen zusammenzuführen. Neben den städtebaulichen Aspekten und den betrieblichen Anforderungen wurde in der Beurteilung auch grosser Wert auf eine wirtschaftliche Bauweise gelegt. Teilnahmeberechtigt waren Teams mit den Kompetenzen Architektur und Baumanagement sowie Landschaftsarchitektur. 18 Beiträge wurden eingereicht.
Neues Gleichgewicht
Die Jury empfiehlt dem Auftraggeber einstimmig den Beitrag «Gioco» des Teams Derendinger Jaillard Architekten zur Weiterbearbeitung. Die beiden Schulgebäude von 1967 und 1982 bleiben erhalten und werden nur minimal verändert. Eine generöse Freitreppe setzt gekonnt ein neues Fanal für den Haupteingang zur Schule.
Das Haus von 1947, störende Anbauten und kleinere, unwichtige Gebäude auf der Schulanlage werden entfernt. Die verbleibenden, wesentlichen Gebäude der Gesamtkomposition erhalten ihren spezifischen Charakter zurück. Ein markanter Neubau am Mühlebachkanal, der das Schulareal in der Mitte durchquert, ergänzt das Ensemble. Zwischen den einzelnen Gebäuden entsteht ein grosszügiger, in vielfältige Bereiche gegliederter Freiraum, der vom neuen Dorfplatz über die Sportfelder bis zum See führt und somit mehr Gewicht erhält.
Im Neubau befinden sich Mensa und Sportnutzungen mit hoher Installationsdichte und grossen Spannweiten. Das neue Volumen bildet ein Scharnier zwischen dem Pausenplatz und den Sportfeldern am See. Der viergeschossige Holzbau mit den umlaufenden Bandfenstern setzt einen selbstbewussten Kontrapunkt zu den bestehenden Betonbauten und zum Patres-Haus.
Die beiden vorhandenen Schulgebäude werden entsprechend ihrer Konstruktion saniert. Das Gebäude von 1967 mit Sichtbetonfassade erhält eine Innenwärmedämmung, während das Gebäude von 1982 von aussen gedämmt wird und die vorgehängten Betonelemente ersetzt werden. Die Erdgeschossfassade des ehemaligen Badehotels soll möglichst originalgetreu restauriert und zum Dorfplatz geöffnet werden. Im Erdgeschoss sind eine Bibliothek und ein Café vorgesehen.
Aus Alt mach Neu
Der Beitrag «Trinacria» von Zita Cotti Architekten bündelt alle Schulnutzungen um die beiden bestehenden Schulgebäude. Dazu wird der Bestand mit einem dritten Bau zu einem komplexen Konglomerat erweitert. Die Erweiterung enthält die Sporthalle und die Mensa. Der Pragmatismus im Umgang mit dem Bestand zeigt sich beim Haus von 1982, das einfach um ein Klassenzimmer verlängert wird, oder bei der ehemaligen Sporthalle, die neu als grosszügige Aula dient. An der Nahtstelle von Alt und Neu entsteht ein zenital belichteter Zwischenraum, der die höhenversetzten Geschosse gekonnt miteinander verbindet.
Die Jury kritisiert den äusseren Ausdruck, der mit «dem vielleicht zu direkten Übernehmen fast aller architektonischen Elemente» etwas bieder erscheine. Eine weitere Schwäche des Projekts ortet die Jury in der «Verklumpung» von Gebäudeteilen mit unterschiedlichem Alter und verschieden langen Restlebensdauern zu einem nicht mehr auflösbaren Konglomerat. Der Entwurf zeichnet sich durch einen kleinen Fussabdruck, eine kompakte Form und das stringent umgesetzte Amalgam aus Alt und Neu aus.
Überformung des Bestands
Das Projekt «Grosser schattiger Garten, prima Fische» von ARGE gimmivogt architekten und Monika Stöckli überformt den Bestand aus den 1960er- und 1980er-Jahren mit einer streng auf das Patres-Haus ausgerichteten Anlage. Kern des Projekts ist ein dreiseitig abgeschlossener Pausenhof, um den im Westen die Sporthalle und im Norden die Mensa gruppiert sind. Betrieblich funktionieren die Schulräume in den Obergeschossen gut. Im Attikageschoss sind der überhöhte Singsaal, die Musikräume und die Bibliothek mit attraktiver Aussichtsterrasse angeordnet. Die ausufernde Form hat einen grossen Fussabdruck und führt eine befremdende Massstäblichkeit in die kleinteilige Umgebung ein. Der hermetisch geschlossene Hof verhindert leider den direkten Bezug vom Dorf zu den Aussensportplätzen und zum Uferbereich des Sees.
Luftiger Schulcampus
Weder das Weiterbauen am Konglomerat noch die Überformung des Bestands konnten als Lösungsansätze für die anspruchsvolle Aufgabe überzeugen. Der Beitrag von Derendinger Jaillard Architekten besticht mit einem grosszügigen Freiraumkonzept und einer klaren Komposition der Bestandsbauten mit einem Neubau. Mit der Entflechtung des Konglomerats, der Stärkung des Charakters der Hauptgebäude und einem markanten Solitär klärt der Entwurf die verworrene Situation. Die Eingriffe in die bestehende Bausubstanz sind minimal. Mit der Separierung von Alt und Neu besteht zudem die Möglichkeit, die einzelnen Gebäude später unabhängig voneinander weiterzuentwickeln. Scheinbar mühelos gelingt es, «einen grosszügigen und luftigen Schulcampus zwischen Dorf und See zu schaffen».
Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 16/2023 «Geplante Vielfalt».
-> Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch.
Auszeichnungen
1. Rang, 1. Preis: «Gioco»
Derendinger Jaillard Architekten; Pilloni Landschaft, Zürich
2. Rang, 2. Preis: «Trinacria»
Zita Cotti Architekten; Gersbach Landschaftsarchitektur, Zürich
3. Rang, 3. Preis: «Grosser schattiger Garten, prima Fische»
gimmivogt architekten; Monika Stöckli; Umland, Zürich
4. Rang, 4. Preis: «Metamorphose»
Schmid Schärer Architekten; Skala Landschaft Stadt Raum, Zürich
5. Rang, 5. Preis: «Filomena»
Bürgi Burkhard von Euw, Zürich; Land schafft, Sursee
FachJury
Bruno Krucker, Architekt, Zürich (Moderation); Barbara Strub, Architektin, Zürich; Christoph Dettling, Architekt, Kantonsbaumeister Kanton Schwyz; André Schmid, Landschaftsarchitekt, Zürich; Thomas Lothenbach, Architekt, Baumanagement Hochbauamt Kanton SZ (Ersatz)
SachJury
André Rüegsegger, Vorsteher Baudepartement Kanton Schwyz (Vorsitz); Michael Stähli, Vorsteher Bildungsdepartement Kanton Schwyz; Martin von Ostheim, Rektor Kantonsschule Ausserschwyz