Vorhang aus Beton
In Zürich ist das neue Eishockeystadion im Bau. Schon jetzt lässt sich erahnen, dass die weisse Fassade ein echter Hingucker wird.
Zwischen Bahnhof Altstetten und Autobahnausfahrt Zürich-Altstetten ragen Teile einer auffälligen Fassade in die Höhe. Sie gehören zum neuen Eishockeystadion, der Swiss Life Arena, in der die ZSC Lions künftig ein Zuhause finden werden.
Das Architektenteam von Caruso St John gewann 2012 mit dem Projektvorschlag «Theatre of Dreams» den anonymen Wettbewerb im selektiven Verfahren. Die Fassade erinnert denn auch an eine textil anmutende, festliche Struktur und gleicht optisch einem Theatervorhang. Oder, weniger poetisch formuliert: Eine weisse Ortbetonfassade wird das Stadion umhüllen.
Im Wettbewerb und auch im Vorprojekt bestand die Fassade noch aus vorgehängten, schweren Betonelementen. Tragwerksplaner und Architekten überzeugten die Bauherrschaft jedoch davon, dass es sinnvoller sei, eine tragende Betonfassade vor Ort zu erstellen.
Der Tragwerksplaner Patrick Gartmann zählt gleich mehrere Vorteile auf: «Eine Ortbetonfassade ist nicht nur sicherer, sondern, betrachtet man die Lebensdauer, auch wirtschaftlicher. Sie wird durch den Baumeister direkt auf der Baustelle erstellt, somit bleibt die Wertschöpfung in der Schweiz, und die langen Transportwege vorfabrizierter Betonelemente entfallen.» Die Ortbetonfassade trägt die vertikalen Kräfte ab, sodass man auf zusätzliche Bauteile wie Wände und Stützen verzichten kann.
Vier Fassaden, zwei Verfahren
Die Herstellung der weissen Sichtbetonfassade unterscheidet sich bei den Längs- und den Stirnseiten: Die West- und Ostfassade entlang der Längsseiten der Arena bestehen standardmässig aus nach innen gerundeten Elementen. Der Tiefpunkt der Rundung befindet sich in Elementmitte, der Höhepunkt jeweils seitlich im Anschluss an das nachfolgende Element. Auf dem Höhepunkt wird eine vertikale Betonkrone befestigt. Die Fassaden werden in Etappen von 3.42 m Höhe und 14 m Breite nach dem Prinzip der Kletterschalung erstellt.
An den Fassaden gegen Norden zur Autobahn und nach Süden in Richtung der SBB-Gleise erzeugt die profilierte Ortbetonstruktur eine Faltung, die sich um grosse runde Fenster legt. Die einzelnen Etappen sind bis zu 11.7 m hoch und müssen für den Bauzustand mit Stahlträgern abgespriesst werden.
Es wird immer zuerst die von aussen sichtbare Seite geschalt und anschliessend mit Schalungseinlagen, sogenannten Matrizen, belegt. Diese werden aus Polyurethan gegossen, das Positiv aus Epoxidharz gefräst. Die Matrizen werden ausgerichtet und Fehlstellen ausgekittet. Der Baumeister braucht dazu viel Feingefühl.
«Trotz einem hohen Mechanisierungsgrad bei der Herstellung der Matrizen und einer aufwendigen dreidimensionalen Planung ist im ganzen Prozess immer noch viel Handarbeit gefragt», sagt Arno Caprez, zuständiger Projektleiter bei Ferrari Gartmann. Die Innenseite der Fassade wird geschossweise zugeschalt und nass in nass betoniert. Um der Fassade eine hellere Note zu geben, mischt man dem Beton Weisszement bei.
Die ausgeführte Fassade hat eine Wandstärke von 31 cm, d. h. 25 cm plus 6 cm maximale Strukturtiefe der Profilierung. Die Schalungselemente können mehrfach verwendet werden, sofern die optische Qualität konstant bleibt. Wichtig für ein gutes Endresultat sind zudem der Einsatz der immer gleichen Arbeitsgruppe und das Einhalten von einheitlichen Fristen beim Ausschalen.
Die Matrizen reagieren stark auf Temperaturschwankungen. Dem Schwinden und Dehnen der Ortbetonfassade wird mit Dilatationsfugen begegnet.
Die Zeit im Blick
Wie es sich für ein Eishockeystadion gehört, ist der Zeitplan sportlich: Der Rohbau wird voraussichtlich im Herbst 2021 fertiggestellt. Eine Ortbetonfassade zu bauen ist weniger zeitintensiv als eine vorgehängte Fassade zu montieren. Allerdings besetzt dieses Vorgehen beim Baumeister Kapazitäten, die nicht in ein Werk ausgelagert werden können. Dementsprechend verlängert sich die Rohbau- und verkürzt sich die Ausbauphase.
Um dennoch genügend Zeit und Musse für die Herstellung einer schönen Sichtbetonfassade
zu haben, entschieden sich die Verantwortlichen, die Fassade und den Hauptbau im Bauprogramm zu entkoppeln. Dabei baut man in einer Art Zwiebelprinzip zuerst die inneren Schalen und im Nachgang die Fassade mit den dazugehörigen Decken. Spätestens im August 2022 soll alles fertig sein und der erste Puck offiziell über das Spielfeld flitzen.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft:
ZSC Lions Arena Immobilien, Zürich
Architektur:
Caruso St John Architects, London/Zürich
Gesamtprojektleitung und Bauherrenvertretung:
cctm real estate & infrastructure, Basel
Totalunternehmung:
HRS Real Estate, Zürich
Ausführung:
ARGE Marti Bauunternehmung & Barizzi, Zürich
Tragkonstruktion:
Ferrari Gartmann, Chur
Landschaftsarchitektur:
Antón Landschaft, Zürich
Grundstücksfläche: 28 000 m2
Geschossfläche: 72 800 m2
Gebäudelänge, -breite und -höhe: 170 m / 110 m / 32 m
Fläche Business Club: 2230 m2
Fläche Besucherterrasse: 2950 m2