Warm statt heiss
Wird uns unser Trinkwasser durch Legionellen gefährlich, wenn wir mit Anergie heizen? Eine simulationsgestützte Bewertung von Warmwasserbereitungsprinzipien für Niedertemperaturfernwärmesysteme liefert Antworten.
Die Wirtschaftlichkeit vieler Fernwärmenetze hat sich aufgrund der unsicheren Preisentwicklung fossiler Energieträger und der engen Verknüpfung mit dem europäischen Strommarkt in den letzten Jahren signifikant reduziert.
Alternative Wärmequellen wie Solarthermie, oberflächennahe Geothermie und Umgebungswärme sowie industrielle Abwärme haben im Regelfall ein niedriges Temperaturniveau, was ihre Nutzung in der «traditionellen» Fernwärme mit Vorlauftemperaturen zwischen 90 und 120 °C erheblich erschwert.
Doch es gibt auch Wärmenetze, die mit Vorlauftemperaturen zwischen 35 und 65 °C an das Temperaturniveau dieser alternativen Quellen angepasst sind (sogenannte Niedertemperaturfernwärme-, darunter Anergienetze). Vorteile niedriger Vorlauftemperaturen sind ausserdem reduzierte Wärmeverteilverluste und Investitionskosten sowie die Erhöhung der Effizienz von Erzeugungstechnologien, z. B. der Rauchgaskondensation.
Während die niedrigen Vorlauftemperaturen mithilfe von Fussbodenheizungen (ca. 35 °C), Betonkernaktivierung (ca. 25 °C) oder ausreichend dimensionierten Radiatoren (ca. 40 °C) komfortable Raumtemperaturen herstellen können, bedeuten sie eine Gefahr für die Trinkwasserbereitung durch Legionellen.
Legionellen sind im Wasser lebende, Sporen bildende und potenziell humanpathogene Bakterien. Wenn man legionellenhaltiges Wasser z. B. beim Duschen als Aerosol einatmet, besteht das Risiko, an Legionellose (Legionärskrankheit) zu erkranken. Stehendes Wasser zwischen 20 und 50 °C bietet ideale Lebensbedingungen für Legionellen, im Bereich von 30 bis 45 °C vermehren sie sich am stärksten.
Erst ab einer Temperatur von 55 °C ist keine Vermehrung mehr möglich. Temperaturen von 60 °C aufwärts töten Legionellen ab. Kaltes Trinkwasser ist daher möglichst kühl zu halten, während Trinkwarmwasser im ganzen System immer 55 °C überschreiten sollte. Die SIA 385/1 schreibt 60 °C am Ausgang des Wassererwärmers vor.
In dem gerade abgeschlossenen österreichischen Forschungsprojekt FFG Nr. 834582, «NextGenerationHeat» (das die Autoren leiteten), wurden ökologisch und ökonomisch sinnvolle Konzepte für Niedertemperaturfernwärmenetze mithilfe von vier repräsentativen Fallbeispielen entwickelt. Schwerpunkte waren die simulationsbasierte Analyse und der Vergleich unterschiedlicher Methoden zur Erzeugung von Warmwasser mit Vorlauftemperaturen zwischen 35 und 65 °C. Hierbei wurden folgende Prinzipien (auch in Kombination) eingesetzt:
– direkte Erzeugung des Warmwassers im Durchlaufprinzip – dabei wird immer nur so viel Warmwasser bereitgestellt, wie gerade benötigt wird. Ein Vorteil dieser Variante ist, dass kein Warmwasser gespeichert wird und somit eine Gefährdung durch Legionellen ausgeschlossen werden kann.
– Einsatz unterschiedlicher Zusatzheizungen. Diese sollen das Trinkwasser auf das geforderte Temperaturniveau anheben. Dabei wurde als Zusatzheizung u. a. eine Wärmepumpe untersucht, die Fernwärme als Wärmequelle nutzt. Der Vorlauf der Fernwärme wird dabei für den Verdampfer sowie den Kondensator verwendet.
Basierend auf diesen Prinzipien wurden mehrere Übergabestationstypen inklusive Auslegung der Komponenten (Speicher, Wärmetauscher etc.) und Regelungsstrategien für unterschiedliche Anwendungsfälle und Randbedingungen entwickelt und in einer Multiengineering-Simulationsumgebung modelliert. Das ermöglicht die hydraulische und energetische Simulation von diversen thermischen Komponenten und berücksichtigt dabei unterschiedliche Regelungsstrategien und Phänomene wie beispielsweise dynamisches Verhalten und Rückströmungen.
Mithilfe bestehender Monitoringdaten einer Übergabestation in einem österreichischen Nahwärmenetz wurden die Simulationen validiert. Daraufhin simulierte man das Verhalten der entwickelten Übergabestationstypen in Parametervariationen der Randbedingungen Temperatur, Wetter, Nutzung etc. Zur Auswertung der Simulationen wurden Indikatoren wie Rücklauftemperaturen, Primärenergiebedarf und CO2-Emissionen ausgewertet.
Hierbei nutzte man die Werte der OIB-Richtlinie. Die eingesetzten Wirkungsgrade bzw. der COP (Coefficient of Performance) der Wärmepumpe basierten auf Literaturdaten bzw. dem üblichen Stand der Technik.
Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen zeigen, dass auch bei sehr niedrigen Vorlauftemperaturen die hygienische Bereitung von Warmwasser garantiert werden kann. Durch die Wahl geeigneter Übergabestationen lassen sich der Primärenergiebedarf bis zu 10 % und die CO2-Emissionen bis zu 45 % reduzieren, wobei jene Varianten mit einer Wärmepumpe als Zusatzheizung die niedrigsten CO2-Emissionen verursachen sowie den geringsten Bedarf an Primärenergie aufweisen.
Die ökonomische Bewertung steht noch aus. Es ist schwierig, verlässliche Informationen zu Investitionskosten von nicht marktüblichen Übergabestationen zu erhalten. Ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Niedertemperaturfernwärme werden geringere Wärmegestehungskosten sein, die die höheren Investitionen für die technisch aufwendigeren Installationen auf der Verbraucherseite ausgleichen.
Die Ergebnisse einer geplanten Sensitivitätsanalyse werden dahin gehend weitere Aufschlüsse liefern und zeigen, unter welchen Bedingungen eine ökonomisch sinnvolle Nutzung dieser Systeme möglich ist.