Wel­chen Ein­fluss ha­ben Eu­ro­pa und BIM auf die SIA-Nor­men?

Europäische Normen

Werden in der Schweiz neue Normen festgelegt, steht meist ein retrospektives Vorgehen im Vordergrund, bei dem die Normenkommissionen den gewachsenen Stand der ­Technik festhalten. Weil sich bei der BIM-Methode bis heute kein Standard durchgesetzt hat, werden prospektiv europäische Lösungen erarbeitet.

Publikationsdatum
23-05-2019

Zahlreiche europäische und internationale Normen zur BIM-Methode wurden oder werden in den nächsten Jahren in das Schweizer Normenwerk aufgenommen. Die bekannteste ist die SN EN ISO 16739. Sie beschreibt die Industry Foundation Classes (IFC), die beim Austausch von Informationen aus digitalen Bauwerksmodellen zur Anwendung ­kommen. Damit steht weltweit ein softwareunabhängiges Datenaustauschmodell zur Verfügung.

CEN-Normen als Teil des Schweizer Normenwerks

Europäische Normen (EN) werden vom Europäischen Komitee für Normierung (CEN) erarbeitet und publiziert. Als Gründungsmitglied war die Schweizerische Normen-Vereinigung beteiligt, als dieses Komitee 1961 gegründet wurde. Sie hat sich verpflichtet, europäische Normen in ihr Normenwerk zu übernehmen und widersprechende Schweizer Normen zu überarbeiten oder zurückzuziehen.

Im Gegensatz zu CEN-Normen werden internationale Normen (wie ISO-9001-Qualitätsmanagementsysteme) nicht automatisch Bestandteil des Schweizer Normenwerks. ISO-Normen jedoch, die gemeinsam mit dem CEN entwickelt oder von diesem übernommen werden (wie IFC), gelten als CEN-­Normen und werden somit auch ins Schweizer Normenwerk übernommen.

Gemeinsame Standards

Zurzeit befinden sich zahlreiche CEN-Normen zur BIM-Methode in der Erarbeitung. Der Schwerpunkt liegt in der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den an Bau- und Immobilienprojekten beteiligten Anspruchsgruppen. Dies ist ein grosses Anliegen vieler. Es zeigt sich heute in aller Deutlichkeit, dass neben geeigneten Organisationsformen, Prozessen und Softwareprodukten gemeinsame Standards einer der Schlüssel dazu sind.

Bis anhin haben alle Organisationen eigene Standards entwickelt, und keiner davon hat sich durchgesetzt. Daher sind die Expertengremien gezwungen, prospektive Lösungen zur Normierung vorzuschlagen – Lösungen, die sich zum Teil noch nicht vollständig in der Praxis etabliert haben. Trotzdem ist aber unter den Fachleuten der Normierungsgremien und der nationalen Spiegelkomitees der Konsens gegeben, dass sie in Zukunft zu qualitativ besseren Lösungen in der Bau- und Immobilienbranche führen.

Prospektiv vs. retrospektiv

Dieses Vorgehen ist für die Schweiz ungewohnt. Bei uns steht meist ein retrospektives Vorgehen im Vordergrund, bei dem die Normenkommissionen den gewachsenen Stand der Technik festhalten. Angesichts der heute bestehenden Bedürfnisse wäre es jedoch  nicht opportun, diesen ret­rospektiven Ansatz auch bei der BIM-Methode zu verfolgen und auf die Entwicklung eines Stands der Technik zu warten.

Weil sich bis heute kein Standard durchgesetzt hat, werden für fast jedes neue ­Bauprojekt neue eigene Standards entwickelt, was zu hohen Aufwendungen führt. Der Wunsch nach gemeinsamen Standards spiegelt sich auch immer wieder in den Umfragen von Branchen- und Berufsverbänden. Die Ressourcen und Fachkenntnisse sind beschränkt, und so macht es wenig Sinn, dass jedes Land seine eigene Lösung entwickelt.

Mitarbeit der Schweiz

Die Schweiz beteiligt sich aktiv am Prozess der Erarbeitung der europäischen Normen zur BIM-Methode durch die Begleitkommission CH-BK 442. Das Einbringen von Wissen und Erfahrung der Schweizer Expertinnen und Experten in die internationalen Normierungsgremien wird geschätzt und ermöglicht der Schweiz, die neuen CEN-Normen in ihrem Sinn mitzugestalten. Dies geschieht weit über das formale Stimmengewicht hinaus, das die Schweiz im CEN hat.

Reihe EN ISO 19650 und die SIA 2051

Ende letzten Jahres wurden die ­ersten Normen aus der «EN ISO 19650»-Reihe publiziert. Diese werden im Lauf des Jahres in das Schweizer Normenwerk aufgenommen. Die Normenreihe macht Vorschläge zu Methoden und Instrumenten des Managements von digitalen Daten und Informationen im Zusammenhang mit der Projektierung, der Realisierung und der Bewirtschaftung von Bauwerken. Sie sind als Wegleitung zur Aus­gestaltung von Vorhaben zu verstehen und in jedem Fall stark konkretisierungsbedürftig. Sie sind nicht dazu gedacht, ein für den Einzelfall gültiges Vorgehen festzulegen. Daher eignen sie sich nicht als Vertrags­dokumente.

Mitglieder der Kommission SIA 2051 waren bei der redaktionellen Überarbeitung der «EN ISO 19650»-Reihe beteiligt und haben ihr Wissen in das Merkblatt SIA 2051 Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode eingebracht. Das Merkblatt ist von der «EN ISO 19650»-Normenreihe nur am Rand tangiert. Es beruht auf dem für die Schweiz typischen Ansatz des partnerschaftlichen Verhältnisses aller am Bau Beteiligten und steht nicht im Widerspruch zur «EN ISO 19650»-Reihe. Die wenigen notwendigen Anpassungen betreffen vor allem Begrifflichkeiten.

Das bedeutet: Das Merkblatt SIA 2051 behält für die Schweiz weiterhin seine ­Gültigkeit.

 

Das Merkblatt SIA 2051 Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode ist im SIA-Shop erhältlich: shop.sia.ch

 

Mehr Informationen zur «EN ISO 19650»-Reihe auf www.iso.org/news/ref2364.html

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