Wende im Vergaberecht?
Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen im Nationalrat
Wichtige Korrekturen hat der Nationalrat in der Sommersession bei der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts (BöB) angebracht.
Mit Nachdruck haben sich die Planerverbände unter der Federführung von usic und SIA im vorparlamentarischen Meinungsbildungsprozess zur Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) eingebracht – und der Aufwand hat sich gelohnt. Die vorberatende Wirtschaftskommission (WAK-N) und der Nationalrat sind den zentralen Forderungen nachgekommen. Matchentscheidend dabei ist die Setzung der Zuschlagskriterien: Hier wurde der Vorschlag des Bundesrats durch eine griffige Formulierung ersetzt: Nach der Meinung des Nationalrats gehört die Zukunft dem vorteilhaftesten Angebot und nicht dem wirtschaftlich günstigsten. Es bleibt aber abzuwarten, inwiefern eine klärende Formulierung die Denkart in der Vergabekultur beeinflusst.
Eine «Gesetzesfiktion»
Der Dumpingbekämpfung hat das Parlament knapp mit 97 zu 94 Stimmen im Sinn der Planerverbände Zähne verliehen: Zukünftig sollen Tiefpreisangebote zwingend auf ihren Gehalt abgeklopft werden. Ein Wermutstropfen ist, dass trotz wortstarkem Eintreten von Nationalrat Beat Flach seine Ratskollegen kein Gehör hatten für eine vernünftige Formulierung von Ausstandsregeln, die auch bei Planungswettbewerben tauglich wären. Ernüchternd ist auch die schwammige Gesetzeslegung zur Vorbefassung: Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer nannte sie treffend «Gesetzesfiktion». Grundsätzlich ist zu hoffen, dass auch die Kantone die Fassung von National- und Ständerat akzeptieren, damit zukünftig die öffentliche Vergabe schweizweit mit einem Gesetz reguliert wird.
Schwach in Quantität, stark in Qualität
Die Session im Nationalrat zeigte, dass es sich bei diesem Thema nicht um einen akademischen Diskurs handelt, sondern handfeste Interessen des Werkplatzes Schweiz tangiert sind. Unstrittig werden intelligente Anreize für die Schweizer Wirtschaft gefordert: eine Wirtschaft, die tendenziell schwach in der Quantität, aber stark in der Qualität aufgestellt ist. Das neue BöB, so die Forderung, soll einstehen für Qualität, Innovation, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, Lohngleichheit, Arbeitssicherheit und soziale Gerechtigkeit.
Evolution des internationalen Vergaberechts
2012 lancierte die Welthandelsorganisation WTO mit der Revidierung des Government Procurement Agreement (GPA) einen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Beschaffung. Mit dem Primat des Qualitätswettbewerbs evolutionierte die Welthandelsorganisation die neoliberalen Forderungen nach Marktzugang, Transparenz und Wettbewerb aus den Neunzigerjahren. Die Einsicht, dass das billigste Angebot nicht immer das günstigste ist, fand Eingang ins Credo der Gralshüter des internationalen Wettbewerbs. Um die Partizipation an den internationalen Märkten zu sichern, galt es, die Änderungen aus dem GPA zeitnah in nationales Recht zu integrieren.
Aus 27 Regeln wird ein Gesetz
Quasi nebenbei bot sich die willkommene Gelegenheit, 27 verschiedene Regeln zur öffentlichen Vergabe aus Bund und Kantonen in einer einzigen aufgehen zu lassen und für einmal auch Regulierungskosten abzubauen. Gemeinhin reguliert der Staat die ungestümen Pistoleros der Privatwirtschaft. Bei der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts ist für einmal der Staat Subjekt der Regulierung; interessant dabei ist, dass er sich die Regeln gleich selber auferlegt. So oblag es dem Nationalrat, den Behörden auf die Finger zu schauen.