Gros­se Büh­ne für gu­te Nach­rich­ten

Zurich Design Weeks

Vom 12. bis zum 29. September 2024 fand in Zürich die dritte Ausgabe der Zurich Design Weeks statt. Die diesjährige Veranstaltung stand unter dem Motto «Good News». Ein Rückblick auf ausgewählte Schauplätze des Festivals.

Publikationsdatum
08-10-2024

Am vergangenen Sonntag gingen die Zurich Design Weeks zu Ende – und damit die grösste Designveranstaltung der Schweiz. Die zum dritten Mal stattfindende Veranstaltung lud ein breites Publikum dazu ein, verschiedene Ausstellungen, Installationen und Anlässe zu besuchen. Während drei Wochen konnten unter dem Motto «Good News» 60 Programmpunkte an unterschiedlichen Standorten besucht werden. 

Nebst Stadtspaziergängen, Designtalks und Installationen im öffentlichen Raum gewährten auch Hochschulen, Unternehmen, Galerien und Ateliers Ein- und Ausblicke in die Welt des Designs. Co-Kuratorin und Mitbegründerin Gabriela Chicherio sagte: «Wir wollen den Blick auf den Fortschritt lenken, auf zukunftsfähige Ideen und kleine sowie grosse Innovationen, die uns optimistisch stimmen.» 

Nachhaltigkeit und Inklusion 

Dreh- und Angelpunkt des Designfestivals war die Design Zentrale im Museum für Gestaltung. In der Swiss Design Lounge fanden Besucherinnen und Besucher Infos zu allen Programmpunkten des Events, zudem lockten die Gruppenausstellungen «Design for all Species» und «Newcomer». Bei letzterer zeigten fünf Absolventinnen und Absolventen von Schweizer Designhochschulen ihre Ideen von der Zukunft des Designs.

So entwarf Jana Besimo (HSLU) mit «Ressourcenmeter» ein ressourcenschonendes Konzept zur Wiederverwendung aussortierter Meterware, während im Projekt «L’Eufleurie» der ECAL-Studentin Iris Gerbex Papierblumen erblühen, sich färben und duften, wenn sie mit Wasser in Berührung kommen. Einem dringlichen Thema widmeten sich Luis Praxmarer und Lars Ziegler während ihrer Masterarbeit an der ZHdK: Mit ihrem Projekt «Selbstbestimmt» haben sie sich die Verbesserung der demokratischen Teilhabe sehbeeinträchtigter Menschen auf die Fahne geschrieben. 

Hintergrund war die Tatsache, dass es gegenwärtig blinden Menschen in der Schweiz nicht möglich ist, autonom abzustimmen, da haptische Merkmale auf den Unterlagen fehlen. Gemeinsam mit sehbehinderten Menschen haben die beiden Gestalter im Rahmen selbstkonstruierter Co-Design-Workshops einen Lösungsansatz erarbeitet. Das Ergebnis ist ein Abstimmungs-Kit, das eine Smartphone-App mit einem haptischen Koordinatensystem vereint. Damit ist es möglich, die Abstimmungsunterlagen autonom zu identifizieren, zu orientieren und auszufüllen.

Landmarks zum Ausruhen und Meditieren

Wer ermutigt und beflügelt von den Visionen des Designnachwuchses wieder ins Freie trat, konnte sich dort auf dem neuesten Entwurf von Atelier Oï für de Sede ausruhen: Jüngst am Salone del Mobile lanciert, lud das flexible modulare Sofa «DS-888 Collina» zum Probesitzen auf einer Sitzlandschaft in Bewegung ein. Das skulpturale Möbel war eine der fünf «Landmarks», Installationen im öffentlichen Raum, die Designerinnen und Designer speziell für die Zurich Design Weeks erarbeitet und adaptiert haben. 

Einige Hundert Meter entfernt lockte eine weitere Sitzgelegenheit am Gustav-Gull-Platz: Um es sich auf der organisch geformten «Togetherness Bench» gemütlich zu machen, musste man allerdings nasse Füsse in Kauf nehmen, denn der Entwurf der Zürcher Designerin Yael Anders stand im Wasserbecken auf dem belebten Platz an der Europaallee. 

Eine der schönsten Landmarks gab es am Bahnhof Enge zu sehen: Die Licht-Installation «Soul» verwandelte die ehemalige Schalterhalle in eine magische Welt. Die wellenförmige Projektion tauchte den Raum in sanfte Violett- und Blautöne. Ein nahezu meditatives Erlebnis, das der ukrainische Lichtdesigner Mykola Kabluka mit seinem Team von Expolight nach Zürich brachte. Die Lichtinstallation ist zudem eine Zusammenarbeit zwischen den Zurich Design Weeks und der Kyiv Design Week.

Hermès, Landi und Glacés 

Um den Paradeplatz herum gab es ebenfalls Neues zu entdecken. Flaneure wurden dabei von einem Schaufenster bei Hermès angezogen. Dort hatten für einmal Studierende der Zürcher Hochschule der Künste die Auslage inszeniert – ein Resultat eines Unterrichtsprojekts zum Jahresthema «L'esprit du Faubourg» der französischen Luxusmarke. Die Inszenierung von Jennifer Anger, Davide Iozzo und Clara Kuhnke ist ein ausklappbares Papiertheater rund um die Insignien des Hauses wie dessen ikonische Carrés. 

Ein Zitat der Designgeschichte empfing auch die Besucherinnen und Besucher des Hotels Widder: In der Lobby interpretierte das Londoner Designstudio Soft Baroque in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Möbelhersteller Vitra den Landi-Stuhl neu – und zwar in massivem Holz. An der Fraumünsterstrasse wartete eine Baustelle auf Interessierte: Das Zürcher Bureau Hindermann lud ein, den Stand des Umbaus der Sparhafen Bank zu begutachten. Pink und Spiegel, so liess sich erahnen, werden eine Rolle spielen in der Gestaltung der Innenräume. Und da manche Bauphasen nicht nur ein «Glacéschlecken» seien, so Christof Hindermann, spendierte das Büro Espresso und Gelati.

Kreislaufwirtschaft für den Schlaf

Mehrere Projekte im Programm zeigten: Für ein gesundes Leben ist guter Schlaf unumgänglich. Gut schlafen, um besser zu leben – unter diesem Motto lud der Berner Designer Joel Hügli in den Pop-up-Store an der Kernstrasse ein. Dort präsentierte der Gewinner des Schweizer Designpreises seine Matratzen-Innovation «Ecomade». Hinter dem Produkt steht die Tatsache, dass in der Schweiz pro Jahr bis zu eine Million Matratzen in der Kehrichtverbrennung entsorgt werden. 

Diesem Ressourcenverschleiss will der Designer mit einem zirkulären Produktionsmodell die Stirn bieten. Seine Matratzen bestehen aus wenigen Materialien und Komponenten, die leicht zusammengefügt und wieder voneinander getrennt sowie ersetzt werden können. Dank der Zerlegbarkeit ist es möglich, die einzelnen Materialien wiederzuverwerten – und das bei Ecomade selbst. Das Start-up holt alte Matratzen ab, recycelt die Bestandteile ordnungsgemäss und ersetzt Einzelteile bei Bedarf. Die Lancierung seines Produkts inszenierte Hügli mit der Naturfaser-Bettwäsche und den Cradle-to-Cradle-Pyjamas des Schweizer Heimtextilherstellers lavie – Probeliegen bei Kaffee und Kuchen inbegriffen. 

Weniger innovativ war der Auftritt von Ikea. Die immersive Ausstellung «It’s time for a good night’s sleep» versprach, die Besucherinnen und Besucher mit auf eine sinnliche Reise durch die Welt der Träume, der Entspannung und des Schlafs zu nehmen. Jedoch trafen die Neugierigen in der Photobastei vor allem auf bonbonbunte, flauschig-weiche, mit Ikea-Möbeln ausgestattete Räume. Sicher, man erfuhr auch etwas über Schlafhygiene und konnte gar Breathwork-Sessions zur Entspannung besuchen. Das Aufsehenerregendste an der Inszenierung war aber wohl das Original-Outfit von Eurovision-Contest-Sieger Nemo. 

Eher enttäuschend war auch das Pop-up Micasa x Julian Zigerli, in dem das Schweizer Einrichtungshaus Micasa mit dem Zürcher Modedesigner für die limitierte Kollektion «Mi casa es su casa» zusammenspannte. Der sonst so inspirierende wie provokante Modedesigner brach das Thema Schweizer Berge jedoch auf sehr einfache Weise herunter. Was bei früheren Kollaborationen des Modeschöpfers, zum Beispiel mit dem Label Appenzeller Gurt, funktionierte, führte hier zu eher albernen Kreationen wie einem Herzspiegel und Fichtenholz-Tabourettli mit Smileys. 

Welten zusammenbringen

Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der kunstvollen Holzverarbeitung in Japan und der Schweiz konnte man in den Räumen des Wohnhilfe-Showrooms an der Claridenstrasse erkunden. Unter dem Titel «Form & Wood: A Swiss-Japanese Craft» präsentierte das Unternehmen Entwürfe der Marken Girsberger und Conde House in präzisen Gegenüberstellungen. So traf beispielsweise der Tisch «Udina» von Girsberger auf die Stühle «Ten» von Conde House. Beiden Entwürfen gemein ist, dass sie einen grossen Sinn fürs Handwerkliche zeigen. 

Die renommierte Westschweizer NOV Gallery brachte die Deutsch- und Westschweiz auf dem Kasernenareal zusammen. Die Schau «Out of the Woodworks» belegte das Erdgeschoss der Räume des Kollektivs 4, das im historischen Zeughaus 4 mehrere Studios aus verschiedenen Bereichen der Kunst, des Designs und des Handwerks vereint. In der Holzwerkstatt im Erdgeschoss waren Objekte zu sehen, die eine neue Wertschätzung für den Werkstoff Holz zelebrieren. Die bereits am Salone del Mobile in Mailand präsentierte Ausstellung umfasst unter anderem die «Stave»-Vasen von Aleksandra Maria Szewc, gefertigt aus alten Holzeimern, und die Kollektion «Woodlands» von Georg Foster und Leonard Kraettli. 

Das Holz, aus dem die der Hand schmeichelnden Schalen, Tabletts und Spiegel gefertigt sind, stammt von Kieferholztrennwänden, die man in der ganzen Schweiz auf Dachböden und in Kellern findet. Um die Oberfläche feiner und griffiger zu machen, kam die japanische Technik des Yakisugi zum Einsatz. «Das Abbrennen und Abreiben der verkohlten Schicht ist eine natürliche Methode, um das Holz weicher zu machen und mehr Struktur zu zeigen», erklärt Designer Georg Foster. Die tiefschwarze Oberfläche wurde durch Beizen und Ölen mit einem Holzkohlepigment wieder hergestellt. 

Eine der inspirierendsten Entdeckungen der ZDW wartete im Doldertal 22 auf die Besucherinnen. Dort, in einer dem Abbruch geweihten Villa, debütierte das Basalto Collective mit «echoes – Bridging Craftsmanship and Contemporary Design». Gründerin Paulina Reséndiz will die so lebhaften wie dynamischen Designszenen Mexikos und der Schweiz zusammenbringen. Ihre Zusammenstellung von Arbeiten zehn zukunftsweisender Studios aus beiden Ländern zeigte auch die Verbindung von traditioneller Handwerkskunst und modernem Design. So trafen beispielsweise die an Alexander Calder erinnernden, fein austarierten Bronze-Kerzenhalter von Federico Stefanovich und die archaische Feuerstelle «Fusina» aus Lavastein von José Bermudez auf die sedimentartigen experimentellen Werke des Zürcher Studio Eidola. 

Besonders auffällig waren die Arbeiten von Andrés Anza, Gewinner des diesjährigen Loewe Foundation Craft Prize 2024. Der mexikanische Designer nutzt Keramik, um amorphe Wesen zu erschaffen. Wie stachlige, mal gelbe, mal rote Korallen sitzen diese auf dunklen Stelen. «Ich möchte, dass die Menschen sich vertraut und neugierig zugleich fühlen, wenn sie dieses Werk sehen», erklärte Anza. Paulina Reséndiz beweist in ihrem Schweizer Debüt einen grossen Sinn für das Zusammenbringen gestalterischer Welten. Man wünscht sich, künftig mehr zu sehen von dieser jungen Galeristin.

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