Gebäude pro­gram­mie­ren

Planungsmethodik

«Wir müssen die Gebäudeplanung grundsätzlich anders, einfacher und integrierter denken, ein Gebäude als System oder Produkt begreifen.» Ein Spezialist erklärt, wie eine Planung funktioniert, die auf einem modularen Gebäudemodell aufbaut.

Date de publication
15-10-2015
Revision
15-11-2015

Seien wir ehrlich: Unsere Planungskultur ist nicht durch Integration gekennzeichnet, sondern durch Spartendenken und eine damit verbundene grosse Heterogenität der Modelle und Werkzeuge. Unsere zusammengespielten Planungsergebnisse, ob in 2-D oder 3-D, gleichen eher Suchbildern als strukturierten Unterlagen. Der Anspruch eines integrierten Gesamtmodells für Gebäude, aus dem heraus alle Prozesse kontrolliert werden, der insbesondere aus der Softwareindustrie vorgebracht wird und in anderen Industrien gelebter Standard ist, ist vor dem Hintergrund dieses niedrigen Grads an inhaltlicher Integration nicht realisierbar. 

Ad-hoc-Lösungen auf der Baustelle, ein hoher Anteil handwerklicher Montageprozesse, die notwendige Zerstörung und der Rückbau von Bauleistungen sind allgemeine Praxis. Kosten, Qualitäten, Bauzeiten und Risiken sind nicht beherrschbar und nur durch Pauschalierungen in einem vertretbaren Korridor zu halten. Die Kontrolle eines Gebäudes über seinen Lebenszyklus mit seinen vielfältigen Nutzungsanpassungen ist nur mit grossem Aufwand möglich. 

Da dieses Ergebnis das Spiegelbild unserer Planungskultur und unseres Selbstverständnisses ist, reduziert sich die aktuelle Diskussion um BIM entsprechend auf die Informationsanreicherung, die Informationsverwaltung und die Informationsverarbeitung. Unsere Planungsobjekte müssen nicht mehr nur sauber gezeichnet und benannt werden. Sie werden durch den BIM-Anspruch zu Trägern einer Vielzahl weiterer Informationen. Der Eingabe-, Ablage- und Kontrollaufwand steigt für alle Planungsbeteiligten erheblich, da sich an der grundsätzlichen Art der Modellierung und der Zusammenarbeit nichts ändert.

Softwareindustrie und BIM-Dienstleister liefern keine Hilfe

Hilfestellung ist dabei nicht von der Softwareindustrie und auch nicht vonseiten der Vielzahl neuer BIM-Dienstleister zu erwarten. Diese sind nicht in die eigentliche inhaltliche Planung eingebunden und fokussieren ihre Leistung damit auf die reine Verwaltung und Kontrolle der Daten. Der Datenpflegeaufwand bleibt beim Planer und wird durch die externe Kontrolle noch erhöht. Dabei ist offensichtlich, dass die Modellierung, also das «M» im Begriff von «BIM», den eigentlichen Kern der gestellten Aufgabe berührt und hier auch der Schlüssel für ihre Lösung liegt. Wir müssen die Gebäudeplanung grundsätzlich anders, einfacher und insbesondere integrierter denken, ein Gebäude als System oder Produkt begreifen. Dann werden auch alle weiteren Aufgaben einfach. 

Vorbilder für eine derartige Modellierung findet man in anderen Industrien, z. B. im Fahrzeug- und Maschinenbau, mit einem hohen Anteil an Vorfertigung und einer hohen Produktivität in den Montageprozessen. In diesen Industrien wird eine Planungsaufgabe sys­tematisch in überschaubare Teilmodelle, sogenannte Module, zerlegt. Die Schnittstellen zwischen den Modulen werden standardisiert. Damit reduziert sich die Komplexität. Die Module können unabhängig voneinander von spezialisierten Planungsteams in einer wirklichen interdisziplinären Zusammenarbeit ausgearbeitet werden. Schliesslich werden die Teilmodelle wieder zu einem grossen Ganzen zusammengefügt. Diese Modelle kann man modulare Produktmodelle nennen.

Potenzial der modularen Gebäudemodelle

Übertragen auf die BIM-Welt würde man von modularen Gebäudemodellen sprechen. Vergleichende Studien zeigen, dass modulare Gebäudemodelle um mindestens den Faktor 5 einfacher und damit beherrschbarer sein können als konventionelle Modelle, ohne die architektonische oder funktionale Qualität des Entwurfs in irgendeiner Form zu beeinträchtigen.1 

Dabei ähnelt die Planungsaufgabe sehr stark einer Programmieraufgabe, jedoch mit dem Unterschied, dass die Programmiersprache für einen individuellen Gebäudeentwurf zu Beginn noch nicht bekannt ist und mit diesem erst noch entwickelt werden muss. Es geht also darum, die eigentliche Struktur des Gebäudes her­auszuarbeiten, ein Gebäude nicht als Ansammlung von Einzeldaten, sondern als Modell zu begreifen. Ziel ist eine möglichst kompakte, redundanzfreie Beschreibung des Gebäudeentwurfs, aus dem heraus alle Prozesse der Planung, des Baus und des Betriebs abgeleitet werden können. Im Grunde genommen müsste ein Wettbewerb um die kompakteste Beschreibung eines Gebäudes ausgerufen werden und nicht um die Grösse der kontrollierten Datenmenge.

Planungsaufgaben als Programmieraufgaben 

Sucht man nun nach einer Methode für den modularen Gebäudeentwurf, stellt man fest, dass Baukonstruk­tionen im Gegensatz zu den Vorbildern aus dem Fahrzeug- und Maschinenbau konstruktiv eher einfach sind. Allein die Vielzahl der Konstruktionen machen sie zu einer Herausforderung. Gebäudeentwürfe beschreiben in diesem Sinn weniger Konstruktions- als Logistikaufgaben, also die Detaillierung, Steuerung und ­Verwaltung immer wieder gleicher oder ähnlicher Konstruktionen, Montageabfolgen und Wartungs- und ­Unterhaltsprozesse. Häuser sind also «gebaute Wiederholungen».

Der modulare Planungsansatz macht sich diese Erkenntnis zu eigen. Er schafft ein Instrumentarium, um die Wiederholungen in individuellen Gebäudeentwürfen sichtbar zu machen und durch verbindliche Definitionen in ihrer Ausprägung zu verstärken. Dabei ist das Ziel, den individuellen Charakter der Architektur nicht zu verändern, also maximal flexibel dem Architekturanspruch und den Kundenwünschen gerecht zu werden. Die Architektur steht am Anfang, das modulare Bausystem am Ende der Entwicklung. 

Präzise geometrische Grundordnung

Notwendiger Ausgangspunkt für den modularen Planungsansatz ist die Definition einer präzisen geometrischen Grundordnung. Diese umspannt dabei den gesamten Raum von den Hauptachsen des Rohbaus über die Achsen der Fassade, des Ausbaus und der Befestigung bis zu den Installationsräumen der Haustechnik.

Idealerweise wird die Geometrie mit dem Ziel der kompakt möglichsten Beschreibung in Form eines Rechenalgorithmus gefasst. Damit lassen sich alle Koordinaten­achsen und -punkte über alle Massstabssprünge der Planung in beliebiger Genauigkeit immer wieder neu ableiten. Über die systematische Bezeichnung aller Punkte und Achsen wird das Masssystem zum Projekt­koordinatensystem, in dem alle Konstruktionen des Gebäudes verankert und mit einer eindeutigen Ortskennzeichnung versehen werden können. Das Masssystem bildet damit die Basis für den datenbankgestützten Entwurf. 

Mass- und Flächensystem

Im zweiten Schritt, bzw. in einem Dialog mit dem ersten, wird die Geometrie in regelmässige Teilflächen zerlegt. Dies ist Ausdruck für die Organisation der Wiederholung. Die Vielfalt der Teilflächen ist ein Mass für die Komplexität des Gebäudeentwurfs. In der Regel lassen sich durch kleine Korrekturen an der Gesamtgeometrie, an der Lage von Geschosskonturen, Kernen und Wandstellungen die Anzahl der verschiedenartigen Teilflächen reduzieren, ohne dabei die Funktionalität des Gebäudes oder die Individualität der architektonischen Gestalt zu beeinträchtigen.

Wiederholungen und damit gleiche Teilflächen im Entwurf finden sich u. a. in der Interpretation von Funktionen, Ausstattungen/Qualitäten (Licht, Luft, Oberfläche, Materialien, Möblierungen), Nutzungen, Baukonstruktionen, Liefereinheiten, Montageabfolgen, Wartungseinheiten. Durch die Überlagerung von Flächensystem und Masssystem werden Orte mit gleichen geometrischen Bedingungen systematisch erfasst. Über die Ortskennzeichnung erhalten sie eine eindeutige Adressierung. 

Modulplanung – Entwicklung von Baukästen

Im Flächensystem wird der Entwurf systematisch in Teilflächen mit gleichen bzw. ähnlichen Anforderungen und Eigenschaften gegliedert. Im weiteren Planungsverlauf werden nun diesen Teilflächen über die System­entscheide der Architekten und Fachplaner konkrete Ausstattungen und Konstruktionen zugewiesen. Durch die hohen Wiederholraten der Teilflächen entstehen so immer wieder gleiche bzw. ähnliche Konstruktionen. Über die Verortung der Teilflächen im Projektkoordinatensystem sind auch die den Flächen zugewiesenen Komponenten exakt im Gebäude adressiert. 

Das Arbeiten im Flächensystem verändert den Planungsprozess von einer gewerkegetrennten Planung auf der Geschossfläche hin zu einer gewerkeintegrierten Bearbeitung von Teilflächen im Team. Durch die hohen Wiederholraten können die Teilflächen im Verhältnis viel tiefer ausgearbeitet werden und insbesondere auch die Aspekte der Vorfertigung, der Logistik, der Montage und des Betriebs berücksichtigen. Das Resultat sind integrierte Gesamtbaukästen für Rohbau, Fassade, Ausbau, Technik und Nutzung, die auf der Basis eines definierten Regelwerks kontrolliert zusammengefügt werden. 

Implementation

Mit den skizzierten Bearbeitungsschritten kann grundsätzlich jeder individuelle Gebäudeentwurf in ein modulares Gebäudemodell überführt werden. Dabei sollte die Implementation möglichst frühzeitig, noch vor der Fixierung des Entwurfs durch einen Investor oder die Genehmigungsbehörden erfolgen. Der modulare Planungsansatz muss dabei von allen Beteiligten getragen werden, insbesondere weil er gewohnte Planungswege, Sichtweisen und Rollen verändert. Entwerfen und Bauen ist immer interdisziplinäre Teamarbeit. Ein funktionierendes Team und ein gemeinsamer Entwurfsgedanke sind die eigentlichen Erfolgsfaktoren. Dann jedoch ergeben sich grosse Möglichkeiten für alle Beteiligten.

Anmerkung
1 Digitales Bauen (2008). Modulares Bauen – ein Kostenvergleich. Abrufbar unter www.digitales-bauen.de/pdf/Kostenvergleich_ModularesBauen_090128.pdf 
(last accessed 2013-06-06).

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