GPS ist kein Er­satz für tra­di­tio­nelles Ver­mes­sung­shand­werk

Aus den Berufsgruppen: Vermessung des Gotthard-Basistunnels

Wesentlich war der Anteil der Vermessungsingenieure am Bau des Gotthardtunnels. Die perfekte Vorarbeit dieser Disziplin wird auch bei anderen Grossprojekten gern übersehen.

Date de publication
08-09-2016
Revision
08-09-2016
Fritz Zollinger
Dipl. Kultur-Ing. ETH/SIA, bis April 2017 Präsident der SIA Berufsgruppe Umwelt

Viele Vermessungsingenieure und Geometer haben nach dem Beitrag in TEC21 24/2016 zur Eröffnung des Gotthard­tunnels trocken geschluckt: Sie sind es ja leider gewohnt, dass ihre Arbeit nicht zur Kenntnis genommen und noch weniger gewürdigt wird. Aber wie wäre es ohne ihre Präzisionsmessungen möglich, dass sich zwei über weite Strecken unabhängig voneinander gebohrte, nicht ge­radlinig verlaufende 57 km lange Tunnelröhren über vier Tunnel­abschnitte zwischen Erstfeld, Amsteg, Sedrun, Faido und Bodio jeweils tief im Berg hätten treffen können – mit unheimlich anmutender Genauigkeit, zwischen Sedrun und Faido zum Beispiel in der Lage auf 8 cm und in der Höhe gar auf 1 cm genau?

Schon 1992, also zwei Jahre vor der Ausschreibung des Bau­pro­jekts für den Tunnel, bildete sich das Vermessungskonsortium VI-GBT, bestehend aus drei spezialisierten Büros. Unter 126 Bewerbern erhielt man den Zuschlag, u. a. wegen einschlägiger Projekterfahrung und langjährig bewährter Zusammen­arbeit mit Hochschulen und Instrumentenherstellern. Das Konsortium garantierte die notwendige 20-jährige Kontinuität und eine fundierte Risikoabschätzung.

Die eigentlichen Vermessungsarbeiten wurden durch Spezialisten der Konsortiumspartner mit mehr als 120 Fachleuten sozusagen «rund um die Uhr über 365 Tage im Jahr» während fast 20 Jahren (oft an ­vertraglich ausbedungenen Feier­tagen) ausgeführt. Die Kosten für die Vermessung des Tunnels beliefen sich auf ca. 10 Mio. Franken, d. h. auf weniger als 1 % der gesamten Baukosten von 12 Milliarden. Die Vermessung erfolgte einerseits nach bewährten Grund­sätzen, wie sie schon beim ersten Tunnel 1880 angewendet worden sind, wurde andererseits jedoch durch modernste Technologien ergänzt oder ersetzt.

Dazu wenige Ausführungen: Vor dem Bau benötigte man früher zur Bestimmung der rela­tiven Lage der beiden bzw. aller  Tunnel-Haupt- und -Zwischenangriffsportale eine Triangulation über das ganze Gebiet des Tunnels. Damals wurden mittels Theodoliten (Winkelmessgeräte) in Dreiecken zwischen Fixpunkten (Gipfel, markante Kreten u. a.) die Winkel gemessen, worauf mit einer Basisdistanz alle Distanzen zwischen den Fixpunkten und damit auch zwischen den Portalen errechnet wurden.

Diese klassische Triangulation über den Berg wurde 1995 vollständig durch spezielle GPS-Methoden ersetzt. Was früher in monatelanger mühsamer Feldarbeit erarbeitet wurde, konnte mit 15 gleichzeitig eingesetzten GPS-Geräten auf gut 30 Messpfeilern in Portalnähe und Fixpunkten über das Projektgebiet von 60 km Ausdehnung in nur zwei Einsatztagen erledigt werden, und dies dank präzisen Satellitendaten mit Genauigkeiten von wenigen Millimetern.

Im Innern des Bergs ist der GPS-Einsatz nicht möglich: Wo man sich früher ab jedem Portal mit je einem Polygonzug (Einmessen von Punkten in der Achse durch Winkel- und Distanzbestimmungen) vorwärts orientierte, kam neu eine ­ausgeklügelte «Tunnel-Triangulateration» zum Einsatz; man legte ein sehr dichtes, extrem überbestimmtes Netz von mehrfach vermessenen Punkten an. Das tönt einfach, ist es aber im Tunnel gar nicht: Dort führen nebst dem sich aufsummierenden Winkelfehler auch verschieden warme Luftschichten zu unterschiedlichen Brechungen des Lichts bzw. Messstrahls. Nicht unerhebliche Fehler und Abweichungen können daraus resultieren.

Mit einem sogenannten Vermessungskreisel (ein rotierender Kreisel richtet sich nach der Erdachse aus) waren darum immer wieder (in diesem Projekt ca. alle zwei Kilometer) Kontroll- bzw. Stützmessungen notwendig. Nur dank dieser Technik waren die Zwischenangriffe mitten im Tunnel in grosser Tiefe (Amsteg, Sedrun und Faido) möglich, die die Tunnelbauzeit gewaltig verkürzten.

Wir Architekten, Ingenieure und Planer sollten es uns immer wieder bewusst machen: Ohne Vermessung würde kein Bauwerke am vorgesehenen Ort stehen und rechtzeitig fertiggestellt!

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